Schleichend.
Am Dienstag treffe ich mich mit einer Freundin in der Sole. Ich war schon zwei Stunden vorher dort, schwimme im Aussenbecken, lese und schaue auf die beiden Damen in ihren blau-weiß-gepunkteten Badeanzügen, die im Solebad auf dem Rücken im rechten Winkel zueinander dahintreiben, bald werden sich ihre Zehenspitzen berühren. Draussen herrscht ausgelassene Stimmung, ich plaudere mit Hyazinth, dem kleinen Spanier, freue mich, dass das 90-jährige Pärchen wieder durch das Wasser watet und schnappe Wortfetzen zweier älterer Damen auf, die sich über onkologische Themen unterhalten.
Wie leer ist das denn, stelle ich fest, die Gesundheitsmanagerin zuckt mit den Schultern, der Virus halte alle fern, damit sind wir nur zu zweit im Fitnessraum. Ich habe extra ein Desinfektionstüchlein mitgebracht, on top zu dem Spray, das hier sowieso steht und reinige vor Nutzung akribisch die Geräte.
Am Freitag schaue ich in den blauen Himmel, die Wolken ziehen wild vorüber. Noch scheint die Sonne. Ich blinzele, während ich in Rückenlage das Aussenbecken des öffentlichen Bades durchschwimme. Nur zwei weitere Gäste sind im Wasser, das heute wunderbar warm ist. Ein Grad mehr, sagt später die Bademeisterin, das spürt man sofort. Es bleibt leer, auch G., meine Schwimmfreundin, ist nicht erschienen. In den Umkleiden und den Toiletten riecht es nach Desinfektion.
Ich rufe G. an, als ich am Samstag kurz zum Supermarkt möchte, sie wohnt auf der Strecke, ich will fragen, ob ich ihr etwas mitbringen kann. Keiner hebt ab. Am Sonntag lacht sie ins Telefon, sie freut sich sehr ob meines Angebotes, aber sie sei ja nicht gebrechlich (nur 80 Jahre, denke, aber sage ich nicht).
Ich kaufe Kaffee und Filtertüten, nun habe ich je 1,5 Päckchen zuhause. Das ist trotzdem noch kein hamstern, finde ich. Auf dem Rückweg nach Hause ist es menschenleer. Normalerweise muss ich mich durch Touristenmassen drängeln, jetzt stehen hier drei Menschen herum, etwas verloren sehen sie aus.
Die Schwimmtasche für Sonntag ist gepackt, kurz vorher schaue ich sicherheitshalber nochmal auf die Website. Und da steht es: die Stadt Hamburg schliesst ab 14.00h alle Bäder. Ich rufe im Bad an, neun Gesprächspartner sind vor mir in der Leitung, ich lege wieder auf, unschlüssig, ob ich schnell losfahre und die letzte Runde bis auf weiteres schwimme, verwerfe die Idee, es könnte voll sein, und ich achte schon länger darauf, Sicherheitsabstände zu anderen einzuhalten. Da ich eh schon im Sportoutfit bin, jogge ich in den Hafen und laufe meine Taiji-Form, wieder und immer wieder, bis ich meine innere Balance wiedergefunden habe.
Eine Nachricht jagt die nächste, das Virus kommt näher, nimmt Fahrt auf und das tägliche Leben weg. Das mein Schwimmbad geschlossen hat, hat mich wirklich getroffen. Trotzdem muss ich mich weiter bewegen, bewegen für das Immunsystem, bewegen gegen Rückschläge anderer Art, die härter ausfallen würden.
Zwischen den Schlagzeilen lobe ich innerlich meinen Hausarzt, der mich im November bei der Grippeimpfung auch kurzerhand gegen Lungenentzündung geimpft hat, nun wird der Impfstoff knapp.
Eine Nachricht von meinem Taiji-Lehrer, er habe lange nachgedacht und sich entschlossen, weiter zu unterrichten, aber mit Vorkehrungen, die man beim Taiji auch sehr gut einhalten kann (großzügiger Sicherheitsabstand, keine Berührungen, und wer kränkelt, möge fernbleiben). Ich freue mich, denn Balance braucht man wirklich in dieser Krise, schreibe fröhlich zurück, um dann in den neuen Anordnungen der Stadt Hamburg zu lesen, dass sämtliche Sporthallen zu schliessen haben.
Der Fitness-Rückblick – vermutlich der letzte „normale“ Rückblick für die nächste Zeit:
Montag: Taiji ✔️
Dienstag: Schwimmen/Sole ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Sonntag: Mini-Jogging und Taiji ✔️
