Im Krankenhaus.

Ich schwitze. Schweißperlen bilden sich auf meiner Oberlippe, während ich versuche, die dicke rote Antarktisjacke auszuziehen und zeitgleich meinen Hausarzt anzurufen. Wählen Sie die Eins, wenn Sie ein Rezept möchten, wählen Sie die Zwei, wenn Sie eine Überweisung möchten, wählen Sie die…ich wähle die Drei. Live aus dem „großen Krankenhaus„, sage ich etwas atemlos, und ich habe es übersehen, dass ich für den heutigen Termin zur Nachuntersuchung eine Überweisung bräuchte. Und diese bräuchte das Krankenhaus genau jetzt, am besten gefaxt, hier hab‘ ich die Faxnummer, ohne Überweisung käme ich nicht dran, mein Hausarzt sei Herr Dr. X; seinen Namen bringe ich am Telefon allerdings mit dem Namen eines Buchautors durcheinander, ach, und auch ich sei gerade etwas durcheinander.
Es ist still am anderen Ende der Leitung.
Hallo?
Man würde die Überweisung gerade ausstellen und jetzt ans „große Krankenhaus“ faxen. In meiner Hausarztpraxis arbeiten Profis. Ich atme auf.
Die Rezeptionistin kommt mir entgegen, das Fax sei da, ich kann gleich weiter zum Arzt. Beim Ultraschall sieht alles gut aus, weiter gehts zur Blutabnahme, mir wird Tc-Pertechnetate gespritzt und eine Szintigrafie gemacht.
Die medizinische Assistentin mit den dunklen Augen und den lockigen Haaren lacht mich an, als ich ihr sage, dass ich in zwei Tagen nach Israel fliege. Sie sei gerade zurück aus Beirut, ihr Vater sei Palästinenser und in den 40ern in den Libanon geflohen. Warm sei es dort und schön, was ich mir alles anschauen werde, und – das sagt sie zweimal und sehr nachdrücklich – ich mir bitte beide Seiten anhören möge. Das werde ich ganz bestimmt, antworte ich, wir treffen auch Palästinenser zum Mittagessen.
Das TC-Pertechnetate muß 15 Minuten wirken, bevor die Szintigrafie gemacht werden kann: wir stellen fest, dass wir beide einen Bandscheibenvorfall haben/hatten, beide in „meinem“ Krankenhaus operiert wurden und beide im selben öffentlichen Bad schwimmen (bzw. sie früher dort geschwommen ist). Sie sei Lehrerin für Feldenkrais, wir sprechen über Sport und über gesunde Ernährung, über Krankenhauserfahrungen und gute und auch schlechte Ärzte.
Ich erzähle von meinen guten Hausärzten, ohne die ich in diesem Moment nicht hier sitzen würde (vergessene Überweisung) und auch davon, wo ich sonst zur Nachsorge hingehe. Sie fragt genau nach und schreibt mit, sie sucht gerade einen neuen Hausarzt und auch einen Gyn. Wir könnten uns noch viel länger austauschen.
Wir bedanken uns gegenseitig für dieses tolle Gespräch, ich gehe zurück zum Arzt wegen des Schreibens für den Flughafen („there is definetely no danger from the residual radioactivity for the public“), auch hier unterhalten wir uns noch etwas über meine anstehende Reise.
Was für ein Glücksfall heute Morgen im „großen Krankenhaus“.

Bevor ich auf dem Rückweg Dankeschön-Pralinen in meiner Hausarztpraxis abgebe,  mache mich auf ins Außenbecken des öffentlichen Bades.

6 Gedanken zu “20.03.2019

    1. danke für den Tipp! Dieses Jahr wird es leider nix mehr, ich hab ja noch meine große Reise im September. Ich könnte es auf meine Liste setzen; Petra/Jordanien auch – es gibt soooo viele schöne Ziele 😊 LG

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