11.08.2021

Der Ausflug.

„Steuerbord! Nun Backbord!“, schallt es von der Rückbank. „Ihr seid nur Supernumerary und habt so gar nichts zu vermelden!“, rufe ich den beiden Kollegen, die im wirklichen Leben richtige Kapitäne sind, zu. Ich steuere, ich trete, also bin ich der Kapitän an Bord dieses Tretbootes.

Kapitän 1, mein Bürogenosse, hat bereits nach zehn Minuten seine Position als in die Pedale tretender und ins Steuer greifender Chief Officer wegen Rücken/Knie/Unfitness aufgegeben und mit dem Accountant halsbrecherisch den Platz gewechselt, der nun friedlich neben mir sitzt und gleichmässig mit mir das Tretboot vorwärts bewegt. „Was sollen bloss die Anderen denken, die uns sehen – drei Männer und eine Frau an Bord, die hier treten muss“, vermerkt Kapitän 2. „Was soll erst die Bootsvermietung denken, wenn sie das sieht“, entgegne ich. „Ich habe meinen Schwerbehindertenausweis als Pfand für die Tretboote abgegeben“.

Die Sprüche fliegen hin und her, während wir auf der Hamburger Aussenalster herumschippern, das Wetter ist perfekt für eine Bootstour, und ich gerate nicht einmal ins Schwitzen. Die heutige Fitnesseinheit ist hiermit ausserdem abgehakt.

08.07.2021

Unterwegs.

Aufgeregt (da Premiere), unsicher (wird die gecrashte Bandscheibe das mitmachen?), enthusiastisch (das bin ich meistens), neugierig (wie wird es mir gefallen?), balancierend auf dem Wasser (statt sonst schwimmend im Wasser), verschwitzt (da warm und sonnig), verschrammt (der Brombeerstrauch wollte nicht ausweichen) und glücklich!

Danke, liebe Su, für das tolle Einsteigertrainining (Fotos und Video: Su/Diagnose Leben)

05.07.2021

Unterwegs.

„Ich geh‘ jetzt ins Freibad“, sage ich. Mein Kollege schaut kurz auf, „Viel Spass, Prinzessin, das ist gut für’s Immunsystem“ und vertieft sich wieder im PC. Ich wiederhole dasselbe eine Tür weiter, der Geschäftsführer sieht aus dem Fenster auf den dunkelgrauen Himmel und den Nieselregen, rollt mit den Augen und winkt ab. Man kennt mich. Abhalten kann man mich eh nicht, und sei das Unterfangen noch so unverständlich.

Ich schultere die Schwimmtasche und marschiere los. Durch den Hauptbahnhof und um ein Mandelhörnchen reicher, geht es mit der U-Bahn Richtung Freibad.

Und hier fühle ich mich wie in dem kleinen gallischen Dorf, das aufmüpfig dem römischen Reich trotzt, denn hier kommt die Sonne, die den ganzen Tag nicht zu sehen war, zwischen den Wolken hervor. Ich gleite ins glitzernde Wasser, Muster entstehen auf den Armen, während ich gleichmässig meine Bahnen ziehe.

Ich wünschte, ich könnte Fotos machen und diesen friedlichen Moment festhalten: ein junger Mann sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen, ganz aufrecht und grazil, auf der roten Mauer und liest Zeitung, zwei kleine Jungs in blauer und roter Badehose, denen die Sonne auf die gebräunten Rücken scheint, haben sich kumpelhaft die Arme um die Schultern gelegt und plaudern mit dem Bademeister, ein älterer Herr in Hemd und Anzug sucht sich ein Plätzchen auf der Anhöhe. Rechts von mir schwimmt ein Asiate mit langen Haaren, langsam und etwas unsicher bleibt er an der Beckenkante, auch wenn hier eigentlich Kreisverkehr gilt. Ich wechsele vom Brustschwimmen in die Rückenlage und tue das, was ich am liebsten tue: in die Sonne blinzeln.

Fitness-Wochenrückblick, Fitness-Wochenausblick:

Mo: Schwimmen ✔️

Mi: Hantelworkout / Balanceboard ✔️

Do: Gym ✔️

Fr: Schwimmen ✔️

Sa: Schwimmen ✔️

So: Schwimmen ✔️

Mo: Schwimmen ✔️

Di: Taji-Class bzw. Meditation-Class 🔲

Mi: Stand Up Paddling (Premiere) 🔲

Do: Gym 🔲

Fr: Schwimmen 🔲

Sa: Schwimmen 🔲

So: Schwimmen 🔲

21.02.2021

Zuhause.

Ich ziehe die Trainingsjacke aus. Ich ziehe das T-Shirt aus. Ich ziehe das Unterhemd aus. Der Schweiß läuft mir den Rücken herunter, während ich, nun im Bustier, mich boxend auf der Matte bewege.
Der Nachbar, der mit der Bierflasche in der Hand auf dem Balkon steht und neugierig zu mir herüberschaut, wird mit einem bösen Blick abgestraft, bis er in seiner Wohnung verschwindet, wo der Bildschirm des Fernsehers aufflackert.

Unterschätzt habe ich die Gabi und ihr Fitnessprogramm, dem ich jetzt auf YouTube folge. Kein Wunder, habe ich bisher das Morgengymnastik- und das Beckenbodenprogramm absolviert, die mir doch sehr angenehm erschienen. Nun bin ich bei der 21-Tage-Fitnesschallenge hängengeblieben, die gerade angelaufen ist und in 45-Minuten-Einheiten auf einem doch ganz anderen Level stattfindet. Da ich gestern den dritten Teil nur zur Hälfte absolviert habe, wird der fehlende Part heute nachgeholt, bevor ich mit Teil 4, dem Boxprogramm, starte. Ich schnaufe. Ich fluche. Ich werfe auch der Gabi einen bösen Blick zu, die sich natürlich nicht beeindrucken lässt. Aber da ich in absehbarer Zeit wieder ins Aussenbecken des öffentlichen Bades möchte, möchte ich auch in shape sein. Zumindest ein bisschen.

Heute Vormittag bin ich bereits durch den Hafen hinauf zum Hamburger Michel und weiter nach Planten un Blomen marschiert. Und heute Mittag bin ich mit Nims auf den Nanga Parbat geklettert, einem der 14 Achttausender, die er allesamt in sieben Monaten bezwungen und damit einen neuen Weltrekord aufgestellt hat. Für mich war die Besteigung zwar aufregend, aber nicht ganz so anstrengend, da ich dieser nur literarisch vom Liegestuhl aus beigewohnt bin. Trotzdem bin ich fasziniert von der Disziplin, der Fitness und dem positiven Mindset, das motiviert, das lässt mich das Programm mit der Gabi gleich viel ambitionierter angehen.

Das nächste Workout der 21-Tage-Challenge ist für straffe Beine, und das gefällt mir, die kann ich für das Schwimmen gut gebrauchen, genauso wie für die (mentale) Besteigung des Gasherbrum I, der als nächstes dran ist.

Es wird kühl. Ich ziehe das Unterhemd an. Ich ziehe das T-Shirt an. Ich ziehe die Trainingsjacke an. Der Berg ruft.

29.12.2020

Einbruch.

Die Thermoskanne ploppt dumpf auf dem waldigen Boden auf, als ich sie über die Mauer werfe. Und nun noch die Rucksäcke und die Picknickdecke, sage ich zu meiner Begleitung.

Unnütz, eine Picknickdecke mitzuschleppen, schimpfe ich mich selbst, als ob man nachts um 2.00h in der Winterkälte gemütlich den Proviant auspacken würde. Ne, das geht so nicht, lass mich mal wieder runtersteigen. Ich verlasse die Feuerleiter, die mein Begleiter aus seinen Händen geformt hat, ziehe die Flipflops aus und werfe auch diese über den Rand der roten Backsteinmauer. Zum Glück ist da eine Lücke im Stacheldraht, über die man steigen könnte, wenn man denn erst mal oben auf der Mauer sitzen täte.

Es fängt an zu nieseln. Die Finger klammern sich in die Ritzen des alten Gemäuers, kalt und nass, aber immerhin ist das Unterfangen barfuss besser zu bewältigen. Ich springe.
Hauptsache du springst nicht in eine Scherbe, denke ich und lande dann weich auf der Picknickdecke, die ich jetzt doch nicht mehr so unnütz finde.
Willst Du nicht besser die Schwimmbrille abnehmen? zische ich der Begleitung zu. Dieser winkt ab und klettert – ebenso wie ich im Neoprenoutfit – etwas eleganter über die Mauer.
Hauptsache, es sieht uns keiner. Das ist eine unnötige Sorge, denn nachts um 2.00h sind selbst die hartnäckigsten Jogger und Gassigeher nicht mehr am Kaiser Friedrich-Ufer unterwegs, sondern liegen zuhause in ihren warmen Betten.

Vor uns liegt das 50-Meter-Becken des Freibades. Das Wasser ist herausgelassen, der Mond, der hinter den Wolken hervorkommt, lässt es in einem fahlen Blau erstrahlen.
Achtung, da ist kein Wasser drin, raune ich dem Begleiter zu, der sich in Richtung der steinernden Startblöcke aufgemacht hat. Ausserdem ist das nicht „mein“ Becken des öffentlichen Bades, das liegt weiter oben im Gelände. Auf glitschigem Untergrund geht es einen Hügel hinauf, vorbei an dem kleinen Holzhäuschen des Kiosks, in dem es im Sommer die Schwimmbad-Pommes gibt, nun ist es leer. Es geht vorbei an der plakatierten Umkleideschnecke, die im Dunkeln unter den Bäumen liegt. Und dann liegt es vor uns: im Licht eines einsamen Scheinwerfers steigt der Dampf aus dem 25-Meter-Becken auf, ein gutes Zeichen. Ein gutes Zeichen, sage ich und deute in die Luft. Das Wasser ist tatsächlich beheizt. Flipflops, Decke, Rucksäcke und Thermoskanne landen an der Bande. Und dann steige ich langsam ins glitzernde Wasser. Der Regen hat aufgehört.

…und dann klappe ich amüsiert das Laptop zu, schalte das Licht aus und schlafe ein, genauso wie die Gassigeher und Jogger, morgen musst Du die Thermoskanne mitnehmen, denke ich noch.

Nachtrag:
Handlung und Personen sind frei erfunden. Zufälligkeiten mit lebenden Personen sind unbeabsichtigt. Der Autor und der Ich-Erzähler müssen nicht identisch sein.

Nachtrag 2:
Könnte ein Verantwortlicher bitte den Schlüssel für den Eingang meines öffentlichen Bades unter der Fussmatte deponieren?

07.11.2020

Sintflut.

Der Regen rauscht auf mich herunter, immer stärker und stärker, ich ziehe den Kopf ein und versuche gleichzeitig, den Fluten, die über den Gehsteig fliessen, auszuweichen.
Trotzdem gehe ich weiter, dicht an den Wänden der rotgeklinkerten Häuser entlang, in einigen Fenstern brennt ein Licht, während ich die Dunkelheit durchstreife und mir der Regen die Stirn und die Nase hinunterläuft.

Ein Torbogen taucht auf, die alten Lampen erhellen die Treppenstufen, wie am Montmartre in Paris, denke ich, doch statt der weißen Sacré Coer ragt vor mir der Hamburger Michel auf.
Auf den Turm würde ich jetzt gern steigen, ich stelle mir vor, wie der Pastor – ein Verwandter von mir – heimlich den Zugang gewährt und ich die Stiegen nach oben steige, höher und höher, die riesigen Glocken unter mir lasse und dann über Hamburg schaue. (da ich aber lausig in der Pflege von verwandtschaftlichen Beziehungen bin, bleibt das bei dem frommen Gedanken).

Ich betrete den Michel. Vorne steht tatsächlich ein Pastor, ob es mein Verwandter ist, erkenne ich aus der Ferne nicht. Zwei Betende sitzen in den Reihen, ich bleibe an der Tür stehen. Orangene Rettungsringe hängen an der Balustrade, als würden sie auf Seefahrer warten, die in Seenot geraten sind, doch hier stehe nur ich, triefend und durchnässt, als würde ich gerade der Elbe entstiegen sein.
Ich bin nicht gläubig, aber ich mag die Stimmung in der Kirche, die Ruhe und die Festlichkeit; und der Michel ist ein Anker, der fest und sicher der stürmischen Nacht standhält.

Als ich wieder hinaustrete, stelle ich fest, dass meine Turnschuhe durchweicht sind. Auch die Regenjacke ist nur noch eine Jacke, der Regen rinnt den Nacken hinunter. Die Strickjacke unter der Jacke wird immer schwerer, das Taschentuch in der linken Tasche ist ebenfalls durchweicht, nur die Schokosalmis, die in der kleinen Plastiktüte in der rechten Jackentasche stecken, scheinen trocken geblieben zu sein.

Ich wandere weiter zum Baumwall hinunter, sehe Licht im Fenster einer Bekannten, klingeln tue ich aber nicht, denn ich sehe schon vor meinem inneren Auge den See, der sich um meine Füsse bildet, wenn ich jetzt anhalten täte.

Ich überquere eine Brücke, jetzt bin ich wieder in Paris und an der Seine, vor mir blinkt der Eiffelturm, mal grün, mal blau, blink, blink, er blinkt hier wirklich, allerdings auf dem Dach eines Wägelchens, das Crepes verkauft, an wen in dieser verregneten Nacht, bleibt unklar.
Ein Angler kommt mir auf der nächsten Brücke entgegen, seine Regensachen glänzen genauso wie meine, er zieht die Mütze tiefer in die Stirn.

Über eine Stunde war ich unterwegs, Bewegung muss sein. Und eine heisse Dusche auch.

Nachtrag:
ich kann das ganze Jahr über draussen schwimmen, ohne krank zu werden.
Ich kann eine einzige Wanderung durch den Regen machen, und fange mir eine Erkältung ein.

Nachtrag 2:
Der Fitnessrückblick der Woche entfällt (aus gegebenen Anlass).

29.10.2020

Schlecht.

Schlechte Nachrichten, werde ich im Gym vom Quälgeist Motivator begrüsst. Ich weiss, antworte ich. Heute ist das letzte Training. Und dann geht es in den Lockdown.

Das macht mich so traurig, dass ich nach dem Gym zum Lieblingsbäcker laufe und mir zum Trost ein Stück Schmandkuchen kaufe.

Und da ich morgen wieder traurig sein werde, da das vorletzte Mal Schwimmen ansteht, habe ich für morgen noch ein Stück Käsekuchen mitgenommen.

Ich werde schon vor dem Lockdown dick.

Doofes Covid.

18.10.2020

Die Dame von Instagram

„Sind Sie die Dame von Instagram?“ Ansprechen tut mich eine asiatische Schnellschwimmerin in der Dusche des öffentlichen Bades am Mittwoch Abend.
Erst bin ich irritiert, dann aber freue ich mich, als sie meinen Accountnamen nennt und mich ob der schönen Texte und Bilder lobt. Später mache ich sie auf der Aussenbahn aus, und wie ich schon vermutet hatte, zieht sie schnell und elegant ihre Bahnen in der dunklen Nacht, die nur von den hellen Strahlern, die im Aussenbecken sind, erleuchtet wird.
Ich liebe diese Abendstimmung, auch wenn es mir eigentlich zu spät zum Schwimmen ist und ich Aktenzeichen XY verpasse.

