Was der Krebs mit einem macht.

Am schlimmsten sei die Vorstellung, vergessen zu werden. 
A. ist eine junge blonde Frau mit strahlend blauen Augen, die sich für Mode interessiert und am liebsten mit ihrem Hund unterwegs ist. Seit drei Jahren hat die 23-Jährige Magenkrebs. Therapien, Operationen, Hoffnungen, weitere Therapien und Enttäuschungen wechseln sich ab. A. ist unheilbar krank. Die Metastasen sind nicht aufzuhalten. Laut ihren Ärzten könne man nur noch etwas gegen die Schmerzen tun.

Das könne doch alles nicht wahr sein, schreibt A. fassungslos.
Ob sie einen Psychoonkologen und Menschen an ihrer Seite habe, frage ich. Der Psychologe wird verneint, die Menschen, dass seien die Eltern und die Kontakte auf social media, hier postet sie täglich und kommuniziert mit ihren Followern, einer davon bin ich. Auf social media fragt A. auch, ob sich jemand mit Aszites auskenne und erzählt, dass ihre Tumore in den Bauch bluten, daher die Schmerzen, die sie in den letzten Tagen ans Bett fesselten.
Seit zwei Tagen ist ihr Account auf social media verschwunden.

Auf der Site ihrer Klinik haben bereits mehrere unter einem Foto von ihr kommentiert, dass sie sich Sorgen machen.
Es wäre so gut, wenn jemand ihr die Beiträge zeigen könne, schreibe ich an die Klinik. Das zeige ganz wunderbar, dass A. nicht vergessen würde, was ihre schlimmste Befürchtung sei.
Ich habe A. soeben gezeigt, dass an sie gedacht wird – 1000 Dank für Eure lieben Worte“, schreibt eine Krankenschwester zurück.

Der kleine L. ist noch nicht einmal zwei Jahre alt und liegt im Krankenhaus. Seine junge Mutter beschreibt sehr berührend auf Instagram, wie sehr ihr Kind (und auch sie) leidet. L. ist an Leukämie erkrankt und macht eine Chemotherapie.
Kleiner Kämpfer. Loveyoutothemoonandback.
Mich berührt ihr Schicksal, und ich frage sie, ob ich ihrem Kind eine Freude machen könne. Am Ende wird es ein Benjamin Blümchen-Toni mit Gute Nacht-Geschichten, die ich ihnen nach Süddeutschland schicke. L. habe sich wirklich sehr gefreut, schreibt sie mir später.

Was der Krebs mit einem macht?
Emphatisch gegenüber anderen, deren Schicksal ungleich schwerer ist.
Dankbar dafür, dass es einem gut geht.
Demütig vor dem Leben.
Leben wir, lieben wir, lachen wir, reisen wir, als ob es kein Morgen gäbe. Alles andere ist Zeitverschwendung.

9 Gedanken zu “24.05.2020

  1. Ich kann da gar nichts zu sagen. Du hast so recht. Obwohl ich nicht selber betroffen bin, wie du weisst, aber tagtäglich doch. Und dieser Mut und diese Hoffnung und auch das akzeptieren und das beste draus machen, das berührt mich immer wieder. Und macht mir selber Mut. Danke für dein Engagement und diese Geschichten.
    😊

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