15.03.2019

Unterwegs.

Das erste, was ich vorm Spiegel in der Damenumkleide des öffentlichen Bades sehe, ist eine große goldfarbene Tasche und ein Schal mit Glitzer. Das kann nur einer gehören, denke ich. Kurz darauf erscheint G. Hallo A., ruft sie, du bist spät dran! Ich habe dauernd zur Tür geschaut, ob du kommst!
Ich bin zu spät, ich war vorher noch bei der Bank, jetzt ist meine Schwimmfreundin bereits auf dem Rückzug. Fuerteventura war klasse, sie habe den Pool für sich gehabt, die anderen Gäste saßen nur faul drumherum. Außerdem war sie diese Woche schon dreimal zur Gymnastik, G. erzählt und glitzert vor meinen Augen, braungebrannt im hellen Wollpullover mit Kristallsteinchen-Besatz, ob sie die Mütze aufsetzen solle? Ja, sage ich, und die weiße Flauschmütze mit grünem Bommel landet auf ihrem Kopf. Hyazinth, der kleine Spanier, sei noch da, der sei ja immer vier Stunden im Bad, aber wo solle er auch sonst hin, sagt G., als Rentner mit einer Einzimmerwohnung. G. weiß alles und teilt alles, wir verabschieden uns und hoffen, dass wir bald wieder zusammen unsere Bahnen ziehen.

Es stürmt, es regnet in Strömen, und es ist kalt, als ich in den Außenbereich schwimme. Dampf steigt auf, die Regentropfen werfen kleine Ringe auf der Wasseroberfläche, links von mir pflügen die Kampfschwimmer durch’s Becken, rechts von mir bewegt sich das Walross langsam unter der Wasseroberfläche.
Immerhin habe ich meine turbanähnliche (und fürchterlich aussehende) Badekappe auf dem Kopf, da bleiben die Haare und Ohren trocken. Eine Dame taucht auf, mit einer Kopfbedeckung, die aussieht wie die Deckelverzierung eines Einmachglases, ein weißes Häubchen mit Gummiband drumherum. Ihre Arme wirft sie in die Luft und deutet damit eine Kraulbewegung an. Eine weitere Dame erscheint, ihr anscheinend langes Haar ist unter einer schwarzen Plastikschlange versteckt, es sieht aus, als hätte sie einen Fahrradreifen auf dem Kopf. Da bin ich mit dem Turban doch noch im oberen Bereich der Badeoutfits anzusiedeln, denke ich.

Hier im Becken vergesse ich die ernsten Gedanken, die mich heute bewegen: es berührt mich, wenn ich in der Zeitung lese, daß jemand verstorben ist, jung, fast plötzlich, kämpfend – ich weiß dann, um was für eine Krankheit es sich handelt. Es berührt mich, wenn Mitstreiterinnen, deren blogs ich verfolge und die genauso wie ich hoffen, dass alles gut bleibt, mit Knochenmetastasen in die zweite Runde gehen. Es ärgert mich, wenn Unwissende – auch wenn es lieb gemeint ist – dieses mit sinnfreien Sprüchen wie „du schaffst das schon“, „das wird schon wieder“, „du bist stark“ usw. kommentieren.
Fakt ist: ein Rezidiv bei Brustkrebs, das als Metastasen auftritt, ist zu 100% unheilbar. Palliativ-Behandlung heißt es dann – der Erkrankten eine möglichst lange und schmerzfreie Zeit zu ermöglichen. Da wird nix wieder. Da ist nix zu schaffen. Und genau das ist es, was Brustkrebs so düster macht: ein Erstschlag kann geheilt werden. Ein Zweitschlag (in Form von Metastasen) nicht.

Es macht jetzt keinen Sinn, zuhause zu sitzen, in Schockstarre zu verfallen und depressiv zu werden. Es macht Sinn, jeden Tag als etwas besonderes und als nicht selbstverständliches zu begreifen. Es macht Sinn – soweit es in der eigenen Macht steht – alles dafür zu tun, um die „Chance“ auf ein Rezidiv zu reduzieren. Und genau deshalb bin ich recht streng mit mir, was Ernährung und mein Sport- und Meditationsprogramm angeht. Und auch stolz darauf, dass ich bei Wind und Wetter im Aussenbecken des öffentlichen Bades anzufinden bin und nicht hygge-mit-Kerze-und-Chips auf dem Sofa vorm TV rumliege.
Im übrigen bringt es mir auch Spaß, und es tut mir gut, denn mein Fitnessprogramm kompensiert den Stress, den ich im Berufsleben habe.