Am Sonntag stoße ich unsanft auf einen Widerstand, als ich in Rückenlage das Becken – nun zur Mittagszeit – durchquere. Ich drehe mich um, aber statt gegen einen Mitschwimmer bin ich an die Wand am Ende der Bahn geschwommen. So schnell war ich noch nie auf der anderen Seite des 25-Meter-Beckens. Oder anders ausgedrückt: fasziniert habe ich in den Himmel geschaut, der impressionistisch anmutet. Wolkenschleier in verschiedenen Grautönen bedecken den Himmel, die Sonne erhellt die Wolkenfetzen, kann sich aber noch nicht recht durchsetzen. Das ändert sich am Nachmittag, wo sie sich klar vom blauen Himmel abhebt, der sich im Wasser spiegelt, in das die gelb-goldenen Blätter der umliegenden Bäume flattern. Heute schwimme ich nämlich morgens und nachmittags: mittendrin relaxe ich in der Sole, lasse mich im warmen Salzwasser treiben und genieße einen Smoothie und mein Buch in einem Korbsessel.

Ausserdem habe ich – und ein irritierter Kampfschwimmer – festgestellt, dass ich mit brustschwimmenden Schnellschwimmern fast im Tempo mithalten kann. „Fast“ nur deshalb, weil ich es nicht mag, mit dem Kopf im bzw. unter Wasser zu schwimmen. Ausserdem trage ich nicht das windschnittige Outfit, an dem man die Kampfschwimmer sofort erkennt. Denjenigen, die elegant und schnell wie ein Pfeil durchs Wasser gleiten, schaue ich gern zu. Noch lieber schaue ich allerdings in den Himmel und die Bäume und freue mich über das Glitzern des Wassers.

Fitness-Rückblick der Woche:
Mo: Taiji ✔️
Di: Meditation-Class ✔️
Mi: Schwimmen ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
So: Schwimmen ✔️

11.10.2020

Nachtschicht.

Die Luft ist kühl, der Himmel schwarz. Jetzt bin ich doch noch nach draussen gegangen bzw. geschwommen, jetzt, wo der Regen aufgehört und sich das Aussenbecken des öffentlichen Bades geleert hat. Die Scheinwerfer, die im Becken angebracht sind, lassen das Wasser in einem kalten, hellen Blauton leuchten, am Ende der Bahn sind die Umrisse der großen Bäume auszumachen, die in der Dunkelheit liegen. Es ist 21.15h. Eigentlich ist es die Zeit, wo ich zuhause bin und gemütlich den Tag ausklingen lasse. Da aber die Schwimmschicht, die direkt an meine Arbeitszeit anschließt, ausgebucht war, habe ich notgedrungen ein Ticket für die Schicht von 20.00h-23.00h gekauft. Die Frage, ob ich das Schwimmen und damit mein Sportprogramm des Tages ausfallen lassen sollte, stellt sich mir nicht. Dafür schwimme ich zu gerne.

In der Halle ist der Delphinschwimmer, den ich aus der sommerlichen Frühschicht (6.30h-9.30h) kenne, unterwegs, immer wieder taucht er auf und unter, während um ihn herum das Wasser aufspritzt. Die beiden Teenies, die relaxt an der Beckenkante schwimmen, werden ignoriert und zur Seite gedrängt. Ab und an klettert er aus dem Wasser und fachsimpelt (vermute ich) mit den Bademeistern. Attraktiv ist er schon. Aber auch arrogant und rücksichtslos. Ich beschliesse, nicht zu grüssen und ihn zu ignorieren, auch wenn er mich sicher erkannt hat, selbst wenn ich heute die turbanartige und omahafte Badekappe trage, die mich älter wirken lässt (note to myself: Du bist...note back to myself: Bin ich nicht!).

Um 23.00h liege ich im Bett und kann nicht schlafen. Das war klar. Schwimmen macht munter.

Ich bewundere Deine Disziplin“ – dieses Feedback bekomme ich sehr häufig zu hören bzw. zu lesen, vor allem von Mitstreiterinnen, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt sind.
Darüber freue ich mich. Disziplin gehört sicher auch dazu, wenn man sich bei Wind und Wetter, frühmorgens oder spät abends auf den Weg zum Sport macht.
Allerdings ist Disziplin nicht alles, um regelmässig am Ball zu bleiben. Ich habe ein Ziel vor Augen: ich möchte noch lange leben, und zwar fit und gesund. Ausserdem würde Disziplin bei mir nichts bewirken, wenn mir das, was ich mache, keinen Spaß bringen würde. Und spätestens, wenn ich in eine der vielen faszinierenden Stimmungen, die es im Aussenbecken des öffentlichen Bades gibt, eingetaucht bin, sind alle Bedenken im Blau des Beckens versunken.

Fitness-Rückblick der Woche:
Mo: Taiji-Class ✔️
Di: Meditation-Class ✔️
Mi: Schwimmen ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
Sa: Schwimmen ✔️

05.09.2020

Becken-Begegnungen.

Angeber, ruft die junge blonde Frau durch’s Aussenbecken des öffentlichen Bades, hinüber zum Bereich der Kampfschwimmer. Das sieht klasse aus!, rufe ich durch’s Aussenbecken des öffentlichen Bades, hinüber zu dem jungen Mann, der so gar nicht die bullige Statur der Profis hat, aber die anderen Schwimmer links liegen lässt, als er das Wasser durchpflügt. Für’n deutschen Meister….richtet sich die Frau an mich, bevor sie wieder Angeber! zu ihrem Freund hinüberruft.
Der Angeber fliegt geradezu durch’s Aussenbecken, wechselt durch sämtliche Stile und wendet formvollendet, wenn er nach gefühlten drei Sekunden wieder an der anderen Seite angekommen ist. Ich bin fasziniert von der Leichtigkeit, der Kraft und der Ästhetik des Schwimmens.

Bitte aufpassen, sagt eine andere blonde Frau zu der Angeber-Rufenden, die, im Gegensatz zum Meisterfreund, denselben alte-Damen-mit-Kopf-über-dem-Wasser-Brustschwimm-Stil wie ich praktiziere. Die blonde Frau Nr. 2 deutet auf ihren Bauch: heute ist Stichtag, erklärt sie uns, aber noch ist von dem Baby nix zu sehen. Da kann man die Zeit natürlich nutzen und nochmal zum Schwimmen kommen. Das Krankenhaus sei auch gleich um die Ecke, ergänzt sie fröhlich.

Die ältere Dame in dem himmelblauen Badeanzug, die ich schon am Eingang getroffen habe, kommt zurück zum Aufwärmen: das Freibad mit dem 50-Meter-Becken ist zwar offiziell geschlossen, das Wasser aber noch nicht abgelassen, und die netten Bademeister haben die Erlaubnis gegeben, das riesige Becken mit zu nutzen. 18,5 Grad, sagt sie. Aber herrlich!
Morgen werde ich sie lustigerweise in der Frühschicht in der Umkleide treffen.

Die beiden jungen Bademeister mit den Spiegelbrillen und den falschrum aufgesetzten Cappies schlendern um den Pool, der grauhaarige Kollege lässt eine Kampfschwimmerin einen Gummireifen durch das Wasser rollen, wobei sie mehrmals prustend wieder auftauchen muss.

Das Aussenbecken – der friedlichste Ort am Freitag Mittag.
Seit die Bäder dank Corona Schwimm-Schichten eingerichtet haben, ist das Schwimmen wunderbar: nur eine Handvoll Schwimmer sind in „meinem“ Aussenbecken unterwegs, mit denen ich die Sonne und das glitzernde Wasser teile.

Auch bei der Frühschicht am Samstag gehört mir das Aussenbecken fast allein: der Delphinschwimmer ist in der Halle unterwegs, genauso wie die rotbebadekappte Frau, die jeden in zickiger Manier auf die Abstandsregeln hinweist. Abstand halten ist hier einfach, es sei denn, die rotbebadekappte Frau macht unversehens einen Handstand im Becken und nötigt einen auszuweichen.

Der Himmel ist grau. Während ich in Rückenlage die dunklen Wolken betrachte, die sich hinter dem alten Rotklinker-Gebäude auftürmen, fallen mir Regentropfen ins Gesicht.
Vier Enten fliegen auf und drehen quakend eine letzte Runde über das Aussenbecken, bevor sie am Himmel verschwinden. Es wird Herbst.

Fitness-Rückblick der Woche
Mo: Youtube-Workout ✔️
Di: Mediation-Class ✔️
Mi: Schwimmen ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
Sa: Schwimmen ✔️



16.08.2020

Go!

Ich mag es, wenn meine Fingernägel hell im Wasser leuchten und meine Haut viel brauner wirkt, als sie es eigentlich ist, während ich brustschwimmend durch das Aussenbecken meines öffentlichen Bades gleite. Es ist 7.45h. Die Sonne kommt hinter den Bäumen hervor, noch wärmt sie sacht und taucht das Freibad in ein sanftes Licht.

Der Delphin-Schwimmer, der auch gestern früh schon mit mir im Becken unterwegs war, hat Brötchen dabei und trinkt mit den Bademeistern am Beckenrand Kaffee. „Den muss man sich hier verdienen„, ruft er mir zu, denn einen Kaffee, den hätte ich jetzt auch ganz gern. Ich erwidere nicht, dass ich diejenige bin, die vor ein paar Wochen als Einzige bei 17 (!) Grad geschwommen ist und schwimme noch etwas weiter.

Die Mitstreiter und Bademeister haben sich am Ende des Beckens positioniert und schauen gespannt zum Sprungbecken rüber: auf dem 10-Meter-Brett steht eine Frau. Sie geht zum Rand, geht wieder zurück, bleibt stehen, ihre Unschlüssigkeit ist bis zu meinem Becken zu spüren, das wird nichts mehr, denke ich, und schwimme weiter. Zwei Bahnen später schaue ich wieder hinüber und sehe, wie sie den Turm hinuntersteigt.

Ein circa 6-jähriger Junge, der mit im Becken planscht, ist aufgeregt: auch er möchte springen, und zwar vom Drei-Meter-Brett, am besten sofort. Die Mutter rollt mit den Augen, er möge doch vielleicht erstmal den Sprung vom Ein-Meter-Brett angehen, doch der Enthusiasmus ist ungebrochen.

Ich gehe in „meine“ Umkleideschnecke, dann setze ich mich mit meinem Frühstück in die Sonne an das 50-Meter-Becken. Als ich zum Sprungbecken hinüberblicke, steht oben auf dem Drei-Meter-Turm der kleine Junge. Er schaut zum Rand, dreht sich um und klettert den Turm wieder hinunter, marschiert zum Ein-Meter-Brett, springt fröhlich drauf herum und dann ins Wasser. Ich bin beeindruckt vom Enthusiasmus und der Zielstrebigkeit, die dieser Knirps an den Tag legt. Kein Bedenkenträger, der aber auch fähig ist, eine Entscheidung zu überprüfen und zeitnah zu justieren.

Ich packe meine Sachen ein, drei Tage Schwimmen liegen hinter mir, und vor mir, da liegt die Idee, ab jetzt morgens vor der Arbeit um 6.30h im Aussenbecken meines öffentlichen Bades Bahnen zu ziehen und die Sonne aufgehen zu sehen. Und einen Kaffee zu trinken. Den habe ich mir nämlich verdient.

Fitness-Rückblick der Woche
Di: Meditation-Class ✔️
Mi: Taiji ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
Sa: Schwimmen ✔️
So: Schwimmen ✔️

note to myself: eine kleine Thermoskanne mit Becher besorgen und ab jetzt Kaffee zum Frühschwimmen mitnehmen

08.08.2020

Schnecke statt Schlange

Das Freibad ist ausverkauft. Kein Wunder bei der Hitze. Ich stelle mich in die Schlange vor der Umkleide (nur zwei Personen zur Zeit sind dort erlaubt), ich stelle mich in die nächste Schlange vor die Toiletten, ich überlege kurz, ob ich ins 50-Meter-Becken oder in „mein“ Aussenbecken des öffentlichen Bades gehe, und ja, genau das möchte ich, in „meinem“ Becken schwimmen, denn hier habe ich nicht nur die schönen alten Bäume im Blick, sondern auch meine Habseligkeiten, wenn ich meine Bahnen ziehe.

Kinder planschen herum, auch sie sind fröhlich, ich weiche aus, beschliesse, langsam (soooo schnell bin ich eh nicht) zu schwimmen und das lebhafte Treiben zu geniessen.
Als ich aus dem Becken steige, sehe ich von weitem die Schlange vor der Umkleide und den Toiletten und erinnere mich an die Umkleideschnecke, die ich neulich auf dem Gelände entdeckt hatte. Ganz unscheinbar unter den Bäumen steht eine zweite Schnecke, die sogar einen festen Holzboden hat, ich kreisele hinein, die Sonne scheint durch die Blätter auf mich hinunter, und eigentlich gefällt mir die Schnecke jetzt ganz gut. Schnecke statt Schlange.

Am Samstag um 07.25h bin ich wieder im Bad. Wieder zeigt das Schild am Eingang „ausverkauft“ an, aber es ist weitaus übersichtlicher als gestern Mittag. Ich ziehe meine Bahnen in der Sonne, das Wasser ist warm, nach 1.000 Metern plansche ich noch etwas am Beckenrand herum, dann steuere ich automatisch auf „meine“ Umkleideschnecke zu, da habe ich mich ja schnell dran gewöhnt. Ein Blatt fällt vom Baum auf mich hinunter, die Sonne huscht über die Haut. Ich schlendere zur Bank am 50-Meter-Becken, hole mein Frühstücksbrötchen aus der Tasche und schaue den Schwimmern zu.

Fitness-Rückblick der Woche
Mo: Schwimmen ✔️
Di: Meditation-Class ✔️
Mi: Taiji ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
Sa: Schwimmen ✔️
So: Schwimmen ✔️

 

30.07.2020

Flugwetter.

Ich mag es, früh morgens mit dem Tag aufzuwachen. Durch die verglaste Fassade schaue ich vom Bett auf die Berge. Heute liegt Nebel am Fusse der Berge, die, in einen feinen grauen Schleier gehüllt, nun von der Sonne angestrahlt werden und das matte Grau in grüne Wiesen verwandelt.

Gestern waren die Berge klar zu sehen, es war ein warmer Sommertag. Und vorgestern, da lagen sie mystisch hinter Wolkenschwaden, die um die dunklen Berge waberten.

In zwei Stunden werden das Kind und ich an einem Abgrund in den Bergen stehen und, nur an einem Seil befestigt, eine 220m lange und 160m tiefe Schlucht überqueren/fliegen. Ich bin gespannt.

Die Sonne steigt höher und gibt einen sanften blauen Himmel frei. Gutes Flugwetter, denke ich.

24.07.2020

Retreat – Tag 6 (letzter Tag)

…wenn man am letzten Morgen etwas früher in den Trainingsraum kommt und der Lehrer am Klavier sitzt und spielt…I like the „wie geht denn das nochmal“ am Ende – das frage ich mich auch des öfteren beim Training…und irgendwie geht es dann doch immer weiter.

23.07.2020

Retreat – Tag 5

Ich beschliesse, meiner kann-ich-nicht-gut-Übung mit einem inneren Lächeln zu begegnen. Dadurch kann ich sie zwar nicht besser, aber ich lasse mich von ihr nicht mehr stressen.

Nicht nur in der dreistündigen Vormittagseinheit gibt es Varianten (nach dem Motto: schlimmer geht immer oder wo man überall Schmerzen spüren kann), auch die äusseren Begebenheiten wandeln sich: K. wirft ihren Pullover nicht wie sonst bei der vierten Stehenden Säule in hohem Bogen von hinten an mir vorbei auf die Bank vorm Fenster, sondern bereits bei Säule Nummer Zwei. Die drei Enten schauen erst in der zweiten Trainingshälfte vorbei, picken mit den Schnäbeln an die Türscheibe und schnattern vor sich hin.

