24.03.2017

Wenn Dr. T. mit „loving red“ Smoothies vorbeischaut und uns einen Vortrag über gesunde Ernährung hält.

Wenn wir einen kleinen Ausflug in den Park wagen und uns über die ersten Knospen und das Zwitschern der Vögel freuen.

Wenn die Dame aus der Boutique Silikonkissen und BH’s für meine chemo-geplagte und brustamputierte Zimmergenossin mitbringt und wir über die hässlichen Modelle lachen und beratschlagen.

Wenn  Zimmergenossin Nr. 2 sich schämt, dass sie wegen geplatzter Silikonkissen operiert wird während wir mit Krebs kämpfen.

Wenn wir beschliessen, auf dem einzigen Fernseher im Zimmer zusammen Let’s Dance zu schauen und Glitter zu werfen.

Wenn Prof Dr. M. im Feierabendoutfit ins Zimmer platzt um mir vorm Wochenende mitzuteilen, dass die entnommenen Wächterlymphe gesund sind und der Krebs nicht gestreut hat.

Wenn ich realisiere, was das bedeutet und das Krankenhaus keinen Sekt – auch keinen alkoholfreien – zum Feiern hat.

Wenn in meiner von der Zimmergenossin verteilten Glückspille steht: „Mach es Dir richtig gemütlich und geniesse in aller Ruhe eine schöne Tasse Tee“. 

Wenn wir mit Seelenbalsam-Tee statt mit Sekt anstoßen.

Wenn meine Zimmergenossin realisiert, dass sie statt einer Brust eine riesige Narbe und Schmerzen hat und zu schluchzen anfängt.

Wenn Gil Ofarim durch unseren Glitter und unsere Tränen tanzt.

Wenn ich helfen möchte und so hilflos bin.

Wenn es Nacht wird.

 

09.03.2017

Zuhause, abends.
Anruf von Prof. Dr. M., der wissen möchte, wie es beim Humangenetiker gewesen sei. Interessant, antworte ich, das Ergebnis komme noch. Er wolle mir sagen, dass ich in der Zwischenzeit nicht sterben werde. Das finde ich sehr aufmerksam.

09.03.2017

Im Krankenhaus.
Prof Dr. M. tippt in seinen PC, ich sitze daneben und warte ab. Zwischendurch eine Entschuldigung und Tätscheln des Knies. Sie haben Glück im Unglück, sagt Prof. Dr. M. nach einer Weile, Ihr Krebs ist langsam. Damit könne ich doch noch meinen Termin beim Humangenetiker wahrnehmen. Danach die Entscheidung, ob wir mit Knotenentfernung und Strahlenbehandlung oder mit Amputationen und Tabletten therapieren. Prof. Dr. M. ist flexibel, ich muß erstmal hinterherkommen. Ich weise darauf hin, dass die Operation am 15.03. anstehe, der Termin bei den Humangenetikern aber erst am 16.03. sei. Ein Anruf von Arzt zu Arzt, in 90 Minuten möge ich in der Altonaer Straße sein.

06.03.2017

Im Krankenhaus.
Sie haben Krebs, sagt Prof. Dr. M., die Gewebeanalyse bestätigt das. Aber er sei nicht sehr agressiv. Wir werden weitere Auswertungen abwarten. Wir sprechen über Amputationen, Rekonstruktionen, Medikamententherapie.

22.02.2017

Und was ist nun mit der anderen Sache, frage ich. Die Ärztin guckt geistesabwesend, das sei egal. Ich nehme die Überweisung in Empfang und setze mich wieder ins Wartezimmer. Panik vorm Wartezimmer, man bräuchte dringend einen Termin beim Radiologen, ich schaue auf die Überweisung. Verdacht auf Krebs.
Bevor ich das verinnerlichen kann, kommt die Ärztin zurück, nimmt mir die Überweisung wieder weg, gibt mir eine neue, es steht nun „suspekter Tumor“ drauf. Termin beim Radiologen eine Woche später, aber sie würden mich anrufen, wenn früher etwas frei werde. Das klingt dramatisch, sage ich. Am Ausgang steht die Ärztin mit ernstem Gesicht und wünscht mir alles Gute.

Draußen vor der Tür komme ich zu mir und fange an zu begreifen.