Ich überprüfe den Einkaufskorb, alles drin, sage ich.
Nein, antworte ich, der Schokoriegel fehlt.
Aber es gab am Mittwoch den Frankfurter Kranz.
Aber schon letzte Woche hast du den Schokoriegel vergessen. Außerdem bist du 45 Minuten im strömenden Regen draußen geschwommen, das muß belohnt werden!
Ist es nicht schon eine Belohnung, nach der Arbeit schwimmen zu gehen und das Leben zu genießen?
Jetzt wirst du aber philosophisch.
Diskussionen mit mir selbst gefallen mir, eine Lösung gibt es immer. Und heute gibt es den Schokoriegel.

14.03.2019

Unterwegs.

Brötchen ohne Weizenmehl hätte ich gern. Dinkel. Oder Vollkorn. Die Bäckereifachverkäuferin zeigt auf drei Sorten, die ich für gut befinde, je zwei von allen, sage ich und bin zufrieden. Und was haben Sie an gesundem Kuchen?, höre ich mich fragen.

Naja, die enthielten alle Fett und Zucker, aber die Mandelstückchen wären vielleicht ok. Die Verkäuferin deutet auf extrem langweilig und trocken aussehendes Gebäck, ich winke ab, mein Blick schweift über Sahnestückchen, Joghurttorte und Marzipanteilchen.

Ich nehme hiervon ein Stück, sage ich und zeige auf den Frankfurter Kranz. Die Verkäuferin lacht, damit habe sie jetzt nicht gerechnet. Ich eigentlich auch nicht. Buttercreme und Krokant, süsser und gehaltvoller geht es nicht. Ich gebe Ihnen das ganze Stück mit, es ist ja gleich Feierabend. Sie meint es gut mit mir.

Ich verlasse die Bäckerei mit Brötchen, die politically correct sind und nem Kilo fetter Buttercremetorte. Nach einem knappen Stück ist mir schon schlecht, geschieht mir recht, denke ich, ich kann solche extremen Sünden gar nicht mehr ab.

Ich bringe die Yogamatte, die Pilatesrolle und die Tubes in Position – zum Dessert gibt’s 50 Minuten intensives Home-Training.

Heute im Gym bin ich im Ranking beim Training auf der wackeligen Scheibe auf Platz 3 vorgestoßen. Brilliante Balance durch Buttercreme, vermute ich.

12.03.2019

Im Krankenhaus.

Ich schwebe auf dem Wasser, es ist grün-grau, ganz hell und weich. Wenn ich mit den Fingerkuppen sanft die Wasseroberfläche streife, fühlt es sich an, als würde ich flüchtig über Seide streichen. Das Sole-Bad ist meine neueste Entdeckung, ein wunderbarer Ort um zu entspannen. Das alte Gebäude erinnert an eine Kathedrale: die Sonne flutet durch die runden Fenster direkt in den Pool und direkt auf mich, als ich auf dem Rücken im Wasser liege und die Augen geschlossen habe.

Zur Feier des Tages gönne ich mir eine Schachtel Eiskonfekt, während ich auf der Liege mein Buch weiterlese.

Heute habe ich mir frei genommen. Heute früh war ich wieder in „meinem“ Krankenhaus zur Nachsorge. Rundumcheck inklusive Blutabnahme, auf meinem Rezept habe ich ab jetzt ein Extra-Kreuzchen, damit die Krankenkasse endlich wieder das Tamoxifen bezahlt. Die letzten Male mußte ich das selbst zahlen, da sich die Kasse geweigert hat. Aber mit dem Kreuz auf dem Rezept ändert sich das.
Ich bin immer noch etwas unsicher ob des verlängerten neuen Nachsorge-Rhythmus (Mammographie 1x jährlich, 2x jährlich zu meiner Ärztin) und auch, was nicht erklärbare (Rippen-) Schmerzen angeht; das macht mich ja immer nervös, wenn ich nicht weiß, wo etwas herkommt. Allerdings sind die Schmerzen wieder weg, und bei meinen vielen Sportaktivitäten kann es leicht passieren, dass mal etwas verspannt. Außerdem bleibe ich die Einzige, die sich sorgt. Während ich mich wieder ankleiden gehe, sagt die Ärztin, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit gesund bleibe.