Am Nachmittag marschieren wir wieder zur Wiese. Ich finde es faszinierend, wieviele kleine Geräusche es auf dem Weg durch Feld und Flur gibt, die zusammen eine Sinfonie ergeben.

Beim Dehnen des Hüftbeugemuskels (meiner nachmittags-kann-ich-nicht-gut-Übung) entdecke ich erst eine Wespe im Gras, dann eine riesige Spinne, zwei Grashüpfer und eine Ameise.

Wir machen ein schönes Gruppenfoto und beschäftigen uns die letzte halbe Stunde mit pushing hands, einer Partnerübung, die es bei Inneren Kampfkünsten gibt.

Ein letzter Rückweg durch die Felder, morgen ist der letzte Tag des Retreats.

22.07.2020

Retreat – Tag 4

Was ich mag.

Ich mag es, morgens kurz nach fünf von Vogelgezwitscher und Kaffeeduft aufgeweckt zu werden. Hinter den Bäumen, auf die ich von meinem Bett blicke, liegt der moosbedeckte Mühlenteich. Ich habe gut und tief geschlafen.

Ich mag es, noch ein bisschen wegzudämmern und um sieben vom Duft von warmen Brötchen endgültig wach zu werden.

Ich mag es, den Frieden in mir zu spüren.

Ich mag es, mich auf den Tag zu freuen, der wieder mit sechs Stunden Taiji und Meditation gefüllt sein wird. Und mit gutem Essen. Und sympathischen Menschen.

Ich mag den schweren Duft der orangenen Rosen, die am Haupteingang der Mühle blühen. Und ich mag die Schmetterlinge, die hier herumflattern.

Ich mag es, wenn die Sonne über die roten Johannisbeeren streift und die Gänse an die Glastür picken.

Ich mag es, auf der Wiese zu stehen und den Worten meines Lehrers zu folgen, der auch die Nachmittagseinheit mit einer Meditation einleitet, die uns darauf fokussiert, wo wir sind: im hier und jetzt. Auf einer grünen Wiese, umgeben von rauschenden Bäumen, summenden, brummenden und zirpenden Insekten. In der Nähe klopft ein Specht.

21.07.2020

Retreat Tag 3

Denjenigen, denen man erzählt, dass man Taiji praktiziert, schwingen wissend ihre Arme durch die Luft und drehen sich um die eigene Achse.

Diejenigen, die Taiji praktizieren, wissen, wie anspruchsvoll und anstrengend dieser Kampfsport ist, auch wenn es (in unserem Training) nicht um Kämpfen, sondern um Joint Loosening, Stehende Säulen, Formarbeit und innere und äussere Balance geht.

Am Vormittag folgen auf meine kann-ich-nicht-gut-Übung fünf verschiedene Stehende Säulen à fünf Minuten, das ist ambitioniert, die Beinmuskeln fangen ob der neuartigen Belastung an zu zittern; hinter mir wird das Atmen der Mitstreiter hörbar schneller, ab und an wird geseufzt (und leise geflucht?), kurzzeitig vergesse ich die drei Gänse, die wieder mit den Schnäbeln an die Glastür picken. Die roten Johannisbeeren am Strauch vorm Fenster liegen im Schatten, die wandernden Sonnenstrahlen habe ich heute nicht mitbekommen. Meine ganze Konzentration liegt in den Säulen und dem tiefen und langsamen Atmen.

Die dreistündige Nachmittagseinheit trainieren wir wieder auf der Wiese. Der Schattigen.

20.07.2020

Retreat – Tag 2

Stehende Säule mit Blick auf rote Johannisbeeren, die draussen im Garten am Strauch in der Sonne leuchten, die Sonne, sie wandert immer weiter; was eben noch im Hellen lag, liegt jetzt im Dunkeln. Drei Gänse picken neugierig mit ihren Schnäbeln an die Scheibe unseres Raumes. Ich bin angekommen in meiner Balance.

Eigentlich dachte ich, mich würde der Vormittag mit 3 Stunden Meditation, Stretchen, Dehnen und der Stehende Säule an meine Grenze bringen, tatsächlich war es dann aber der Nachmittag, der es in sich hatte.

Statt des Grossen Spiegelsaals, den wir für den Formennachmittag ins Auge gefasst hatten, marschieren wir durch Felder, Wiesen und Wälder, um endlich bei DER Wiese anzulangen. Allerdings bin ich abgelenkt von den vielen Grashüpfern, Fliegen, Wespen und Käfern, die um meine Beine schwirren, und Zecken, die gibt es hier auch. Von oben scheint die Sonne unbarmherzig auf den Kopf, und nach einer Stunde ist es vorbei mit der Balance. Meine Stimmung kippt.

Seit der Strahlentherapie bin ich ein Schnee- und Schattenmensch geworden, in der Sonne halte ich nicht lange durch. Bevor ich aber den Rückzug zur Mühle antreten kann, brechen wir auf zu einer anderen Wiese, die unter Bäumen liegt. Irgendwie sind hier auch weniger Insekten unterwegs, und so langsam finde ich in die Form und zu meiner Balance zurück.

Die spontan angesetzte Abendmeditation um 22h lasse ich ausfallen, da ich nach der Meditation immer frisch und munter bin, ich aber um 22.30h lieber tief und fest schlafen möchte. Statt Bodyscan-Meditation nehme ich eine Bodyscan-Dusche, um eventuelle Zecken aufzuspüren.

05.07.2020

Sprache.

Den Akku aufladen.
Sonne tanken. 

Solche Ausdrücke, die menschliche Aktivitäten beschreiben (sollen), sind mir ein Gräuel. Ich habe keinen Akku. Ich kann nichts aufladen. Und tanken, das muss ich auch nicht. Ich bin nämlich kein Auto oder eine Maschine. Ich bin ein Mensch.
Bedenklich finde ich, dass es diese Formulierungen in der deutschen Sprache gibt, denn es mutet an, dass wir Gegenstände sind, die funktionieren, ja laufen müssen. Und wenn sie es nicht tun, dann wird halt eben getankt oder aufgeladen. Dann läuft es wieder. Aber tut es das wirklich?

Ich nutze solche Begriffe nicht.

Schwimmen war ich, mittags um 12.00h und morgens um 7.00h (!) im 21-Grad-kalten Aussenbecken des öffentlichen Bades, die Sonne habe ich nicht getankt, aber auf der Haut gespürt, genauso wie den Wind und den Regen, und ich habe mich über die glitzernden Tropfen, die ins blaue Becken fielen, gefreut.

Ich habe meinen Akku nicht aufgeladen, aber am Wochenende rumgetrödelt, mit Kaffee, Kuchen und Obst vorm Fernseher gelegen und über Guidos Sprüche gelacht.

Gefreut (sehr!) habe ich mich über das Feedback zu meinem blog, und ich wünsche der lieben UT, dass sie genauso viel Freude am Schwimmen und in ihrem Probetraining beim Taiji wie ich haben wird.

Freuen tue ich mich auch auf das Taiji-Camp, zu dem ich in zwei Wochen aufbrechen werde: es wird „Übungen zur Öffnung des physischen Körpers geben, Faszien- und Bänderdehnung zur Minderung von übermässigem Stress im Weichteil-Gewebe und in den Gelenken. Voraussetzungen schaffen, um Loslassen zu können. Stehende Säule zur Entwicklung von Raum und Freiheit im Körper. Voraussetzung um innerlich Sinken zu können und Kräfte durch den Körper zu lenken. Übungen zur Transformation von äusserer Kraft zu innerer Kraft über das Führen von „SONG“ (lösen, öffnen, release, relax).“
Das klingt spannend und lebendig, und genauso sollte es sein, wenn es um den Menschen geht.

Fitness-Rückblick der Woche:
Mo: Taiji ✔️
Di: Meditation-Class ✔️
Mi: Gym ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
Sa: Schwimmen ✔️
So: Youtube Workout ✔️

27.06.2020

Change Management.

Dann ist es Zeit zu sterben, sagt G. Meine 80-jährige Schwimmfreundin hat die Krise arg getroffen: ihre drei Gymnastikkurse finden nun irgendwo in Altona im Freien statt, allerdings müsse sie, da es keine Umkleidemöglichkeiten gebe, bereits in Jogginghose das Haus verlassen (no go!), das Aussenbecken des öffentlichen Bades ist nur mit QR-Code zugänglich, in das tiefe 50-Meter-Becken möchte sie nicht, aber „unser“ Becken ist zur Zeit von Ferienkindern frequentiert, und umkleiden, das kann man sich hier auch nicht. Ich ergänze, dass es auch keine Spiegel, Duschen oder einen Fön gebe, und das ist für meine eitle Mitstreiterin ein Problem, genauso, wie sie niemals das Haus in Sport-Outfit verlassen würde. Und erst recht nicht früh am Morgen, denn ausschlafen möchte sie auch.
Ich finde nicht, dass Du jetzt sterben musst, antworte ich am Telefon, und rate ihr, über ihren Schatten zu springen und wenigstens zur Gymnastik zu gehen. Ein Schwimmticket könne ich auf meinem Handy kaufen, was aber nix bringen würde, da das Gesamtpaket nicht stimmt.
Wir verabreden uns zum Kaffee, das ist einfacher.

Mittlerweile war ich drei Mal beim Schwimmen und habe alle Zeitfenster, die angeboten werden, getestet. Alles annehmbar, finde ich, trotz permanent ausverkauften Tickets ist das Freibad sehr angenehm gefüllt, Corona sei Dank.
Das Schwimmen auf der 50-Meter-Bahn bringt Spass und ist recht stressfrei, ausserdem erfrischend kühl.
Ich kann mich jetzt – mit Handtuch umschlungen – auf der Wiese umziehen und habe heute sogar eine sichtgeschützte Ecke entdeckt, an „meinem“ Aussenbecken, zwischen Hecken und ner Hauswand. Denn heute, da war ich in „meinem“ Becken schwimmen. Wie früher. In der Sonne. Den Bäumen entgegen, das glitzernde Wasser um mich herum, und nur zwei Mitstreiter auf den Bahnen. Kein Wunder. Es ist Samstag. Und es ist 7.00h in der Früh.

Wenn sich Gegebenheiten ändern, muss man sich anpassen. Wenn man den neuen Gegebenheiten auch noch mit Neugier begegnet, ist es sogar ein Gewinn. Ich habe die 50-Meter-Bahn entdeckt, das kühle Wasser und das unbeschwerte Schwimmen in dem großen Becken, die kleinen Wertschliessfächer, Bänke und bequeme Holzstühle, auf denen man in der Sonne in Ruhe frühstücken und den Schwimmern zuschauen kann.
Ich habe einen Teil meines „alten“ Fitnesslebens zurückgewonnen, aber in besser.

Und G., der werde ich von „unserem“ leeren Becken um 7.00h vorschwärmen, vielleicht springt sie ja doch noch über ihren Schatten.

Fitnessrückblick der Woche:
Di: Taiji ✔️
Mi: Gym ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
Sa: Schwimmen ✔️
So: Taiji ✔️

17.06.2020

Plitschplatsch.

Ein Bild ploppt bei Facebook auf – heute vor 5 Jahren habe ich eine Lesung mit Sandra Völker, einer der größten deutschen Schwimmerinnen, moderiert. Ein passendes Vorzeichen für das, was heute Abend ansteht.

Ich höre Gejuchze, Gekreische und Wasser, das zur Seite spritzt, ich sehe durch die Bäume hindurch auf das hellblaue Becken, und da, da kommt der Lärm her. Es ist heiß, und ich ärgere mich, dass ich eine Jacke mitgeschleppt habe. Am Eingang des Freibades sitzt ein mir bekannter Bademeister, und später sehe ich sie alle, denn hier ist heute Großeinsatz. Mein Schwimmbad (zumindest ein Teil davon) hat wieder geöffnet.

Ich nehme das Handy aus seiner Schutzhülle und packe es in die wasserdichte Handyverpackung, diese wiederum tue ich in die größere wasserdichte Tasche, in die auch noch mein Haustürschlüssel (abgespeckte Version), mein Geld, die Kreditkarte, mein Perso, das Jahresticket für Bus und Bahn und meine Armbanduhr kommen. Ich bringe das ganze zu dem kleinen Schliessfach, dass ich in der Nähe des Beckens entdeckt habe und schliesse alles weg. Natürlich hätte ich nicht alles vorher in die wasserdichten Verpackungen tun müssen, aber gekauft ist gekauft und wird jetzt auch genutzt. Eigentlich wollte ich mir die Tasche um die Körpermitte schnallen und mit in die kalten Fluten nehmen, auch auf die Gefahr hin, dass ich sinken könnte (Inhalt zu schwer) oder etwas höher treibe (Auftrieb durch Plastik?), aber das werde ich heute nicht mehr in Erfahrung bringen.

Ich gehe unter die kalte Dusche, um dann das erste Mal ins tiefe und nicht beheizte 50 Meter Becken zu steigen. Das Wasser ist…..kalt…..aber grandios. Ich schwimme sofort los, bleibe auf der Aussenbahn, da man in diesem Becken nicht stehen kann und ich mich erstmal wieder einschwimmen muss, die Bahn ist frei, überhaupt ist es nicht sehr voll (kein Wunder, ist ja kalt), ich schwimme der Sonne entgegen, die mich zwinkern lässt und meine Arme in ein sanftes Licht hüllt. Das Wasser, das glitzert, wie in alten Zeiten.

Den ganzen Tag war ich schon aufgeregt, wie es wohl im großen Becken und mit den ganzen Einschränkungen sein wird, ob ich überhaupt den Freibad-Eingang finde, wie wohl die ominösen Umkleideschnecken sind und wo die Toiletten und ob ich wohl eine Chance habe, in mein eigentliches Becken, in dem ich normalerweise 2-3 Mal in der Woche schwimme, komme. Die Antwort ist: nein. „Mein“ Becken ist von den Kindern okkupiert, da deren Kinderbecken geschlossen ist, ein Schwimmen ist hier ausgeschlossen.
Auf der Liegewiese irren Leute umher, die immer wieder nach Umkleiden (gibt es nicht) und richtigen Duschen (gibt es auch nicht) fragen. Die verstaubte Umkleideschnecke (es gibt genau eine, in die eine Person passt) entdecke ich erst beim Verlassen des Bades, sie steht in einer dunklen Ecke auf noch dunklerem Waldboden, ein verlassenes Handtuch hängt über der Wand, die Schnecke ist unbewohnt. Kein Wunder. Hier kommt man ja auch schmutzig wieder heraus. Wenn man sie denn überhaupt gefunden hat.

Ich habe mich an den fröhlichen Tipp auf der Website des Badbetreibers gehalten und mich „ruckzuck mit dem Handtuch um die Hüften“ auf der Wiese umgekleidet. Dabei habe ich mir einen nassen Hosenboden eingefangen. Ich freue mich, die Jacke mitgeschleppt zu haben und schlinge sie auf dem Heimweg um die Hüften.

15.06.2020

Liebesbrief.

Eingang Hohe Weide: ❌
Umkleiden: ❌
Warme Duschen: ❌
Schliessfächer: ❌

Mein liebes Aussenbecken des öffentlichen Bades,

da ich Dich die letzten Monate so sehr vermisst habe, habe ich trotz aller Widrigkeiten ein Ticket erstanden.

Mittwoch ist es endlich soweit: nach der Arbeit komme ich Dich besuchen (so ich den anderen Eingang finde), werde mich auf der Wiese umziehen und meine Wertsachen in einer wasserfesten Tasche mit in die kalten Fluten nehmen (das darf man nämlich, das habe ich schon gefragt) – grosse Schwimmliebe!

