13.03.2017

Ich bin müde und etwas durcheinander. Das schreibe ich dem Stress der vergangenen Tage zu. Ich laufe von einem Zimmer ins nächste, vergesse was ich wollte, laufe wieder zurück. Von der Einkaufsliste kaufe ich nur die unteren Positionen; das stelle ich fest, als ich wieder zuhause bin. Ich nehme es gelassen und bin freundlich zu mir. Ein neues Kapuzensweatshirt in himmelblau, eine helle Hose, Wäsche, Mütze und eine Jogginghose lege ich mir zu – alles Dinge, von denen ich glaube, dass ich sie in nächster Zeit brauchen könnte.

Die Sache ist mir auf den Magen geschlagen, ich habe keinen Appetit. Deshalb gehe ich jeden Mittag in Restaurants, lese Zeitung und gucke auf die Elbe. Zwischendurch zum Fitness, Schwimmen, Taiji und Spaziergänge, Freunde treffen. Blende ich die Krankheit aus? Oder lasse ich mich einfach nicht hängen?

Ich erinnere mich an die Inschrift eines Grabsteins, den ich beim Neujahrsspaziergang auf dem Wiener Zentralfriedhof entdeckt habe:

Ich lebe so gerne! Ich glaube, ich lebe sogar noch gerne, wenn ich einmal gestorben bin.

09.03.2017

Zuhause, abends.
Anruf von Prof. Dr. M., der wissen möchte, wie es beim Humangenetiker gewesen sei. Interessant, antworte ich, das Ergebnis komme noch. Er wolle mir sagen, dass ich in der Zwischenzeit nicht sterben werde. Das finde ich sehr aufmerksam.

09.03.2017

Im Krankenhaus.
Prof Dr. M. tippt in seinen PC, ich sitze daneben und warte ab. Zwischendurch eine Entschuldigung und Tätscheln des Knies. Sie haben Glück im Unglück, sagt Prof. Dr. M. nach einer Weile, Ihr Krebs ist langsam. Damit könne ich doch noch meinen Termin beim Humangenetiker wahrnehmen. Danach die Entscheidung, ob wir mit Knotenentfernung und Strahlenbehandlung oder mit Amputationen und Tabletten therapieren. Prof. Dr. M. ist flexibel, ich muß erstmal hinterherkommen. Ich weise darauf hin, dass die Operation am 15.03. anstehe, der Termin bei den Humangenetikern aber erst am 16.03. sei. Ein Anruf von Arzt zu Arzt, in 90 Minuten möge ich in der Altonaer Straße sein.

22.02.2017

Und was ist nun mit der anderen Sache, frage ich. Die Ärztin guckt geistesabwesend, das sei egal. Ich nehme die Überweisung in Empfang und setze mich wieder ins Wartezimmer. Panik vorm Wartezimmer, man bräuchte dringend einen Termin beim Radiologen, ich schaue auf die Überweisung. Verdacht auf Krebs.
Bevor ich das verinnerlichen kann, kommt die Ärztin zurück, nimmt mir die Überweisung wieder weg, gibt mir eine neue, es steht nun „suspekter Tumor“ drauf. Termin beim Radiologen eine Woche später, aber sie würden mich anrufen, wenn früher etwas frei werde. Das klingt dramatisch, sage ich. Am Ausgang steht die Ärztin mit ernstem Gesicht und wünscht mir alles Gute.

Draußen vor der Tür komme ich zu mir und fange an zu begreifen.