1 Jahr und 355 Tage krebsfrei.

03.03.2019

Unterwegs.

Was uns sofort ins Auge fällt, sind die bunten Blumen. Die sehen fröhlich und nach Frühling aus. Die Urne ist aus Holz, ganz schlicht, auch das sieht schön aus und passt zu unserem Großonkel, genauso wie die bunten Frühlingsblumen, die so wunderbar seine Freundlichkeit und seine Verbundenheit zur Natur widerspiegeln.
Als wir zur Beerdigung fuhren, haben wir gerätselt, wer wohl die Trauerrede halten wird. Onkel G. war erklärter Atheist. Seine Tochter und sein Schwiegersohn sind Pastoren.

Eine Pastorin erscheint, Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm, immerhin weist sie darauf hin, dass Onkel G. nicht gläubig aber doch getauft war, wir singen Himmel, Erde, Luft und Meer, in den Liedern kommt die Natur vor, es ist ein gelungener Kompromiss, finde ich. Wir weinen etwas, aber eher, weil wir berührt sind, unser Großonkel ist immerhin 93 Jahre alt geworden und friedlich eingeschlafen. Die Pastorin lässt sein Leben Revue passieren, auch das ist schön, die Erinnerungen werden geweckt an den orangenen VW-Bus, mit dem er in den Schulferien – unser Onkel war Rektor einer Sonderschule – durch Europa gereist ist, genauso wie die unbeschwerten Familienausflüge mit seinem kleinen Segelboot über die Elbe hinüber nach Schweinesand.

Tante W., die nun Witwe ist, setzt sich beim Kaffee neben mich: Deine Reiselust hast Du von Onkel G. geerbt, sagt sie. Das glaube ich auch, antworte ich, von meinen Eltern kommt das jedenfalls nicht. Die stranden ja regelmässig in Neustadt an der Ostsee (den bösen Blick meiner mir gegenüber sitzenden Eltern ignoriere ich geflissentlich).
Zwei mir unbekannte Damen fragen mich nach der Antarktis und dem Everest, anscheinend bin ich Gesprächsthema bei der Verwandtschaft und auf alle Fälle von Interesse für die beiden Damen, die Deutschland noch nie verlassen haben.

Am Sonntag beim Frühstück im Wasserschloss arbeiten meine Cousine T. und ich die Beerdigung und unsere Familiengeschichte auf. Und Uroma F. war im Waisenhaus und hat dort unseren Uropa kennengelernt, sagt T. Ich bin verblüfft, das habe ich ja noch nie gehört! Dann wissen wir gar nicht, wo wir herkommen? Wir schicken eine sms an meinen Vater, das muss rückbestätigt werden. Und auch, wie die Geschwister von unserer Oma W. hießen. Du hast aber einen Stammbaumzettel von uns! kommt postwendend zurück, und sie würden gerade essen. Zwischenzeitlich sind uns noch weitere Fragen eingefallen, die wir simsen, es folgt eine kurze Auskunft und ein Mahlzeit!, damit wird uns klargemacht, dass die Prioritäten um 11.45h gerade nicht auf der Familiengeschichte liegen.

Wir könnten mal mit allen zusammen frühstücken gehen oder ein ein Familienfest planen! Wahrscheinlich lernen wir noch so einiges über die Familiengeschichte. T. und ich sind in unserem Element. Nach Schweden (T.) und Israel (ich) werden wir das angehen.

Eigentlich wollte ich farblich abgestimmte Blumen pflanzen; nun kaufe ich lila und weiße Hyazinthen, gelbe Narzissen, pastellgelbe und rosafarbene Rosen, es wird bunt, bunt wie der Frühling. Und bunt wie das Leben.

22.02.2019

Unterwegs.