Ich freue mich, Dich wiederzusehen!

04.06.2020

Über die Grenze gehen.

Ich spüre Schmerzen.
Ich nehme dann mal meine Karte für die Geräte, sage ich zu der netten Physiotherapeutin, die an der Rezeption steht.
Die Geräterunde habe ich eigentlich gestern schon gemacht, das erste Mal seit drei Monaten. Endlich wieder Gym. Gestern stand mir allerdings eine andere, eine kritische Physiotherapeutin gegenüber, die mich nach meinen sportlichen Zielen fragte. Joaaa, so bleiben wie ich bin, vielleicht etwas Muskelaufbau oder nen Kilo weniger. Eigentlich habe ich mir da auch seit langer Zeit keine großen Gedanken gemacht, was ich denn erreichen möchte, ausser, dass ich mich täglich bewegen muss möchte.
Ein Plan muss her, befindet mein kritisches Gegenüber, heute noch Geräterunde, und morgen, da werden wir ein richtiges Programm aufstellen. Schliesslich müsse man sich ja weiterentwickeln. Es ist klingt wie eine Drohung.

Ich nehme die Karte für die Geräte entgegen, als von hinten eine mir bekannte Stimme ruft: die Karte können Sie gleich wieder abgeben, ich habe schon angefangen, einen Plan aufzustellen! Aber erstmal aufwärmen!
Ich schlendere zum Stepper, Gnadenpause, bevor es zurück zum Quälgeist Motivator geht.
Der Quälgeist Motivator hat sich Gedanken gemacht. Schon beim ersten Programmpunkt rinnt mir der Schweiss den Rücken und das Faceshield, das wir hier tragen (und mit dem man in der Tat besser atmen kann als mit ner Mund/Nasenmaske) über die Stirn hinunter. Es folgen weitere Übungen, mein Einwand, dass ich ja schwerbehindert sei und eine gecrashte Bandscheibe habe, wird überhört.
Was für die Bauchmuskeln fehle noch, sagt der Quälgeist Motivator und schaut mich an. Planks, antworte ich. (note to myself: bist Du noch zu retten?!?) Dem wird sofort zugestimmt, allerdings meint sie nicht profane Planks, sondern eine Abwandlung, die die eh schon ambitiöse Übung auf das nächste Schmerzlevel hebt. Nun fangen auch die Beine an zu zittern.
Aber irgendwie finde ich das jetzt auch gut, ich gehe über meine Grenzen, mein Ehrgeiz ist geweckt, mein Kampfgeist ebenso, und der Quälgeist  mein Motivator bestätigt mir eine akkurate Körperhaltung.

Das gibt Muskelkater, stellt sie am Ende der Stunde zufrieden fest. Ob ich heute noch was vorhätte? Duschen, antworte ich.

Ich spüre Schmerzen, in jedem einzelnen Muskel, und nächste Woche, da geht es in die nächste Runde, zusammen mit dem Quälgeist Motivator, zusammen Ziele zu erreichen.

01.05.2020

Woche 7 in Isolation.

Der Donnerstagabend steht unter dem Motto „gönn Dir“: Trash-TV, (Bio-Gemüse)Chips, ein kleines Glas Rotwein (wegen des Resveratrolgehaltes), Schokokekse (ungesund, nicht schönzureden) und ein Stück (vegetarische) Pizza stehen bereit.

Appetit habe ich auf einen grünen Apfel. Ok…also esse ich erst den Apfel, dann eine Karotte, ein paar frische Himbeeren, und trinken mag ich lieber Wasser. Danach esse ich doch noch die Gemüse-Chips. Aber eher deshalb, weil ich sie nun extra für den Trash-Abend besorgt habe.

Ich glaube, mein Körper hat keinen Bedarf mehr an ungesundem Quatsch.

Statt Tanz in den Mai geht es am Freitag wieder in den Hafen zum Taiji-Formen laufen, danach noch etwas Workout.

Ich bin ratlos.

29.03.2020

Leben in Zeiten von Corona

Ich bin gutgelaunt. Eben ging eine Nachricht von meinem Zahnarzt ein, ich möge doch einen Termin zur Kontrolle abmachen sowie zur Zahnreinigung. Sofort rufe ich zurück und bin begeistert, dass man mir sogleich meinen favorisierten Termin vorschlägt (nämlich an einem Donnerstag Abend, man kenne sich doch schon so lange, da wüssten sie doch, wann ich Zeit habe…). Gleichzeitig bin ich verblüfft, dass mich das Abmachen eines Zahnarzttermins so fröhlich stimmt. Normalerweise bin ich der Angstpatient und der Zahnarzt mein Feind Nummer 1 (das sieht er natürlich anders, und das zu Recht…).

Es macht mir insofern gute Laune, weil diese Terminabsprache doch etwas Normaliät in mein Leben bringt, denn das Normale, das vermisse ich.

Statt Büro bin ich seit zwei Wochen im Home Office. Statt Taiji-Class, Meditationsstunde, Schwimmen, Gym und den vielen Sozialkontakten laufe ich allein im Hafen meine 19-er-Form, und das jeden Abend. Auf YouTube habe ich Fitnessvideos gefunden, mit meinen Arktis-Freunden aus den USA, UK, Georgien und der Schweiz halte ich Apero-Parties via FaceTime ab, einen Freund treffe ich zur Mittagspause auf einer Bank an der Elbe (wir halten mindestens 2 Meter Abstand, und es fühlt sich skurril an), ich skype-meete mehr als gewöhnlich, und ja, ich habe mich den jetzigen Gegebenheiten angepasst. Die Sonne scheint, und das bereits seit zwei Wochen, es ist das perfekte Wetter, um ins Aussenbecken des öffentlichen Bades…lassen wir das.

„Mein“ kleines Krankenhaus hat meinen Vor/Nachsorgetermin bereits zweimal verschoben, langsam müsste ich postalisch ein Tamoxifen-Rezept anfordern.

Mein Tag ist strukturiert, und das ist wichtig. Ich komme um Punkt 8:00h in meinem Home Office (ab 16.30h ist es wieder die Küche) an, angezogen und gekämmt, nachdem ich draussen eine Runde um den Block (statt zur Bushaltestelle) gegangen bin.
Mittlerweile ist der Gang zum Drogeriemarkt und zum Bioladen zum Tageshighlight mutiert, die Freude, dass eine Eisdiele und ein Blumenladen geöffnet haben, ist riesig.
Ich koche und backe vor mich hin (wenn das Home Office um 16.30h geschlossen hat), statt des freitäglichen Schokoriegels genehmige ich mir eine kleine Ausnahme pro Tag, ich muss mich schliesslich bei Laune halten.

Und doch weiß ich, dass das hier Jammern auf sehr hohem Niveau ist. Ich habe schliesslich ein Dach über dem Kopf, ich kann von zuhause arbeiten, ich kann mir laufend die Hände waschen, ich kann Abstand zu meinen Mitmenschen halten, und in meinen Hafen zum Taiji-Üben darf ich auch gehen. Und der Hafen, der ist schön. Und gehört mir ganz allein. Ich kann von hier aus sogar zur Praxis meines Zahnarztes gucken.

15.03.2020

Schleichend.

Am Dienstag treffe ich mich mit einer Freundin in der Sole. Ich war schon zwei Stunden vorher dort, schwimme im Aussenbecken, lese und schaue auf die beiden Damen in ihren blau-weiß-gepunkteten Badeanzügen, die im Solebad auf dem Rücken im rechten Winkel zueinander dahintreiben, bald werden sich ihre Zehenspitzen berühren. Draussen herrscht ausgelassene Stimmung, ich plaudere mit Hyazinth, dem kleinen Spanier, freue mich, dass das 90-jährige Pärchen wieder durch das Wasser watet und schnappe Wortfetzen zweier älterer Damen auf, die sich über onkologische Themen unterhalten.

Wie leer ist das denn, stelle ich fest, die Gesundheitsmanagerin zuckt mit den Schultern, der Virus halte alle fern, damit sind wir nur zu zweit im Fitnessraum. Ich habe extra ein Desinfektionstüchlein mitgebracht, on top zu dem Spray, das hier sowieso steht und reinige vor Nutzung akribisch die Geräte.

Am Freitag schaue ich in den blauen Himmel, die Wolken ziehen wild vorüber. Noch scheint die Sonne. Ich blinzele, während ich in Rückenlage das Aussenbecken des öffentlichen Bades durchschwimme. Nur zwei weitere Gäste sind im Wasser, das heute wunderbar warm ist. Ein Grad mehr, sagt später die Bademeisterin, das spürt man sofort. Es bleibt leer, auch G., meine Schwimmfreundin, ist nicht erschienen. In den Umkleiden und den Toiletten riecht es nach Desinfektion.

Ich rufe G. an, als ich am Samstag kurz zum Supermarkt möchte, sie wohnt auf der Strecke, ich will fragen, ob ich ihr etwas mitbringen kann. Keiner hebt ab. Am Sonntag lacht sie ins Telefon, sie freut sich sehr ob meines Angebotes, aber sie sei ja nicht gebrechlich (nur 80 Jahre, denke, aber sage ich nicht).
Ich kaufe Kaffee und Filtertüten, nun habe ich je 1,5  Päckchen zuhause. Das ist trotzdem noch kein hamstern, finde ich. Auf dem Rückweg nach Hause ist es menschenleer. Normalerweise muss ich mich durch Touristenmassen drängeln, jetzt stehen hier drei Menschen herum, etwas verloren sehen sie aus.

Die Schwimmtasche für Sonntag ist gepackt, kurz vorher schaue ich sicherheitshalber nochmal auf die Website. Und da steht es: die Stadt Hamburg schliesst ab 14.00h alle Bäder. Ich rufe im Bad an, neun Gesprächspartner sind vor mir in der Leitung, ich lege wieder auf, unschlüssig, ob ich schnell losfahre und die letzte Runde bis auf weiteres schwimme, verwerfe die Idee, es könnte voll sein, und ich achte schon länger darauf, Sicherheitsabstände zu anderen einzuhalten. Da ich eh schon im Sportoutfit bin, jogge ich in den Hafen und laufe meine Taiji-Form, wieder und immer wieder, bis ich meine innere Balance wiedergefunden habe.

Eine Nachricht jagt die nächste, das Virus kommt näher, nimmt Fahrt auf und das tägliche Leben weg. Das mein Schwimmbad geschlossen hat, hat mich wirklich getroffen. Trotzdem muss ich mich weiter bewegen, bewegen für das Immunsystem, bewegen gegen Rückschläge anderer Art, die härter ausfallen würden.
Zwischen den Schlagzeilen lobe ich innerlich meinen Hausarzt, der mich im November bei der Grippeimpfung auch kurzerhand gegen Lungenentzündung geimpft hat, nun wird der Impfstoff knapp.
Eine Nachricht von meinem Taiji-Lehrer, er habe lange nachgedacht und sich entschlossen, weiter zu unterrichten, aber mit Vorkehrungen, die man beim Taiji auch sehr gut einhalten kann (großzügiger Sicherheitsabstand, keine Berührungen, und wer kränkelt, möge fernbleiben). Ich freue mich, denn Balance braucht man wirklich in dieser Krise, schreibe fröhlich zurück, um dann in den neuen Anordnungen der Stadt Hamburg zu lesen, dass sämtliche Sporthallen zu schliessen haben.

Der Fitness-Rückblick – vermutlich der letzte „normale“ Rückblick für die nächste Zeit:
Montag: Taiji ✔️
Dienstag: Schwimmen/Sole ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Sonntag: Mini-Jogging und Taiji ✔️

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31.01.2020

Mein Meer.

Ich ziehe die Kapuze meiner roten Arktisjacke tiefer ins Gesicht, als ich das Büro verlasse. Der Sturm ist kalt, genauso wie der Regen, der schon den ganzen Tag vom Himmel fällt.
Nach Hause auf die Couch oder zum Schwimmen ins Aussenbecken des öffentlichen Bades?
Auf die Couch!, ruft der innere Schweinehund.
Natürlich zum Schwimmen!, antwortet mein Verstand.
Ich weiß auch nicht, seufze ich.
Im U-Bahntunnel beschliesse ich, das Schicksal entscheiden zu lassen: wenn die nächste Bahn, die einfährt, in Richtung Schwimmbad geht, geht es ins Aussenbecken. Wenn es die Bahn in die Heimat ist, geht es auf die Couch.
Die Bahn kommt, es ist die, die Richtung Schwimmbad fährt. Ich steige ein.

Vorm öffentlichen Bad stehen nur drei Räder. Ob das Wasser kalt sei, frage ich den Bademeister an der Kasse, bei dem Sturm, der da seit zwei Tagen draufsteht, sei es doch locker zwei Grad kühler. Bisher keine Beschwerden, antwortet er, und damit fällt auch der Kompromiss, nämlich drinnen zu schwimmen, flach. Es geht ins Aussenbecken.

Ich schwimme den kahlen Bäumen entgegen, die sich dunkel von dem grauen Himmel abzeichnen. Die Lichterkette, die in der Weihnachtszeit an der Bande leuchtete, ist jetzt weg. Um mich herum rauscht es. Wassertropfen fliegen hellgrün glitzernd durch die Luft, ein Heer aus Armen und Beinen kämpft sich durch das Becken, die Kampfschwimmer haben auch „meine“ Seite in Beschlag genommen. Ich schwimme weiter, bewundere den Himmel, der immer dunkler wird und mich trotzdem gewahr werden lässt, dass die Tage wieder länger werden.

Der Regen hat aufgehört. Der Sturm auch; die Bäume stehen starr.
Ich lege einen Stop am Ende des Beckens ein, gehe in die Gegenbewegung, dehne den Rücken und schaue in den Himmel.
Ich sehe die schwarze Silhouette der Christuskirche, ich sehe den Mond und einen einzelnen Stern. Stille setzt ein. Ich drehe mich um, das Becken ist leer. Ich schwimme weiter und stelle mir vor, ich schwämme allein im Meer, die Szenerie erinnert mich an ein Gemälde, das ich in einem Palazzo in Venedig entdeckt und schon öfters bewundert habe. Heute schwimme ich in meinem Meer, hin und her, 40 Bahnen, unter dem schwarzen Himmel mit dem Mond, unter dem Stern, und der leuchtet.

18.01.2020

Tibet.

Ich wache auf. Es riecht nach Tibet. Ich schalte das Licht an und gehe ins Badezimmer, wo seit gestern eines dieser Duftöle steht, in die man Holzstöckchen steckt, über die sich der Duft im Bad verbreiten soll. Mein Duft heißt Tibet. Verbreitet hat er sich nicht nur im Bad, sondern in der ganzen Wohnung. Zum Glück riecht es aber nicht nach dem Tibet, denn Tibet riecht nach feuchter, kalter Luft, in der der Rauch der Öfen, die vor den Tempeln stehen und in denen Kräuter verbrannt werden, hängt.
Würde es in meiner Wohnung nach dem wahren Tibet riechen, wäre die  Feuerwehr schon auf dem Weg.
Ich sperre die Stäbchen samt Öl auf dem Balkon aus, öffne die Fenster um frische Hamburger Luft hereinzulassen und gehe wieder schlafen.

