Unterwegs.

Da steht sie. Nein, sie bewegt sich, es sieht aus, als ob sie ihre Taiji-Form tanzen würde, ganz langsam. Das letzte Mal, als wir uns sahen, hat sie mich angesprochen, da habe ich genau an dieser Stelle den Chen-Stil praktiziert. Die chinesische Nachbarin unterrichtet den Yang-Stil. Ich bleibe stehen, halte inne und lächele, bevor ich weiter zur Arbeit gehe.

Nach der Meditation schlendere ich mit C. zurück zum Bahnhof. Sie weiß nicht, wie sie sich verhalten soll; sie habe sich mit einer lieben Freundin zum Frühstück getroffen, auch sie ist gerade mit Brustkrebs durch OP, Strahlentherapie und Reha gegangen. C. sei erschrocken, die eh schon übergewichtige Freundin habe weiter zugenommen, esse nicht gesund und habe auch angeblich keine Zeit für Sport. Sind wir die Einzigen, denen gesunde Ernährung und Fitness so wichtig sind? Sie bleibt stehen und schaut mit an. Das denke ich nicht, antworte ich und bleibe auch stehen; allerdings sind wir beide wirklich extrem gut aufgestellt, denn wir haben kapiert, dass wir an einer Katastrophe vorbeigeschlittert sind und uns entsprechend gut positioniert, um vorzubeugen. Verstehen tue ich Andere auch nicht, die wieder in den alten Trott zurückfallen und weiterleben, als sei nichts gewesen. Unser Körper hat schliesslich schon mal gezeigt, dass er anfällig ist; deshalb finde ich es wichtig, ihn zu stärken und weniger angreifbar zu machen. C. sieht das auch so. Ich lasse einen Bus in meine Richtung davonfahren, das Gespräch ist zu wichtig.

Ob wir uns nächsten Dienstag wiedersehen? fragt C. Natürlich, antworte ich, da sei ja wieder Taiji im verwunschenen Garten des Psychologenhauses, einer meiner Lieblingsabende der Woche. Darauf freue ich mich immer sehr. Und auch auf unseren intensiven Austausch auf dem Rückweg.

G. ist aufgebracht. Meine Schwimmfreundin treffe ich überraschenderweise auf der Aussenbahn an, normalerweise schwimmt sie am Beckenrand entlang. Heute scheint die Sonne, es ist warm, das Becken ist voller Teenies, die Ballspielen und vom Beckenrand springen. Allerdings ist auch die Ausweichmöglichkeit, auf die Schnellschwimmerbahn überzuwechseln, für uns nicht gegeben; zuviele Kampfschwimmer kraulen dort in hohem Tempo auf ihren Bahnen. Wäre sie bloss früher gekommen, schimpft G. Dann hätten wir uns aber nicht gesehen, antworte ich und versuche sie etwas aufzumuntern. Nebeneinander her schwimmen klappe heute allerdings nicht, ich solle mein Tempo schwimmen, G. fuchtelt hilflos herum, die 80-Jährige ist nicht gern auf der Außenbahn, auch wenn das Wasser nicht allzu tief ist. Ich schwimme vor und bitte mehrere Gruppen Jugendlicher, weiter an die Seite zum Spielen zu gehen. Sie gehorchen. Ich lache G. zu, jetzt haben wir Platz, wir schwimmen knapp 30 Minuten plaudernd nebeneinander her, die Stimmung steigt. Irgendwann muss auch G. über sich selbst schmunzeln, so griesgrämig kenne ich sie gar nicht, sagt sie, nein antworte ich, ich sei verblüfft gewesen, aber nun sei alles gut, es ist so gut, dass wir beide die Zeit vergessen und weit über eine Stunde im Wasser unterwegs sind.

Der Sonntag ist herrlich; kurz nach 10.00h bin ich wieder im Aussenbecken des öffentlichen Bades, wieder scheint die Sonne, wieder ist es warm, die weißen und rosa Blüten an den Bäumen sind endgültig einem tiefen Rot und Grün gewichen, die Rosen blühen, das Wasser glitzert. Kinder planschen friedlich am Beckenrand, die restlichen Schwimmer sind in meinem Tempo unterwegs. Es ist perfekt. Es ist so perfekt, dass ich denke, am Pfingstmontag wieder zum Schwimmen zu gehen.

Mo: Tubes & Taiji ✔️
Di: Meditation
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Do: Gym
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Fr: Schwimmen
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So: Schwimmen
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