Ich schaue vom Schreibtisch auf, blicke auf den Kalender und bleibe am Datum hängen: heute ist der 22. Februar.
Vor genau zwei Jahren hat man mir wortlos eine Überweisung zum Radiologen in die Hand gedrückt, auf der Verdacht auf Brustkrebs stand. Heute vor zwei Jahren stand die Welt für mich still.
Wie schnell die Zeit vergangen ist, denke ich, und was ich seitdem alles gemacht habe – und doch ist der 22. Februar 2017 ganz nah.

Ich skype meinen Grafiker an:
I just had a look at the wall calendar, two days ago THE drama started.
Ich schicke hinterher, no, I mean two years ago – not two days. Time is flying.
Wow, I thought it was last year, already two years?
Yep, shall go for a drink now.
Would join you for the drink if I were in Hamburg.
Alright, then no drink, then off to swimming!

Ich schaue zum Fenster. Der graue Morgenhimmel ist aufgebrochen, blau strahlt es jetzt, keine Zeit für Sentimentalitäten, denke ich, der Himmel ist blau, die Sonne kommt raus, 5 Grad, aber immerhin, ich schalte den Computer aus, nehme meine Tasche und laufe los, das Leben muss gelebt werden.

Wir stehen im Weg, ruft das Mädchen ihrem Freund im Becken zu, kein Problem, rufe ich, ich umrunde euch einfach, dann umrunde ich auch noch das Walross, das sich wie immer ganz langsam unter der Wasseroberfläche bewegt und schwimme dem blauen Himmel entgegen.

Diesmal habe ich nicht nur das Duschgel sondern auch noch die Bodylotion vergessen. Macht nix, denke ich, das ist nichts, worüber ich mich aufrege. Auch das Deo ist nicht in der Sporttasche, als ich es suche, fällt mir ein, dass ich es gestern in der Umkleide des Gyms in den linken Turnschuh gesteckt habe.
Dafür habe ich ein Quarkbrötchen dabei. Wenn ich das auf dem Weg zum Bahnhof esse – so meine Theorie – könnte ich den Schokoriegel, den ich mir freitags immer nach dem Schwimmen gönne, ausfallen lassen (nice try…but fail…so einfach lasse ich mir nicht meinen Schokoriegel-der-Woche nehmen).

Ich mache mir einen Kaffee, setze mich nach draußen in die Sonne, der Koffer kann später gepackt werden. Das Leben ist schön.

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01.02.2019

Unterwegs.

Dear colleagues,
please kindly note that we are organizing an event for World Cancer Day which will be held at M on 4th of February.
Professor Dr. D (Dental Surgeon, Professor and Head of Department of Oral medicine) and Dr. M (AR Hospital) will speak about Oral Cancer, Breast Cancer and Ovarian Cancer. We would like to invite all business units to attend.

Ich bin überrascht und auch etwas gerührt über die Nachricht im Posteingang, die aus unserem Büro in Südostasien kommt. Die asiatische Geschäftsleitung organisiert einen Event zum World Cancer Day und lädt einige hundert Kollegen dazu ein. Ich schreibe zurück, lobe sie ob dieser ungewöhnlichen Aktivität, wundere mich insgeheim aber auch etwas, da Krebs eher ein Problem der ersten Welt ist, in der die Menschen zuviel Zucker und Junkfood essen und sich zu wenig bewegen (verkürzt ausgedrückt). Im nächsten email folgt die Info, daß vor allem die Kollegen erscheinen mögen, die Betelnüsse kauen. Betelnüsse gelten als krebserregend. Also ist Krebs doch kein ausschließliches First World-Problem, denn Betelnüsse kauen dort fast alle. Ich weise meine Abteilung vor Ort an, Fotos zu machen und einen Artikel über den Event zu schreiben, den wir im nächsten Newsletter veröffentlichen können.

Man schickt mir vorab die Präsentation der Professoren; ein, zwei Schockbilder, Texte in burmesischer Kringelschrift, aber auch Fotos, wie man sich die Brust abtastet (was schon wirklich sehr offen für die dortige Kultur ist, vor allem in einer öffentlichen Präsentation) und icons, die Meditation, Bewegung, Rauchen (durchgestrichen), Alkohol (durchgestrichen), Junkfood (durchgestrichen), Gemüse (nicht durchgestrichen) darstellen. Das finde ich jetzt mal eine wirklich gute Aktion.

Eine weitere Einladung ist in der Post, ‚mein‘ Krankenhaus lädt zum Informationstag Brustkrebs Hamburg 2019 ein.