G., meine 80-jährige Schwimmfreundin, ist am Telefon. Sie würde noch leben, sagt sie. Das freue mich, antworte ich, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet, auch wenn ich sie seit zwei Wochen nicht im Aussenbecken des öffentlichen Bades gesehen habe. G. hat eine neue Badekappe zu Weihnachten bekommen, zukünftig muß ich statt nach pink- nach einer blauen Kopfbedeckung Ausschau halten.
Waren sonst immer sehr viele pinke Badekappen im Becken unterwegs, sehe ich am Freitag nur blaue Badekappen. Allerdings ohne G. darunter, was mich aber nicht beunruhigt, denn sie lebt ja noch (und setzt heute aus, da sie eine neue Dauerwelle hat, die nicht mit den Wellen im Aussenbecken in Einklang zu bringen ist).

Als ich am Freitag Abend nach einem Restaurantbesuch mit einer Freundin nach Hause komme, ist G. auf dem Band meines Anrufbeantworters: ob ich wüsste, wo man Passfotos machen lassen könne, gut müssten sie sein, denn sie seien für den neuen Ausweis, und den habe man ja über viele Jahre.
Das ist genau die Einstellung, die mir gefällt: eine 80-Jährige, die Wert auf ihr Äusseres und auf das neue Passfoto legt, wo andere schon längst abwinken und mit dem Leben abgeschlossen haben.
Auch P., mit der ich essen war, und die wieder einige schmerzhafte Wirbelbrüche zu verzeichnen hat, klagt nicht. Zwar würde sie sich nun eine neue Wohnung suchen, da es mittelfristig nicht mehr zu schaffen sei, ohne Fahrstuhl und mit Einkäufen in den vierten Stock zu kommen, aber vorher ginge es erstmal nach Marokko, und die Reise nach Südafrika müsse auch geplant werden. Solange es geht, wird gereist, solange es geht, wird gelebt, und sowieso das Beste aus der Situation gemacht.

Samstag ziehe ich mein Sportzeug an, schnappe meine Rucksack, fahre in die Innenstadt zu meinem Lieblingsbäcker und hole 10 Dinkel- und Vollkornbrötchen und noch ein Stück Käsekuchen. Der Einkauf gesellt sich zum Mittagsbrot, der Karotte und dem Zitronenwasser in den Rucksack, alles kommt mit an die Aussenalster, die ich unter graubleierndem Himmel zu umrunden gedenke.  Ich werde von Joggern überholt und überhole meinerseits die Wandergruppen, die unterwegs sind. Moderat und in between, nicht übertrieben ehrgeizig aber diszipliniert, was mein Fitnessprogramm angeht.

Ich stapfe über matschige Wege, mittlerweile habe ich mein Mittagsbrot und die Karotte in der Hand, überlege, dass mir die Zitronen und die Wurzeln ausgegangen sind, was mich stört aber gerade nicht zu ändern ist, ich verlaufe mich, als ich meinen Bus wiederfinden möchte, ich marschiere weiter mit dem Rucksack auf dem Rücken, gemütlich ist es heute nicht, es ist genauso wie in einer Szene aus Asterix und Obelix, die mit den römischen Legionären marschiert sind, wobei ich statt Steinen Dinkelbrot und Käsekuchen durch die Gegend schleppe.

Alles ist für etwas gut. Da ich mich verlaufen habe, komme ich irgendwann bei einem Obst- und Gemüselädchen vorbei. Ich stopfe noch Wurzeln und Zitronen in mein Gepäck, und dort hinten sehe ich endlich eine Bushaltestelle.

Der Fitness-Rückblick der Woche:
Dienstag: Stretching/Meditation ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: Wanderung ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️ geplant

🍃 In eigener Sache 🍃:
ich werde auf dem Blog eine neue Rubrik einrichten: Rezepte! Peu a peu werde ich dort meine Eigenkreationen posten, lecker und gesund. Angaben ohne Gewähr. 😉

12.01.2020

Mein Tempel, mein Zuhause.

Dein Körper ist Dein Tempel. Dein Körper ist Dein Zuhause.
Ich mag es, wie unser Lehrer die Meditation anleitet, er findet immer weise Worte.
Wenn mein Körper mein Tempel ist, dann sollte er mir heilig sein und ich ihn entsprechend ehrfürchtig behandeln.
Wenn mein Körper mein Zuhause ist, dann sollte ich ihn entsprechend liebevoll pflegen.

Das Skelett bleibt aufrecht, aber die Muskeln und alles andere lassen wir los. Wir lassen los.
Derselbe Lehrer und wieder weise Worte, diesmal aber im Taiji-Unterricht zum Praktizieren der Stehenden Säule.

Endlich ist wieder die Routine eingekehrt, die ich während der Feiertage vermisst habe.

Am Mittwoch Abend gehe ich schwimmen, es ist kalt und dunkel, der Dampf steigt auf, in der Ferne tauchen graue Gestalten aus dem Wasser auf, verschwinden wieder, kommen näher, passieren mich, verlieren sich wieder in der Ferne. Mystische Stimmung im Aussenbecken des öffentlichen Bades.

Auch im Gym ist es recht voll, noch greifen sie, die guten Vorsätze zum neuen Jahr.

Freitag Mittag ist das Wasser im Becken erstaunlich warm, heute gibt es keine Ausrede, warum ich nicht die 40 Bahnen schwimmen könnte. Wobei ich die letzten Male wirklich sehr konsequent war, Wassertemperatur hin oder her.

Am Trödeltag ziehe ich automatisch meinen Jogginganzug an, verliere allerdings mein Ziel, in die Innenstadt zu marschieren, aus den Augen, überhaupt verliere ich den Haushalt und die Einkäufe aus den Augen, ist ja auch Trödeltag, denke ich, aber gefallen tut mir meine Wankelmütigkeit nicht. Ich gehe in den Garten und laufe unter grauem Himmel zwei 19-er Formen. Taiji geht immer.

Im schicken Spa trödele ich im Becken die Bahnen entlang, das Wasser ist warm, das Wasser ist hell, ein ganz sanftes grün-blau, ich freue mich über die Mosaiksteinchen der Mauer, auf denen große lehmfarbene Töpfe mit dunkelgrünen Palmen stehen. Eine Oase, denke ich, so stelle ich mir eine Oase vor, während ich durchs Wasser gleite, so muss eine Oase in der Sahara sein, etwas fliegt an meine Nase, ein Moskito, ich wische es weg, es ist nur ein Wassertropfen, und ich bin im schicken Spa – noch – aber bald, in ein paar Wochen, werde ich Oasen sehen, und dann, dann bin ich wirklich in der Sahara.

Fitness-Rückblick der Woche:
Montag: Taiji-Class ✔️
Dienstag: Meditation-Class ✔️
Mittwoch: Schwimmen ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: Taiji ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️

 

05.01.2020

Der Start.

Die Feiertage haben mein Fitnessprogramm durcheinandergebracht, genauso wie die Zeit „zwischen den Jahren“. In der Tat fängt erst morgen der „richtige“ Rhythmus meiner Aktivitäten an, denn dann starten endlich wieder der Taiji-Unterricht und die Meditations-Gruppe.
Die Feiertage haben nicht nur mein Fitnessprogramm durcheinandergebracht, sondern auch meine Ernährungsgewohnheiten. Sobald ich Pralinen oder Schokolade im Haus habe, esse ich sie auf. Schokolade ist meine Achillesferse. Zum Glück habe ich nun alles aufgegessen, was nicht in meine gängige Ernährung gehört. Und beim durcheinandergewirbelten Fitnessprogramm habe ich variiert.

Eigentlich wollte ich mir am Sonntag das schicke Spa gönnen, in dem man nicht nur entspannt schwimmen, sondern auch Zeitschriften auf der Liege mit einem Latte Macchiato geniessen kann. Die Tasche ist gepackt.

Am Sonntagmorgen wache ich auf. Ein Sonnenstrahl fällt durch die Gardine, die Vögel zwitschern. Will ich wirklich den Vormittag bei herrlichem Wetter im schicken Spa lesend auf der Liege verbringen? Nein, das will ich nicht. Ich will nach draußen, in die Sonne, auch wenn es nur 1 Grad sind und die Luft kühl ist, ich will ins Aussenbecken des öffentlichen Bades. Die Tasche packe ich um (Badeanzug statt Bikini, Badekappe statt Badelaken usw.).
Am Eingang des öffentlichen Bades hängt ein Schild: technischer Defekt bei den Saunen. Ich ahne Böses. Das Wasser der Duschen ist noch warm, das Wasser im Aussenbecken allerdings empfindlich kalt. Nur die Harten kommen in den Garten….oder ziehen draussen ihre Bahnen. Schwimm‘, solange Du möchtest, sage ich mir, wenn es zu kalt ist, geht’s eben nach drinnen. Nach 14 Bahnen ist mir immer noch kühl, aber ich liebe die klare Luft, den aufsteigenden Dampf, dahinten von der Kampfschwimmerbahn winkt mir J., mein französischer Meditationsgenosse zu, ich schwimme weiter und weiter und gehe erst hinein, als meine 40 Bahnen (1.000 Meter) geschwommen sind.

Mein Fitness-Rückblick:
Montag: Schwimmen ✔️
Mittwoch: Schwimmen ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: Stretching ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️

01.01.2020

Das weiße Buch.

Ich muss lachen.
„Das Jahr war anders als erwartet. Dafür lustigerweise viel umgesetzt“.
Das ist ein Zusatzvermerk, den ich am 31.12. 2017 zu meinen Jahres-Vorsätzen 2017 in das kleine weiße Büchlein nachgetragen hatte.

Es ist das Jahr, in dem ich mir – unter anderem – folgendes vorgenommen hatte:
– innere und äussere Balance halten / herstellen (Taiji/Meditation)
– reisen
– bewusst schauen
– draussen sein
– innehalten
– mehr Obst und Gemüse essen
– lachen
– niente paura (keine Angst)

Und dann kam im Februar 2017 der Krebs.

Interessanterweise passen die Vorsätze wunderbar zu jemanden, der eine Krebsdiagnose erhält, auch wenn ich das in dem Moment, in dem ich die Vorsätze verfasst habe, nicht ahnen konnte.

Meistens lernt man es nur auf die harte Tour, dass eine gute Gesundheit nichts selbstverständliches ist, sondern ein wertvolles Gut, das höchste Achtung und Wertschätzung erfahren sollte, und welches durch eine gesunde Lebensweise unterstützt werden muss.

Das kleine weiße Buch hole ich nur einmal im Jahr hervor, und zwar am 31.12. des Jahres. In ihm vermerke ich akkurat, was ich im Folgejahr umsetzen möchte – und hake natürlich ab, was ich im vergangenen Jahr von all meinen Vorsätzen angegangen bin.

Da ich recht diszipliniert bin, kann ich immer fast alles abhaken. Das, wo nur ich selbst gefragt bin, ist häufig mit einem Häkchen versehen, das, wo andere Menschen involviert sind, nicht ganz so häufig.

Gestern habe ich das Büchlein wieder aufgeschlagen und habe die Häkchen für 2019 gesetzt. Und meine Liste für 2020 angelegt. Es wird ein gutes Jahr, dessen bin ich mir sicher.

Mein 2020 beginnt heute Morgen dort, wo es 2019 geendet hat: im Aussenbecken des öffentlichen Bades.  Ich schwimme meine 40 Bahnen, umgeben vom aufsteigenden Dampf, denn es ist kalt, die Sonne blinzelt auf die türkisfarbene Bande, die sich im türkisen Wasser widerspiegelt, das jetzt doppelt-türkis erscheint. Ein Rabe kräht. Ich freue mich, denn es ist der erste Besuch im Bad von vielen weiteren, und einen Haken, den werde ich am Ende des Jahres auch wieder setzen können.

27.12.2019

Rückblick. Ausblick.

Wien – Sylt – Israel – Westjordanland – München  – Amsterdam – Sylt – München  – Island – Grönland – Travemünde – Travemünde 2 – Sylt – München

Ich bin in Wien auf dem Naschmarkt im Regen herumspaziert.
Ich war im Sturm am Nordseestrand.
Ich habe im Toten Meer gebadet.
Ich stand auf den (syrischen) Golanhöhen, auf denen Pfirsichbäume blühten.
Ich habe einen Olivenbaum in einem palästinensischen Garten gepflanzt, durch den eine Mauer geht und auf deren anderer Seite eine jüdische Siedlung steht.
Ich habe in der ersten Reihe in einem Club in Amsterdam zur Musik meiner Lieblingsband getanzt.
Ich habe in der Sansibar auf Sylt in die Sonne geblinzelt.
Ich bin ich München mit Patenkind 1 schwimmen gewesen. Und im Park, Pokemon jagen.
Ich habe die Geysire und den riesigen Wasserfall auf Island entdeckt und habe bei heftigem Sturm das Nordpolarmeer durchquert. Ich habe Eisbären gesehen. Und Eisberge und Gletscher, glitzernd in unendlich vielen Blautönen.
Ich habe Bäume an der Ostsee umarmt.
Und war wieder am Strand an der Nordsee.
Ich habe mit den Patenkindern gespielt.
Und viele wunderbare Menschen auf den Reisen kennen gelernt, die zu Freunden geworden sind.

Ich war schwimmen, morgens in der Sonne, mittags im Regen, abends im Dunkeln, bei Hitze und bei Kälte. Ich habe meine Taiji-Form verfeinert und dazugelernt. Ich habe schöne Gespräche bei der Meditation geführt. Und mit Freunden.

Ich wache auf. Ich schaue ins Dunkel der Nacht und überlege, wann ich das letzte Mal Angst hatte. Nicht Angst davor, den Flieger zu verpassen oder für’s Management-Meeting schlecht vorbereitet zu sein – sondern die Angst, die einen den Boden unter den Füssen wegzieht und an deren Ende die eigene Endlichkeit steht.
Im November 2018, antworte ich. Der Arztbrief aus dem großen Krankenhaus, in das ich für einige Tage stationär in die Nuklearmedizin aufgenommen werden sollte, und aus dem mir die Worte „maligne“, „abklärungsbedürftig“ und „Thyroid Cancer Guidelines“ entgegensprangen.
Ich denke weiter nach, und ja, es stimmt, das war das letzte Mal, dass ich diese Angst hatte. Ich bin gelassener geworden. Keineswegs unachtsamer, aber auch nicht mehr in Panik verfallend, wenn es irgendwo schmerzt. Das ist gut.

Es war ein gutes Jahr. Ich bin gesund geblieben. (In der Tat liege ich vorn in der Krankheitsstatistik der Firma, mit nur einem Fehltag in 2019. Darüber freue ich mich sehr).
Ich habe viel erlebt, ich habe die Welt gesehen, ich habe gelacht und getanzt und geschwommen und gelebt. Dafür bin ich dankbar.
Ich habe mein Fitnessprogramm kontinuierlich verfolgt und bin der gesunden Ernährung treu geblieben. Darauf bin ich stolz.

Ich bin gespannt, was das nächste Jahr bringen wird, vor allem darauf, was es für einen humangenetischen Rat zu meinem Gendefekt geben wird.
Auf alle Fälle freue ich mich auf viele wunderbare und abenteuerliche Reisen. Und auf ein Wiedersehen mit Freunden. Und auf alles, was das Leben lebenswert macht.

24.11.2019

Zuhause. Und unterwegs.

Sonntag morgen, 8.30h. Ich sitze in der Küche, in der rechten Hand die Tasse Kaffee, mit der linken tippe ich auf dem Laptop herum und buche Flüge nach Georgien. Reiseplanung gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen und steigert die ohnehin schon gute Laune ungemein. Ich informiere Team Naugthy – meine Freunde aus der Arktis – dass ich mit A. aus der Schweiz unsere Flüge am Buchen bin, ab München werden wir zusammen nach Tiflis weiterfliegen, G., der uns nach Georgien eingeladen hat, lässt wissen, dass er einen Wagen zum Flughafen schicken und in die Detailplanung gehen wird. Damit steht eines meiner Highlights für 2020!

Danach geht es zum Schwimmen. Da keine bekannten Gesichter im Aussenbecken auszumachen sind, habe ich Zeit, die nächsten 1.000 Meter nachzudenken. Über meine momentan extrem gute Laune (wenn man mal vom Zirkus bei der Arbeit absieht). Ich habe Bedenken, dass der Fall umso tiefer sein könnte, wenn es mir so (zu?) gut geht. Das habe ich bei einigen beobachtet, denen es nach einer schlechten Phase erst wieder besser ging, bevor der Feind kurze Zeit später ein letztes Mal zuschlug.
Jetzt bin ich allerdings gesund und vom Sterben weit entfernt (sollte ich nicht morgen zufällig vor ein Auto laufen), doch lässt es mich innehalten.
Wie geht es Dir?, frage ich mich und schaue mich an. Gut geht es mir, antworte ich, das Leben wird gelebt, die Reisen gereist, die Bahnen geschwommen, das Lachen gelacht, was genau ist das Problem?

Die gecrashte Bandscheibe, die im Winter wieder schmerzt (und dieser Umstand mit einem warmen Leibchen behoben werden kann)?
Die Müdigkeit und Unkonzentriertheit, die ich treffsicher auf einen Vitamin-B-Mangel zurückgeführt habe und denen mit Mikronährstoffen zu Leibe gerückt bin?
Hab ich im Griff, sage ich zu meinem Hausarzt, bei dem ich wegen Impfungen vorspreche und der den B-Mangel glatt übersehen hat, was mich nicht so sehr stört, da ich meine Blutwerte immer ausdrucken lasse, um sie selbst zu überprüfen. Auch seine Praxiskollegin, bei der ich zur Schilddrüsensonografie war, hat den B-Mangel im Computer entdeckt, alles im Griff, preventive action läuft.
Der seltene Gendefekt meines NTHL1-Gens, zu dem es erstmals in 2019 Forschungsergebnisse gibt und der tatsächlich für ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Darmkrebs, Eierstockkrebs, Schilddrüsenkrebs, Hautkrebs und Hirntumor bei einer Generation verantwortlich ist? Weil das NTHL1-Gen, das für die Fehlerfindung auf der DNA zuständig ist, keine Fehler finden kann, wenn es defekt ist und somit Krebszellen ignoriert?
Damit habe ich den unsicheren Faktor in meinem Leben gefunden. Ich bleibe pragmatisch; Ende Januar haben ich einen Termin beim Humangenetiker, im worst case werden sie vorschlagen, zehn Körperteile zu entfernen (was ich aber nicht glaube), im good case werden sie sagen, dass ich feinmaschiger als bisher zu Vor- und Nachsorgeuntersuchungen anzutreten habe. Mit dem good case kann ich leben.

Ich schwimme auf dem Rücken und gucke in den grauen Himmel. Von den bunten Bäumen sind nur noch Skelette übrig, die dunkel und kahl über das Aussenbecken ragen. Ein Schwarm Vögel zieht vorbei. Wie geht es Dir?, frage ich. Gut geht es mir. Mir geht es gut.  

Der Fitness-Rückblick der Woche:
Mo: Stretching ✔️
Di: Meditation-Class ✔️
Mi: Schwimmen ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen ✔️
So: Schwimmen ✔️

…und am Samstag im Kino grünen Tee, Gemüsesticks, Trauben und Käse bestellt statt Prosecco und Popcorn. (note to myself: freiwillig!)

17.11.2019

Unterwegs.

Hältst Du mal? Die unbekannte Frau drückt mir einen Strick in die Hand, an dessen Ende ein schwarzes Pferd tänzelt und geht weg. Ich schaue genauso irritiert wie das Pferd, dann schaue ich zu L., die ihren spanischen Falben zurückhält und stelle fest, dass ich das schon sehr gewagt finde, einfach jemandem Unbedarften sein Pferd anzuvertrauen.
Naja, sagt L, wir sind hier auf nem Reiterhof, da gingen sie davon aus, dass man mit Pferden umgehen kann. Ich trage statt reiterhof-grün-braun zwar arktis-rot und auch sonst kein Reiter-affines Outfit, aber das hilft jetzt auch nicht weiter, das unruhige Pferd am Ende des Stricks muss gehalten werden.

Wochenende auf dem Land. Mit frischer Luft und Bewegung an derselbigen, Urlaubsplanungen am lodernden Kamin, leckerer Linsen-Möhren-Suppe, Salat und grünem Tee und Katzen im Bett.

Spät am Abend fahren wir nochmal zur Weide. Der Regen hat aufgehört. Die Kälte kriecht durch die Nacht und das nasse Laub, der Weg durch den Matsch wackelt durch die Stirnlampen, die an den Mützen befestigt sind. Es ist ein wenig gruselig, große dunkle Körper bewegen sich auf uns zu, während wir die Weide betreten, die Pferdeaugen leuchten. Der Falbe bekommt eine dickere Decke aufgelegt und etwas zu fressen, während mich ein braunes Pferd neugierig mit der Nase anstupst.

Auch am nächsten Morgen sind wir in aller Frühe wieder auf dem Weg zur Weide, um das Pferd zu bewegen, derweil das Kind zuhause ein wirklich gutes Frühstück mit Rührei, Baked Beans, Kaffee, Tee und Smoothies zubereitet. Das ist vorbildlich und eine gute Einstimmung auf unseren gemeinsamen Wanderurlaub, den wir nächstes Jahr zusammen machen werden.

Die Schmerzen im rechten Arm (Lungenentzündung-Impfung) und im linken (Grippe-Impfung) klingen langsam ab, haben allerdings meine Fitnesswoche etwas durcheinandergebracht. Dafür sollte ich jetzt mittlerweile so ziemlich gegen alles geimpft sein, was es so gibt und damit fit und fröhlich durch den Winter kommen.

10.11.2019

Unterwegs.

Aktiv leben? ✔️
Spontanentschlüsse treffen? ✔️
Freitag buche ich Hotel und Zugfahrt; dadurch verschiebt sich das Timing für Einkäufe und Wohnungsputz, das muss nun alles am Freitag nach der Arbeit und nach dem Schwimmen erledigt werden. Auch der Koffer muss gepackt werden.
Das Kofferpacken geht fix, da bin ich routiniert (auch wenn ich am Samstag feststelle, dass ich – inclusive des Neukaufs – fünf lange Hosen im Gepäck (für eine Auswärtsübernachtung) habe. Plus zwei Badeanzüge (schwarz mit kleinen weißen Pünktchen und den Baywatch-roten), einen Schirm, ein Buch, das ich unbedingt an diesem Wochenende beenden muss, da es eine der drei Buchbesprechungen für die Dezember-Ausgabe der Zeitung wird, für die ich nach der Arbeit schreibe, das wird knapp, aber es ist zu schaffen.

Am Samstag komme ich früh im Hotel an der Ostsee an, zu früh, das Zimmer ist noch nicht bezugsfertig. Ich bleibe gelassen.
Ich mache einen ausgedehnten Spaziergang. Im Wald, den ich bei vorangegangenen Besuchen noch nie wahrgenommen habe, ist es ruhig. Die Luft ist kühl und feucht und duftet nach Erde und Herbst, das Laub leuchtet gelb, gold und bronzefarben. Spontan umarme ich einen Baum. Und noch einen zweiten. Sehen tut mich hier eh niemand, ich bin die Einzige, die sich hier im Wald verirrt hat. Jetzt werde ich hellhörig, verirren tu ich mich recht schnell, da ich Orientierungslegastheniker bin. Vor Anbruch der Dunkelheit muss ich hier wieder herausfinden. Schon letzte Woche bin ich leicht in Panik verfallen, als ich spätnachmittags bei strömenden Regen durch den Jenischpark irrte und den Ausgang nicht finden konnte. Aber es ist noch früh, zu früh, um sich Sorgen zu machen, und irgendwann erscheinen Häuschen und ein Park, und dann die kleine Strandpromenade.

Das italienische Restaurant, in das ich eigentlich heute Abend gehen wollte, hat wegen Renovierung geschlossen. Ich bleibe gelassen.
Ich bummele über die Strandpromenade und stelle fest, dass auch die beiden Eisdielen zu haben. Dabei hatte ich während der Bahnfahrt hin- und herüberlegt, ob ich ein Haselnusseis mit Sahne oder bei Niederegger ein Stück Nusstorte geniessen sollte. Die Entscheidung wurde mir abgenommen. Natürlich möchte ich jetzt lieber ein Nusseis essen. Ich bin nur noch so semi-gelassen.

Ich gehe schnurstracks in mein Lieblingsklamottengeschäft, um es einen Augenblick später mit einer neuen Hose und einer Bluse zu verlassen. Das war eigentlich so nicht geplant, und ich überlege, womit ich den Spontankauf rechtfertigen kann. Mir fällt nichts ein. Ausser, dass ich diese Woche wieder on track mit meinem Fitnessprogramm bin und in 2019 bei den Fehltagen in der Firma ganz oben in der Statistik liege – nur einen Krankheitstag habe ich zu verzeichnen. Mein Sport- und Ernährungsprogramm trägt Früchte. Das lasse ich gelten, hierfür also die neue Hose und die Bluse.

Zurück im Hotel ziehe ich einen der Badeanzüge (den schwarzen mit den kleinen weissen Pünktchen) an, werfe den Bademantel über und gehe zum Pool. Beim Schwimmen kann ich in Ruhe überlegen, wo ich heute Abend essen möchte.
Die Wahl fällt auf mein Lieblingsrestaurant, auch wenn es eine neue, eine schreckliche Innenbeleuchtung bekommen hat; ein riesiger Kompass hängt über den Köpfen der Gäste und lässt diese in giftgrünem Licht erstrahlen. Trotzdem mag ich das Restaurant; das Essen ist sehr gut, und auch, wenn man mal allein hierher kommt, bekommt man keinen Katzentisch sondern einen schönen Vierertisch am Fenster.
Ich sitze am Fenster und schaue hinaus in die Dunkelheit; die Autofähre taucht auf, wie ein riesiges Hochhaus schiebt sie sich am Fenster vorbei und die Ostsee hinunter, ich schaue hinaus, und dann wieder hinein in den Roman, der faszinierend aber auch speziell ist und sich mit Kryonik befasst.

Am Morgen – nach dem Schwimmen – gehe ich frühstücken, natürlich trage ich sofort die neue Hose und die Bluse. Der Tag wird schön. Ich gehe nochmal in den Wald, umarme einen dritten Baum, verirre mich nicht und gehe weiter an den Strand. Zwischen den Algen liegen rote Rosen, mal ein Blatt, mal eine ganze Rose, das Meer spült die Erinnerungen an die Toten, die hier seebestattet wurden, zurück ans Land.

Der Fitness-Wochenrückblick:
Montag: Taiji-Class ✔️
Dienstag: Meditation-Class ✔️
Mittwoch: Stretching ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: Schwimmen ✔️ und 11.478 Schritte ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️ und 10.212 Schritte ✔️

07.11.2019

Unterwegs.

November. Ganz Deutschland ist von der Dunkelheit besetzt; die Menschen verziehen sich in ihre warmen und von Kerzen erleuchteten Wohnzimmer, während sie in Wolldecken gehüllt auf dem Sofa liegen und vorm Fernseher ein Glas Wein geniessen.
Ganz Deutschland ist von der Dunkelheit besetzt? Nein!
Und hier fühle ich mich wie das kleine gallische Dorf, das anarchistisch das tägliche Kontrastprogramm bestreitet.

Das Aussenbecken des öffentlichen Bades, das von großen dunklen Bäumen umsäumt wird, ist erleuchtet: ich schwimme durch das hellblaue Wasser, Dampf steigt auf, die Luft ist kalt, während ich am Abend meine Bahnen ziehe.

Durch die hohen Fenster der alten Sporthalle, durch die ich sonst beim Praktizieren der Stehenden Säule in den schönen Park blicke, blicke ich nun auf mein Spiegelbild. Der Park liegt im Dunkeln.

Auch der verwunschene Garten des Psychologenhauses ist in der Nacht verschwunden, als ich am weit geöffnetem Fenster tief einatme. Es regnet. Wir meditieren.

Im Fitnessraum schaue ich vom Stepper auf die unter mir liegende Mönckebergstraße. Menschen hasten mit Einkaufstaschen in die nächsten Geschäfte, der Himmel ist schwarz, die Straße nass, da hinten ist die Spitze der Nikolaikirche zu sehen und das Rathaus.

Im Dunkeln auf dem Balkon des 12ten Stocks über die Bucht schauen, auf die Ostsee, den Strand, die Häuser, ganz winzig und verstreut, die Kälte fühlen, den Bademantel anziehen und ins Schwimmbad gehen.

November. Zeit des Requiems. Zeit zu gedenken. Nicht unbedingt zu weinen, auch wenn ich das Lacrimosa liebe. Verdis Lacrimosa. Das ist so wunderschön.

Ich fange an zu planen. Es gibt so viel, was ich nächstes Jahr machen möchte, so viele Möglichkeiten, so viele Einladungen, ich lache, das haut doch alles gar nicht hin, mehr Zeit brauche ich, mehr Tage, mehr Jahre, und ja, das Leben muss gelebt werden, hier und jetzt, und auf der Couch kann ich immer noch sitzen, an einem Novemberabend, ganz weit in der Ferne, wenn ich alt bin, wenn gelebt worden ist und die Erinnerungen bleiben.

26.10.2019

Unterwegs.

Highlight der Woche:
Einladung von G. aus Georgien an Team Naughty (unser Arktis-Dream-Team), ihn in  2020 für eine Woche in Georgien zu besuchen. Wir müssten uns nur auf ein Datum einigen und die Flüge zahlen. Team Naugthy ist hellauf begeistert, wir möchten so gern nach Georgien und uns wiedersehen, die Bilder, die G. uns geschickt hat, sehen wunderbar aus, mal schauen, ob wir es schaffen, die Team Naughty-Mitglieder aus den USA, UK, der Schweiz und Deutschland zusammen unter einen Hut und zu G. nach Georgien zu bekommen.

Fail der Woche:
Ich wusste, dass ich niemanden auf D.’s Geburtstag kennen würde. Auf dem Weg zum Restaurant, in dem wir unser Essen selbst kochen werden, verlaufe ich mich auf dem unübersichtlichen Areal. Aber ich bin ja plietsch und folge einfach einigen Herrschaften, die mit Geschenken bewaffnet auf das Restaurant zusteuern. Ich lasse mir die Garderobe zeigen, plaudere ein wenig und möchte mein Geschenk auf den Gabentisch legen.

Das ist doch hier der Geburtstag von D.?, frage ich den netten Herrn neben mir. 
Das hier ist die Hochzeitsfeier von S. und G.,
 antwortet er.
Huch!
Ich nehme mein Geschenk und suche die nächste mir (noch) unbekannte Gesellschaft.

Hier wird gekocht. Im Team „Vorspeise“ schwitze ich Unmengen von Gemüse an. Gemüse kann ich. Es ist ein wunderbarer Abend, auch auf dieser Feier lerne ich sehr nette Menschen kennen. Und wenn dem nicht so gewesen wäre….hätte ich ja zur mir schon bekannten Hochzeitsrunde zurückgehen können…

Die Woche an sich:
Die Woche war anstrengend. Anstrengend bei der Arbeit, dazu noch viele kleine Dinge zwischen Büro und dem Sport erledigt (Rezept aus meinem kleinen Krankenhaus holen, Wochenmarkteinkäufe am Freitag einbauen, Umorganisation sämtlicher Sportaktivititäten, weitere Termine abmachen, mein Rezept zur Apotheke bringen, Schuhe kaufen).