Als ich mich auf den Weg ins öffentliche Bad mache, fängt es an zu schneien. Schneeflocken irren durch den Dampf, der aus dem Becken steigt, mein Blick irrt im Becken umher und sucht die pinke Badekappe. Meine Schwimmfreundin fehlt.

 

15.1.2018

Unterwegs.

Und hier ist unsere sonnige Oase, sage ich. Wir stehen in Socken auf dem orangenen Teppich des Meditationsraumes, das Licht ist weich, die Heizung wärmt, an der Wand leuchtet die goldene Buddha-Figur.
R. hat sich über den Dauerregen beklagt, er und C. und ich sind klatschnass im Psychologenhaus eingetroffen. Den Regen finde ich auch schön, sage ich, und auch den Sturm, das Wetter ist so lebendig, jeden Tag neu und jeden Tag anders. Ich sehe das also von der positiven Seite, setze ich hinzu und schaue aus dem Fenster. Auf der gegenüberliegenden Seite trainieren Fussballer im Flutlicht, in dem der Regen tanzt, der Rasen leuchtet grün.

Nächste Woche sei er nicht da, sagt unser Lehrer, aber wir können trotzdem zum Meditieren kommen. C. und ich nicken uns zu, R. übergibt mir den Schlüsselbund, damit bin ich für den Meditationsraum am nächsten Dienstag verantwortlich. Und der andere Schlüssel sei für die Eingangstür, falls die abgeschlossen sein sollte. Die Eingangstür steht immer offen. Jeder kann ins Psychologenhaus spazieren, in die Gesprächsräume, die Küche, die Stube und in den verwunschenen Garten. Die Psychologen scheinen ein solides Grundvertrauen in die Menschen zu haben.
Dann könnte ich endlich mein Mobiliar herschaffen und hier einziehen, wo ich jetzt die Schlüssel zu meinem Lieblingshaus habe, sage ich.

Am Bahnhof erzähle ich C. von meinen selbstgemachten zuckerfreien Zitronen-Joghurt Gums und den Müsliriegeln, die erstaunlich lecker sind.
Am Bahnhof bleiben wir jeden Dienstag zwanzig Minuten stehen.
Am Bahnhof sprechen wir über ‚unser‘ Thema.
Wir machen das richtig, sagt C. und guckt mich erwartungsvoll an. Wir machen das richtig, bestätige ich ihr. Sie strahlt. Das höre sie immer so gern von mir, dass wir das richtig machen. Mit dem Sport. Mit der Meditation. Mit der gesunden Ernährung. Mit dem positiven Denken. Ein Restrisiko bleibt, meine ich. Aber auch die Gewissheit, sich niemals Vorwürfe machen zu müssen, denn wir tun alles, was wir tun können.
Wir machen das richtig.

Und dann wandere ich wieder zurück durch den Regen und den Sturm, durch die Lichter am Hafen und durch das Leben.

28.12.2018

Rückblick. Ausblick.

Rückblick.
Wien – Sylt – Travemünde – Zypern – Amsterdam – Myanmar – Travemünde – Sylt – Tibet – Sylt – Travemünde- Zürich – Sylt – Travemünde

14 Reisen in 12 Monaten. Davon 6 Auslandsreisen. Da bin ich jetzt auch etwas baff, als ich meinen Kalender durchblättere.

Montag: Taiji – Dienstag: Meditation (Winter) / Taiji (Sommer)  – Mittwoch: Herzsport – Donnerstag: Geräteraum – Freitag: Schwimmen – Sonntag: Schwimmen/Spaziergehen

6 Tage die Woche Sport und Achtsamkeit, 52 Wochen lang, nach der Arbeit. Es hat Spaß gebracht.

Highlights 2018
Ich stand auf 5200 Metern im Basecamp (Northface) des Mount Everest. Meine Nr. 1 auf der Bucket List. ✔️
Mein erster Gedanke, als ich die Krebsdiagnose hatte, war, dass ich nicht zum Everest gereist bin. Und es jetzt nicht mehr tun kann. Weil es ‚das‘ nun gewesen ist. Ein (wenn nicht sogar DER) mentaler Tiefpunkt im Drama.
Umso wichtiger für mich, genau dieses Abenteuer jetzt angegangen zu sein. Um – was auch immer noch kommen mag – nie wieder den Gedanken haben zu müssen, es nicht gemacht zu haben.
Ein emotionaler Moment, als die Wolken, die über Wochen den Everest verdeckt haben, sich beiseite schoben, am 8. August. Am Tag, an dem er unser Tagesziel war. In dem Moment, als wir vor ihm standen.