Ausserdem führe ich ein langes Telefonat mit der Moderatorin für den anstehenden Mutmachabend am 29.10. zum Thema Brustkrebs, den die Stiftung meines kleinen Krankenhauses organisiert.
„Aktiv leben“ und „Halt finden – Halt schenken“; zu diesen tollen Themen darf ich als Talkgast auf der Bühne meine Erfahrungen vor einem größeren Publikum teilen. Ich bin gespannt.

Am Samstag bin ich dann endgültig k.o. und beschließe, den Tag einfach im Bett zu bleiben, rumzutrödeln, einige Stunden Shopping Queen zu schauen, nur zur Apotheke muss ich schnell rüberlaufen, um meine bestellten Tabletten abzuholen.
G., meine Schwimmfreundin, ruft an, sie habe mich am Freitag vermisst und möchte wissen, ob ich krank sei und etwas bräuchte. Das ist sehr lieb von ihr. Ich gebe Entwarnung und verspreche, dass ich nächsten Freitag wieder am Start bin.
Weiter rumtrödeln, etwas zum Abendessen kochen, die Schwimmtasche für Sonntag packen und ab in die Badewanne.

Ausserdem muss ich noch überlegen, was ich am Dienstag Abend anziehen möchte – vielleicht probiere ich gleich einige Kombinationen durch, bevor ich am Dienstag in Panik verfalle. (note to myself: der neue dicke schicke Strickpullover fällt aus, abends ist die Zeit der Hitzewallungen, und Bühnenbeleuchtung macht das auch nicht besser.)

Der Fitness-Wochenrückblick:
Montag: Taiji auf dem Dach ✔️
Dienstag: Meditation-Class ✔️
Mittwoch: Gym ✔️
Donnerstag: Schwimmen ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️

13.10.2019

Unterwegs.

Drei Meetings, davon eines ungeplant, eine Urheberrechtsverletzung, der nachgegangen werden muß, kurzfristige Anfragen aus dem Büro in Zypern, daneben versuche ich, die Budgetplanung 2020 für mehrere Schwesterfirmen zu finalisieren, aber es fehlen noch zuviele Details und Unterlagen, mir fällt ein, dass ich etwas auf dem Firmenaccount bei LinkedIn posten möchte, kläre das schnell mit den Kollegen ab, ja, der Text gefalle ihnen sehr, auch das ausgewählte Foto der Veranstaltung, ob ich das noch heute…ja klar, das mache ich noch heute.

Ich schaue auf die Uhr, laufe zur Bahn und fahre nach Hause, ziehe die Bürokleidung aus und meinen Trainingsanzug an, packe die Schlüssel für das Psychologenhaus und den Meditationsraum ein, greife meine Klangschale und marschiere in die entgegengesetzte Richtung zur anderen U-Bahnstation.

Kurzer Stop am duftenden Bonbonstand im U-Bahnhof Schlump, hier kaufe ich mir alle zwei Wochen eine kleine Tüte Salmibonbons, überzogen mit dunkler Schokolade. Ein Bonbon stecke ich sofort in den Mund, das ist mein kleines Highlight, das ich mir gönne.

Es nieselt, das gelb-braune Laub flattert von den Bäumen auf den Weg, während ich die Schröderstiftstraße hinunterlaufe. Trotzdem bleibe ich stehen.
Wie geht es Dir?, frage ich und schaue mich an.
Gut, antworte ich. Mir geht es gut.
Da ich weiß, dass ich ehrlich zu mir bin (alles andere macht auch keinen Sinn), bin ich zufrieden mit der Antwort, immerhin war es ein turbulenter Tag.  Ich biege zum Psychologenhaus ab.

Auf diesen Abend habe ich mich gefreut, auf die Stille des Meditationsraumes, den Blick aus dem Fenster in den verwunschenen Garten, den Klang meiner tibetischen Schale, auf C., die mir Äpfel aus ihrem Garten versprochen hat, auf J., der trotz Kniebeschwerden zum Meditieren kommt, auf das Loslassen, den Tag den Tag sein lassen, das Gewesene das Gewesene, das Kommende das Kommende, die Gedanken davonziehen lassen und auf den Atem achten, das einzige, was uns im Hier und Jetzt halten wird.

Der Fitness-Wochenrückblick:
Montag: Taiji ✔️
Dienstag: Meditation ✔️
Mittwoch: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: 10.399 Schritte ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️

28.07.2019

Unterwegs.

Es ist heiss. Das ist allerdings kein Argument, das Fitnessprogramm zu vernachlässigen, doch muss es den Gegebenheiten angepasst werden.

Da unser Taiji-Lehrer im Urlaub ist, beschliesse ich, am Montag und Dienstag nicht mit der Gruppe zu trainieren sondern mein Programm zuhause auf dem Dach zu absolvieren. Es ist warm, aber für Stretching, Tubes und die eine oder andere Form ist es wettertechnisch durchaus ok. Ausserdem mag ich es, auf der Yogamatte zu liegen, in den blauen Himmel zu schauen und dem Flug der Möwen zuzusehen.

Mittwoch, 35 Grad. Auf diesen Abend habe ich mich schon so lange gefreut! Meine Lieblingsband aus New York ist in der Stadt.
Die Tickets haben wir längst gekauft, genauso wie mein Outfit, welches ich eigentlich anziehen wollte. Allerdings passt ein schwarzer, enger Rollkragenpulli mit halblangen Ärmeln nicht zur Wetterlage oder in die Tiefen eines Musikclubs, wobei ich mit der Annahme richtig liege, dass es dort, auch wenn man fast zwei Stunden wild in der ersten Reihe tanzt, kühler ist als draussen.
Was für ein grandioser Abend!
Fangirlmässig warten wir nach dem Auftritt auf die Band, die wie immer bereitwillig für Fotos zur Verfügung steht. Ich bedanke mich bei ihnen für die tolle Musik, erzähle, dass ich sie heute das siebte Mal live sehen durfte und Leo eines meiner Fotos bei Insta geteilt hat.
Wir machen Fotos, ich bin glücklich.
Erstmals habe ich auch eine Freundin dabei, die nicht wie die anderen Freunde (und alle sind bisher freiwillig mitgekommen!) eigentümlich ruhig geblieben ist sondern genauso begeistert in der front row mitgetanzt hat. Die Band wird uns definitiv wiedersehen.

Heatwave am Donnerstag. Bei 36 Grad Aussentemperatur lasse ich den Besuch des Gyms ausfallen. Minimales Stretchingprogramm im Wohnzimmer, nicht der Rede wert.

Freitag wechsele ich auf die Kampfschwimmerbahn, auf der nur ein Kampfschwimmer und drei moderate Schwimmer (also meine Artgenossen) vorzufinden sind. Es schwimmt sich hier erstaunlich gut. G., meine Schwimmfreundin, ist nicht im Aussenbecken des öffentlichen Bades zu sehen, ich plaudere ein wenig mit Hyazinth, der genauso strahlt wie die Sonne am Himmel.

Am Samstag beschliesse ich, antizyklisch vorzugehen: um 20.00h schlage ich im Schwimmbad auf, eine gute Idee, die meisten Gäste sind bereits gegangen. Gemütlich ziehe ich meine Bahnen und bin zufrieden mit mir und der Welt.

Sonntag morgen um 8.00h gehe ich in den Hafen und mache Taiji. Noch sind keine Touristen unterwegs, nur ein Angler steht am Hafenbecken und versucht sein Glück. Lustigerweise treffe ich auf drei Chinesen im traditionellen Taiji-Outfit, die den Yang-Stil praktizieren, während ich weiter meinen Chen-Stil verfolge. Ein friedlicher Start in den Tag.

Montag: Stretching, Taiji ✔️
Dienstag: Stretching, Taiji ✔️
Mittwoch: Tanzen ✔️
Donnerstag: Hitzefrei
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: Schwimmen ✔️
Sonntag: Taiji ✔️

Nachtrag:
Das mir nachmittags auf dem Balkon eine Maus gegenübersitzt, bringt mich kurzzeitig aus der Balance. Lösungsfindung nächste Woche.

 

14.07.2019

Unterwegs.

Mir ist aufgefallen, dass ich seit zwei Wochen eine gewisse Grundmüdigkeit und Antriebslosigkeit an den Tag lege. Ausserdem zwickt wieder eine Rippe (diesmal auf der linken Seite). Ich vermute, dass die Schilddrüse jetzt doch noch in eine Unterfunktion rutscht; das lässt auch die Nachricht der Arzthelferin auf dem Anrufbeantworter vermuten. Nichts machen, aber in drei Monaten zur nächsten Blutabnahme erscheinen! so die dreimal ausgesprochene Warnung.

Die kleine Recherche ergibt, dass man natürlich etwas gegen eine Unterfunktion machen kann (und die vermutlich daraus resultierende Müdigkeit). Ich kaufe mir Jodsalz. Selen nehme ich über die täglich verzehrten Paranüsse auf, Zink durch die vielen anderen Nüsse, Brokkoli und Spinat.
Ausserdem stoße ich auf Brokkolisprossen, die bis zu einen 100 Mal höheren Gehalt an Sulforaphan aufweisen als reifer Brokkoli. Auch die werden eingepackt.
Die gesundheitliche Lage wird beobachtet und ggbs. nach dem Urlaub des Hausarztes näher in Augenschein genommen.

Den Samstag verbringe ich eine Stunde auf dem Dach und mache Stretching und Taiji-Übungen. Hier bin ich sehr gern, hier bin ich bei mir. Ich liege auf meiner Yogamatte und schaue in den grauen Himmel. Die ersten Regentropfen fallen und laufen mir übers Gesicht. Hinter den Wolken schreien die Möwen.

Sonntag Morgen – anderer Tag, andere Uhrzeit, aber bei meiner 36igsten Bahn taucht plötzlich G., meine Schwimmfreundin mit der pinken Badekappe, auf. Gerne hätte ich ihr meinen neuen Badeanzug vorgeführt, aber heute bin ich wieder in dezent schwarz-weiß-gepunktet unterwegs. Ich erzähle ihr, dass Walross 1 (sie weiß sofort, wen ich meine) uns an unseren Farben und Schwimmbewegungen erkennt und er mich auf mein neues Outfit angesprochen hätte.
Da es einfach schön ist, mit G. im fast leeren Aussenbecken des öffentlichen Bades durch die Bahnen zu trödeln, schwimme ich heute mal 44 Bahnen. Damit hätte ich 1 Kilogramm abgenommen und dürfte jetzt richtig viel essen, stellt G. fest.
Zuhause gehe ich in die nächste Runde meiner Bounty-Produktion.

(note to myself: wer 44 Bahnen schwimmen kann, ohne groß ausser Atem zu geraten, ist gesundheitlich im grünen Bereich)

Mein Wochenrückblick:
Mo: Taiji/Stretching ✔️
Di: Meditation Class ✔️
Do: Gym ✔️
Fr: Schwimmen (1.000m) ✔️
Sa: Taiji/Stretching ✔️
So: Schwimmen  (1.100m) ✔️

06.07.2019

Unterwegs.

Ich freue mich, dass vor dem öffentlichen Bad nur eine Handvoll Fahrräder steht. Das heisst, dass es leer sein wird.
Ich ärgere mich, denn das Bad ist leer, nämlich ganz leer, denn es hat heute wegen Warnstreik geschlossen.

Schon neulich bin ich wieder umgekehrt, abends, bei 33 Grad, als die Fahrräder bis auf die Straße standen und eine lange Schlange am Eingang an der Kasse wartete.
Wie neulich gehe ich statt ins öffentliche Bad zum Erdbeerstand, der an der U-Bahn-Station aufgebaut ist, und hole mir frische Erdbeeren.
Eine Planänderung muß her, zumal ich schon am Mittwoch und Donnerstag – bis auf etwas Stretching – nicht sporten konnte. Ich ziehe den samstäglichen Einkauf vor, putze die Wohnung, wasche Wäsche und lasse die Schwimmtasche für Samstag gepackt; der Trödeltag wird zum Schwimmtag umfunktioniert.

16 Grad, die grauen Wolken hängen schwer über dem Aussenbecken des öffentlichen Bades: das perfekte Wetter zum Schwimmen. Ich habe eine Bahn für mich allein, nur vier weitere Schwimmer sind auf meiner Seite des Beckens zu sehen. Auf der Kampfschwimmerseite mache ich J., meinen französischen Meditationsgefährten, aus, winke und rufe ihm einen Gruß hinüber.

Zwei junge Japaner tauchen auf. Leicht gebräunt, bunt spiegelnde Taucherbrillen im Gesicht, ihre perfekt geformten Körper stecken in modischen Badehosen. Man sieht ihnen an, dass sie Leistungsschwimmer sind, was sie kurze Zeit später, als sie in den Pool gleiten, bestätigen. Auf einmal scheinen die Kampfschwimmer, inklusive J., ganz langsam zu schwimmen, so wie wir auf unserer Seite, Gattung alte-Damen-mit-Kopf-über-dem-Wasser-schwimmen (machen übrigens auch Männer und jüngere Damen).
Die beiden Jungs sind mindestens doppelt so schnell wie die anderen Kampfschwimmer, machen exzellente Unterwasser-Wenden, kraulen, delphinen, rückenschwimmen, brustschwimmen, ihre Körper gleiten elegant durch das Blau, die Arme gestreckt, es scheint, als seien sie, kaum dass sie gewendet haben, schon wieder auf der anderen Seite des Beckens angelangt.

Ich schwimme auf meiner Seite auf der Aussenbahn und lasse mich von der Ästhetik der beiden Schwimmer verzaubern. Der einzige Nachteil ist, dass sie das Wasser immens aufwirbeln und ich nach kurzer Zeit aussehe, als würde ich tauchenderweise durch’s Becken schwimmen, obwohl ich immer versuche, den Kopf trocken zu halten. Auch die anderen Kampfschwimmer sind beeindruckt, genauso wie die Bademeister, und schauen den beiden Japanern zu.

40 Bahnen (das sind 1.000 Meter) später begutachte ich vorm Spiegel in der Umkleide meine Bauchmuskeln und fange an, insgeheim zu vergleichen. Das ist natürlich albern: die beiden Japaner waren nicht nur jünger, sondern Leistungsschwimmer, muskulös und ohne ein Gramm Fett. Fett bin ich nun auch nicht, aber (note to myself: du bist auch kein 20-jähriger Hochleistungssportler!) die Muskeln könnten durchaus noch etwas definierter sein. Die Lösung ist schnell gefunden: regelmässige Planks vorm Zubettgehen, und am Sonntag die nächsten 1.000 Meter schwimmen. Und hoffen, dass wieder nur eine Handvoll Fahrräder vor dem öffentlichen Bad stehen, aber einem geöffneten Bad.

03.07.2019

Unterwegs.

Durch das weit geöffnete Fenster schaue ich in den Park.

Radfahrer sitzen im Gras, um sie herum liegen die Räder.

Kinder spielen Ball. Sie lachen.

Die Meditationsgruppe schweigt.

Ein Mädchen übt mit dem Langstock. Ich erkenne sie; es ist die kleine Chilenin, die manchmal zum Taiji-Unterricht erscheint.

Ein Mann jongliert.

Ein anderer sitzt auf der Bank und hält einfach nur sein Gesicht in die Sonne.

Der Wind weht durch die Blätter und malt Streifen ins Gras. Blüten rieseln von den Bäumen herab, sie glitzern golden in der Sonne, wie Sternenstaub.