Mein Taiji-Lehrer, der mich im Sommer die 19-er Form vorlaufen ließ, um mir dann offiziell zu bestätigen, dass ich sie jetzt laufen kann. Auch das war ein Punkt auf meiner Bucket List. ✔️
Viele wunderbare Taiji-Stunden im verwunschenen Garten des Psychologenhauses mit meinem Lehrer und den Mitschülern.

Dreimal durfte ich dieses Jahr meine Lieblingsband Too Many Zooz live erleben: Amsterdam, Hamburg, Zürich. Jedesmal in der ersten Reihe, jedesmal aufgeregt und glücklich, tanzend und verschwitzt. Ein Foto mit der Band. ❤️ Noch ein ✔️ auf der Bucket List.

Viele schöne Momente im öffentlichen Bad, draußen beim Schwimmen. Den Dunst sehen, der vom Wasser aufsteigt. Das Glitzern der Wasseroberfläche. Die Sonne, die mich zwinkern lässt. Die Bäume, bunt gefärbt. Die klare Luft im Winter. Die Gespräche mit meiner 80-jährigen Schwimmfreundin mit der pinken Badekappe.

Herzerwärmende Momente bei den Herzis. B., die in die Hände klatscht und sich so freut, als ich auf ihren Vorschlag eingehe, einen Vortrag über Tibet zu halten und meine Fotos zu zeigen. Weil Herzis da nicht hinfahren können. H., mit der ich statt in der muffigen Halle in Gedanken im Himalaya unterwegs bin. Dr. A., die immer fröhlich und ansprechbar ist, nicht nur bei Herzproblemen.

Die Wellen und der Wind in Westerland. Die friedliche Stimmung auf der Hafenmole in Travemünde. Der blinkende Leuchtturm. Enlightenment Day of Buddha, zelebriert bei der Shwedagon Pagode in Yangon. Und ich mittendrin in den myanmarischen Festivitäten.

Das Entdecken neuer Lieblingszeitschriften (ein Gesundheitsmagazin und ein Magazin über Psychologie), die ich mir als Reiselektüre im Buchladen auf dem Bahnhof oder am Flughafen kaufe.

Der Gedankenaustausch bei der Meditation mit meinem Lehrer und den Mitschülern. Besonders mit C., die auch letztes Jahr Brustkrebs hatte. Die vielen Äpfel und Birnen aus C.’s Garten und das selbstgemachte Reneklodengelee, welches sie mir mitbringt.

Viele Theater- und Konzertbesuche und Stunden mit Freunden und Familie.

Meine erste Buchveröffentlichung im Dezember! Eine sechsseitige Reisereportage (Auftragsarbeit, nicht zu verwechseln mit dem Logbuch) über die Antarktis wurde in einem Reiseführer veröffentlicht. Darauf bin ich stolz.

Dank der Radiojodtherapie Ende November kann ich viel besser atmen und schlucken und schlafen. Die ersten Blutwerte zeigen, dass die Schilddrüse trotz der heimtückischen radioaktiven Attacke tapfer weiterarbeitet und nicht bockig mit einer Unterfunktion kontert.

Mich neben mich zu setzen und zu fragen: wie geht es Dir? Das tue ich häufig. Ich achte auf mich selbst.

Die Erkenntnis, dass es darum geht, sich selbst zu lieben. (klingt egozentrisch und pathetisch, aber ein liebevoller Umgang mit sich selbst ist lebenswichtig).

Nicht-Highlights 2018
Momente der Angst, wenn mir irgendetwas wehtut, was ich nicht einordnen kann. Rippenschmerzen. Schulterschmerzen. Geschwollener Lymphknoten. Der falsch gelesene Arztbericht der vorstationären Untersuchung der Schilddrüse des großen Krankenhauses. Worte wie Malignität, Thyroid Cancer Guidelines und abklärungsbedürftig lassen meinen Verstand kurzzeitig aussetzen. Die Angst hat einen realen Hintergrund. Deshalb ist sie ok. Und es ist ok, achtsam zu sein. Und – sobald der Verstand wieder durchblitzt – diesen zu nutzen und lösungsorientiert vorzugehen. Das läuft eigentlich ganz gut. Und es sind sehr wenige Momente, in denen ich mich ängstige.

Stress bei der Arbeit. Lösungsvorschläge habe ich bereits erarbeitet. Es liegt ausschliesslich an mir, welchen Weg ich nun einschlagen werde. Wie allerdings schon die Psychologin im Juli 2017 im Sanatorium treffend feststellte – ich bin niemand, der mit einem Sachbearbeiterjob glücklich sein würde. Mein ungebrochener Enthusiasmus und Ehrgeiz machen dem einen Strich durch die Rechnung. Das wird noch interessant in 2019.

Ausblicke und Ziele 2019.
Ich werde am 25. März nachts unter dem Sternenhimmel am See Genezareth stehen.
Und im toten Meer baden.
Im Zodiac um Eisschollen herummanövrieren, während über mir die Nordlichter, die Aurora Borealis, tanzen, irgendwo in Grönland, irgendwo im Schnee.
Ich werde Too Many Zooz auf einem Konzert ihrer Europatournee 2019 zujubeln, in einer Stadt, in der ich noch nicht gewesen bin.
Zu einer britischen Hochzeit nach Cheshire werde ich fahren. Mit Hut.
Viele schöne Stunden mit Taiji und Mediation und beim Schwimmen im Aussenbecken des öffentlichen Bades werde ich erleben. Das steht fest, genauso wie mein Sportprogramm.
Treffen und Lachen mit Freunden und Familie.
Die Stiftung ‚meines‘ Krankenhauses ehrenamtlich unterstützen.
Neue Ziele ausmachen.
Vielleicht doch Trekking zum Basecamp (Nepal/Southface) mit George Hillary (dem Enkel von Sir Edmund Hillary) auf die Bucket List setzen. George Hillary hat ein Everest-post von mir auf Instagram gelikt, ich bin begeistert! (note to myself: auch dort wird es keine sanitären Anlagen geben – und Du hast in Tibet wirklich darunter gelitten! Und wer beim Stiefmütterchenpflanzen schon Rückenprobleme bekommt, der wird nicht tagelang mit Rucksack durchs Gebirge klettern können! tbd with myself)

Gesund bleiben.

Ich freue mich auf 2019.

18.12.2018

Unterwegs.

J. trägt einen grün-seidenen Kimono als er die Tür öffnet. Er ist barfuß. Ich schnaufe. Die  Wohnung liegt im Dachgeschoß eines Altbaus in Eimsbüttel, einen Fahrstuhl gibt es nicht, dafür fünf Stockwerke und eine Wendeltreppe. Zur letzten Meditation des Jahres hat J. uns zu sich nach Hause eingeladen; nach dem Sitzen wollen wir gemeinsam essen. J. führt mich durch die Wohnung, die anders aussieht, als ich es von dem (normalerweise) im Anzug erscheinenden Mitstreiter, der bei einem Flugzeugbauer arbeitet und Meetings mit chinesischen Kunden hat, erwartet habe. Die Zimmer sind mit japanischen Tatami-Matten ausgelegt, auf denen bunte Kissen liegen, eine Klangschale steht vorm Spiegel auf dem Flur. Es gibt unzählige Bücher und Holzkisten.  Frauenportaits aus einem entfernten Jahrhundert hängen museumsgleich an den Wänden, aber auf Oberschenkelhöhe. Jetzt weiß ich, was mich irritiert. In dieser Wohnung gibt es keine Möbel. Kein Bett, kein Kleiderschrank, keine Couch, keine Sitzecken, keine Stühle, keine hohen Tische. Zwei Sitzgelegenheiten ohne Beine und ein Tisch, vor den man sich hinknien kann, stehen im Wohnbereich. Dann passt es auch mit den niedrig hängenden Bildern an den Wänden, denke ich.