Ich spüre den Wind, der durch das Fenster weht, ich sehe den Spatz, der durch das Gras hüpft.

Ich schaue in den Park.

Eigentlich sollte ich meine Augen bei der Stehenden Säule schliessen.

Aber die Welt ist so schön.

15.06.2019

Unterwegs.

Wenn ich zusammenzucke, weil mir jemand im Aussenbecken von hinten an die Schulter fasst und ich in J.s lachendes Gesicht schaue, meinem Meditationsgefährten. Wir umarmen uns, plaudern, dann taucht er rüber auf die Kampfschwimmerseite.

Wenn ich mich ins Gras setzte, da mir schwindelig wird und den Jungs (heute sind es nur Jungs!) bei der Stehenden Säule und den Seidenübungen zuschaue. Später wechsele ich mit P. auf die andere Seite des Gartens, zwischen Gänseblümchen und Apfelbäumen erklärt er mir die Feinheiten des zweiten Fauststoßes der 19er-Form, bei der ich seit Neuestem ins Stocken gerate.

Wenn ich den Mittwochabend mit einem Freund auf einem kleinen schaukeligen Party-Schiff auf der Elbe verbringe, während Andreas Dorau mit seinen Musikern live auftritt. Heute ist Record Release Party. Ich trinke ein (alkoholfreies) Bier, während wir an Kränen, Docks und Containerschiffen vorbeishippern.

Wenn ich mir einen Instagram-Account anlege (der Feind in mir) und mir dafür eine Themenwoche überlege (Montag: Achtsamkeit, Dienstag: Ernährung, Donnerstag: Throwback Thursday, Sonntag: Fitness).
Donnerstag ist in der Community #krebsfreidonnerstag. Da ich jeden Tag krebsfrei bin, werde ich antizyklisch und ganz klassisch mit #tbt aufwarten und die Anfänge meiner Krebs-Geschichte dokumentieren.

Wenn die Physiotherapeutin, die heute im Gym Aufsicht führt, sich freut, mich wiederzusehen, und wir uns während meiner gesamten Geräterunde nett unterhalten.

Wenn ich die vielen Fahrräder vorm Schwimmbad sehe und G. mir bereits in der Umkleide entgegenkommt; zu voll sei es, sie sei extra früh zum Schwimmen gekommen und jetzt auf dem Heimweg.
Wenn ich Walross 2 im Innenbecken schwimmen sehe und weiß, dass es dann wirklich voll sein muss.
Wenn Walross 1 draussen unter der Wasseroberfläche schwimmt, die Kinder planschen und Mütter im Wasser herumstehen und ich beschliesse, es mit Kurt Tucholsky zu nehmen: Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
Wenn ich entspanne und durch’s Wasser gleite und mich einfach darüber freue, hier zu sein.

Wenn ich mir 6 Kilogramm unbehandelte Zitronen in Spanien direkt beim Farmer bestelle und überlege, was ich damit anstelle: Zitronenmarmelade, Zitronen-Tarte, Zitroneneis, Zitronenwasser…ich bin gespannt auf die Lieferung!

Wenn ich zum wiederholten Male feststelle, dass ich auf meinen wöchentlichen Schokoriegel verzichten kann und ganz bewusst durch die Süßigkeitenecke im Supermarkt gehe und mir ausdrücklich etwas erlaube. Ich möchte aber keinen Schokoriegel. Ich nehme ein Päckchen Cashewnüsse (gesalzen) mit. Das ist das Ungesündeste in meinem Einkaufswagen.

Wenn ich das erste Mal seit 12 Monaten Alkohol für zuhause kaufe (eine 0,25l-Flasche Rotwein), weil Rotwein ausdrücklich in meinem Krebs-Ernährungsbuch als gutes Nahrungsmittel (hoher Resveratrol-Gehalt) erwähnt wird.

Wenn ich automatisch meinen Hass-Liebe Kreuzblütler Brokkoli in den Einkaufswagen lege. Wenn man den in die Gemüsepfanne schmuggelt und einen Haufen Kurkuma, Pfeffer und scharfes Chili drüberwirft, fällt er nicht weiter auf.

Wenn ich meine Schwimmtasche für Sonntag packe.

Wenn ich das erste Mal einen Blogbeitrag mit einem Glas Rotwein in der Hand schreibe.

Montag: Schwimmen ✔️
Dienstag: Taiji ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Sonntag: Schwimmen (geplant) ✔️

09.06.2019

Unterwegs.

Da steht sie. Nein, sie bewegt sich, es sieht aus, als ob sie ihre Taiji-Form tanzen würde, ganz langsam. Das letzte Mal, als wir uns sahen, hat sie mich angesprochen, da habe ich genau an dieser Stelle den Chen-Stil praktiziert. Die chinesische Nachbarin unterrichtet den Yang-Stil. Ich bleibe stehen, halte inne und lächele, bevor ich weiter zur Arbeit gehe.

Nach der Meditation schlendere ich mit C. zurück zum Bahnhof. Sie weiß nicht, wie sie sich verhalten soll; sie habe sich mit einer lieben Freundin zum Frühstück getroffen, auch sie ist gerade mit Brustkrebs durch OP, Strahlentherapie und Reha gegangen. C. sei erschrocken, die eh schon übergewichtige Freundin habe weiter zugenommen, esse nicht gesund und habe auch angeblich keine Zeit für Sport. Sind wir die Einzigen, denen gesunde Ernährung und Fitness so wichtig sind? Sie bleibt stehen und schaut mit an. Das denke ich nicht, antworte ich und bleibe auch stehen; allerdings sind wir beide wirklich extrem gut aufgestellt, denn wir haben kapiert, dass wir an einer Katastrophe vorbeigeschlittert sind und uns entsprechend gut positioniert, um vorzubeugen. Verstehen tue ich Andere auch nicht, die wieder in den alten Trott zurückfallen und weiterleben, als sei nichts gewesen. Unser Körper hat schliesslich schon mal gezeigt, dass er anfällig ist; deshalb finde ich es wichtig, ihn zu stärken und weniger angreifbar zu machen. C. sieht das auch so. Ich lasse einen Bus in meine Richtung davonfahren, das Gespräch ist zu wichtig.

Ob wir uns nächsten Dienstag wiedersehen? fragt C. Natürlich, antworte ich, da sei ja wieder Taiji im verwunschenen Garten des Psychologenhauses, einer meiner Lieblingsabende der Woche. Darauf freue ich mich immer sehr. Und auch auf unseren intensiven Austausch auf dem Rückweg.

G. ist aufgebracht. Meine Schwimmfreundin treffe ich überraschenderweise auf der Aussenbahn an, normalerweise schwimmt sie am Beckenrand entlang. Heute scheint die Sonne, es ist warm, das Becken ist voller Teenies, die Ballspielen und vom Beckenrand springen. Allerdings ist auch die Ausweichmöglichkeit, auf die Schnellschwimmerbahn überzuwechseln, für uns nicht gegeben; zuviele Kampfschwimmer kraulen dort in hohem Tempo auf ihren Bahnen. Wäre sie bloss früher gekommen, schimpft G. Dann hätten wir uns aber nicht gesehen, antworte ich und versuche sie etwas aufzumuntern. Nebeneinander her schwimmen klappe heute allerdings nicht, ich solle mein Tempo schwimmen, G. fuchtelt hilflos herum, die 80-Jährige ist nicht gern auf der Außenbahn, auch wenn das Wasser nicht allzu tief ist. Ich schwimme vor und bitte mehrere Gruppen Jugendlicher, weiter an die Seite zum Spielen zu gehen. Sie gehorchen. Ich lache G. zu, jetzt haben wir Platz, wir schwimmen knapp 30 Minuten plaudernd nebeneinander her, die Stimmung steigt. Irgendwann muss auch G. über sich selbst schmunzeln, so griesgrämig kenne ich sie gar nicht, sagt sie, nein antworte ich, ich sei verblüfft gewesen, aber nun sei alles gut, es ist so gut, dass wir beide die Zeit vergessen und weit über eine Stunde im Wasser unterwegs sind.

Der Sonntag ist herrlich; kurz nach 10.00h bin ich wieder im Aussenbecken des öffentlichen Bades, wieder scheint die Sonne, wieder ist es warm, die weißen und rosa Blüten an den Bäumen sind endgültig einem tiefen Rot und Grün gewichen, die Rosen blühen, das Wasser glitzert. Kinder planschen friedlich am Beckenrand, die restlichen Schwimmer sind in meinem Tempo unterwegs. Es ist perfekt. Es ist so perfekt, dass ich denke, am Pfingstmontag wieder zum Schwimmen zu gehen.

Mo: Tubes & Taiji ✔️
Di: Meditation
✔️
Do: Gym
✔️
Fr: Schwimmen
✔️
So: Schwimmen
✔️

02.06.2019

Fitnessübersicht

Mo: Taiji Class ✔️

Di: Stretching/Taiji at home ✔️

Mi: Taiji Class ✔️

Do: Schwimmen ✔️

Fr: Schwimmen ✔️

Sa: Tubes/Taiji at home ✔️

So: Schwimmen ✔️

Am Sonntag war das öffentliche Bad so voll (kein Wunder bei 30 Grad Sonnenschein), dass ich a) keine Liege auf der Grünfläche bekommen habe und b) zum Schwimmen auf die Schnellschwimmerbahn ausweichen musste. Diese wiederum wichen auf die 50m-Bahnen aus (unbeheizt, ca. 17 Grad); aber Kampfschwimmer sind ja hart im Nehmen.

Zuhause mein selbstgemachtes Schokoladen- und Zitroneneis (zuckerfrei) getestet und für sehr lecker befunden. Von den fünf kreierten Milchschnitten ist nur noch eine übrig. Dafür habe ich noch circa 20 selbstgemachte Müsliriegel.

09.05.2019

Zuhause.

Ich überlege, ob ich über Kreuzblütler (dazu gehört mein Hassliebe-Gemüse Brokkoli) schreiben soll.

Ich überlege, ob ich über die Meditation am Dienstag berichte, bei der nur mein Lehrer und ich anwesend waren und wir beide feststellen mussten, wie wunderbar diese 90 Minuten sind, in der wir in die Stille abtauchen, während draussen das Leben tobt.

Ich überlege, ob ich darüber schreibe, dass mir heute ein Kapitän ein Foto seiner Tomaten- und Gurkenplantage geschickt hat, die er auf der Brücke (sprich: seinem Arbeitsplatz oben auf dem Schiff) angelegt hat, was ich zwar einerseits sehr kreativ (und gesund) finde, was andererseits aber nicht geht, da die Fenster auf der Brücke zum Rausgucken sind, damit man nicht überraschenderweise gegen einen Eisberg donnert und nicht für wild rankende Gewächse, die einem die Sicht  auf eben jenen Eisberg nehmen könnten.

Ich überlege, ob ich erzähle, dass ich am Samstag ein Interview mit einem französischen Autor führen werde, der den Prix Goncourt, den renommiertesten Literaturpreis Frankreichs, erhalten hat. Ich bin gespannt auf meinen Gesprächspartner, den ich in einem Café treffen werde. Da mein Französisch zu schlecht ist und seine Deutschkenntnisse nicht für ein Interview reichen, haben wir uns auf englisch geeinigt. Nur die Fragen, die ich ihm stellen werde, die habe ich mir noch nicht überlegt.

Ich überlege, ob das so intelligent war, mich morgen nach dem Schwimmen im Gewühl des Hafengeburtstags mit meinen Schwestern im Herzen zu verabreden. Wir haben uns schon lange nicht mehr getroffen. Ich bin gespannt, wie es ihnen geht.

Am meisten überlege ich aber, was ich am kommenden Dienstag Abend zum Konzert in Amsterdam anziehen möchte; mein Lieblingssaxophonist hat gerade wieder gelbgefärbte Haare, da könnte ich passend dazu den kurzen gelben Rock anziehen. Oder doch eher Jeans, T-Shirt und Trainingsjacke?

Ich überlege…

Das bin ich (anonymisiert) mit meiner Lieblingsband 2018. Auch dort trug ich schon den gelben Rock, passend zu Leos gelben Haaren.
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05.05.2019

Zuhause.

Zehn große Tüten Chips zähle ich auf dem Band an der Kasse, dazu legt der Mann – etwas Abwechslung muß sein – noch Fertigfrikadellen und ein Currywurstgericht. Von diesem Mann trennt mich nicht nur der Warentrenner, denke ich und lege den griechischen Joghurt und die Mango auf’s Band. Mangos gibt es nicht auf dem Biowochenmarkt, auf dem ich am Samstag meinen Großeinkauf tätige.

Chips esse ich eigentlich gern, zählen aber bei mir zu den Todsünden (krebserregend) und werden entsprechend nicht gekauft. Das kritische Nachfragen bei einem Hersteller, der seine gesunden Linsenchips angepriesen hat, ergab, dass auch diese frittiert und somit auch nicht besser sind als die herkömmliche Kartoffelvariante.

Ich beschliesse, in Eigenproduktion zu gehen und finde ein Rezept (welchem ich natürlich nicht folge), in dem man Chips aus roten Linsen herstellt.
Klingt gut, schmeckt ok, mehr allerdings auch nicht (note to myself: Dir fehlten ja auch  Zutaten).
Ich kaufe weitere Zutaten ein, wähle ein anderes Rezept (dem ich auch wieder nicht folge) und gehe in die zweite Produktionsrunde.
Riecht jedenfalls nach Chips, denke ich, was auch kein Wunder ist, habe ich doch großzügig meine Gewürze aus Israel – verschiedene Chilisorten, Pfeffer und Kurkuma – mit verarbeitet, was auch farblich sehr ansprechend ausschaut. Dazu noch frische Zwiebeln, Knoblauch, Tomatenmark, etwas Weinessig und die roten Linsen, die ich vorher erst in Wasser habe quellen lassen, um sie danach noch in einer Gemüsebrühe zu köcheln; zumindest die Zutaten sind alle auf der guten Liste, was Krebsernährung angeht.
Ofenphase 1 läuft. Ich bin gespannt. Die Chips sind weich. Geschmacklich aber nicht schlecht.
Ofenphase 2 läuft. Ich sitze vorm Ofen und schaue zu, ob sich etwas tut. Dabei esse ich Nüsse aus meiner Nusssammlung, die mittlerweile ein ganzes Regal im Schrank füllen. Nüsse sind immer gut. Und schmecken. (note to myself: wenn Du jetzt die Nüsse isst, brauchste auch keine Chips mehr).
Man kann das essen, es schmeckt auch etwas nach Chips, zumindest nach Chili aber die Konsistenz ist katastrophal. Fail, denke ich. Absolute fail.

Dafür war die erste selbstgemachte rote Rhabarber-Erdbeergrütze ein kulinarischer Erfolg. Und die Sportwoche sowieso.

Montag: Taiji-Class ✔️
Dienstag: Taiji-Class ✔️
Mittwoch: Schwimmen ✔️ Taiji at home ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Sonntag: Alsterwanderung ✔️

Fail 1

Fail 2

Dessert kann ich aber gut.

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mein normaler Einkauf  (sieht doch fast aus wie in den Ernährungsbüchern)

30.04.2019

Unterwegs.

Und – was macht ihr am 1. Mai?, möchte unser Lehrer am Dienstag Abend nach dem Taiji-Training von uns wissen.

N.: Bogenschießen!
K.: Joggen!
C.: Crosstrainer!
Ich: Schwimmen!

Wir Taiji’ler sind so richtige Partymäuse 😉

Aber wir haben heute im verwunschenen Garten des Psychologenhauses wieder viel zusammen gelacht.
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