C. erscheint, auch sie ist am Schnaufen. Sie streckt mir ein Glas selbstgemachtes Reneklodengelee entgegen, ich habe ihr ein Gesundheitsmagazin mitgebracht. C. hat einen Radiobeitrag eines Arztes über Mikronährstoffe gehört, über den sie sich sofort mit mir austauschen möchte. Ich esse immer das, was mir schmeckt, sagt unser französischer Gastgeber. Er weiß nicht, daß zwei Brustkrebspatientinnen vor ihm stehen, die ihre Ernährung auf den Kopf gestellt haben und sich dienstags nach der Meditation mit Begeisterung darüber austauschen. Wir sind jedenfalls schon gespannt, was es nachher bei unserem Franzosen zu essen geben wird.

Der Gong ertönt, am immer leiser werdenden Ton gleite ich hinab in mein Inneres und fokussiere mich auf den Atem. Mit dem Gongschlag 70 Minuten später kehre ich wieder zurück.

Wir platzieren die bunten Sitzkissen um den niedrigen Tisch, es wird eng mit sechs Personen, aber es geht. J. hat eine Süßkartoffel-Ingwer-Suppe mit frischen Kräutern gekocht. Dazu gibt es einen grünen Salat, leckeres dunkles Brot, Butter, diverse Käsesorten,  vegetarische Brotaufstriche, Mandarinen und grünen Tee. C. und ich sind begeistert, das passt perfekt in unser Ernährungskonzept.

Die Konversation ist locker und anregend; mit R. besuchen wir Meditations-Retreats und reisen nach China, mit N. verfolgen wir das dumpfe Grollen in der Mongolei, das langsam anschwillt und zu einer riesigen Yak-Herde gehört, die um uns herum galoppiert, ich nehme die Gruppe mit in die weiten Hochsteppen des Himalaya zum Teetrinken, derweil unser Bus im reißenden Fluss feststeckt und auf Rettung wartet. Wir besuchen C. in ihrem schönen Garten im Grünen, aus dem sie mir immer Äpfel mitbringt und fahren mit A. und J. nach Japan.

Es ist ein wundervoller Abend, an dem wir gemeinsam durch die Welt und zu uns selbst reisen. Wir schmieden Pläne für’s nächste Jahr. Vielleicht ein gemeinsames Retreat. Vielleicht zusammen C. in ihrem Garten besuchen. Und gemeinsam Schweigen werden wir sowieso.

passend zum post trifft gerade das Rezept ein (evtl geht auch Haferdrink statt Milch – muss ich mal testen)

19.11.2018

Im Krankenhaus.

Nach der Arbeit fahre ich in ‚mein‘ Krankenhaus, ich habe dort einen Termin mit einer Dame aus dem Vorstand der Stiftung. Die Stiftung unterstützt Brustkrebspatientinnen mit interessanten Sportangeboten, Vorträgen über Ernährung oder auch Humangenetik, Gesprächskreisen, Breast Care Nurses, Kühlkappen bei Chemo, Kreativkursen oder auch mit Terminen bei Psychoonkologen.

Wir unterhalten uns sehr angeregt; ich unterbreite einige Vorschläge, wie ich die Stiftung mit ehrenamtlicher Hilfe untersützen könnte. Nach 45 Minuten steht fest: wir werden etwas zusammen auf die Beine stellen.

Mitte Dezember planen wir ein Meeting, an dem auch Ärzte und weitere Vorstandsmitglieder teilnehmen werden.

Ich möchte etwas von der Hilfe, die ich hier bekommen habe, zurückgeben.

18.11.2018

Unterwegs.

Ob ich mich vorher auch so gesund ernährt hätte, fragt mich B., während sie sich etwas von ihrem Bauernfrühstück auf die Gabel füllt. Nein, antworte ich meiner Herzi-Mitstreiterin, aber durch den Schock und den ersten Ernährungsvortrag, den ich mir bereits im Krankenhausbett einen Tag nach der Operation vom Arzt anhören durfte, wurden meine Süchte sofort eingestellt. Ich erinnere mich noch daran, dass ich meine Lieblingsschokolade aus Chile, die ich extra als Trost eingepackt hatte, umgehend in den Mülleimer befördert habe. Ich wusste nicht, dass Krebs sich von Zucker ernährt. Und das Weizenmehlbrötchen mit Salami auch nicht viel gesünder sind.

Ich finde es interessant, daß B. ihre Zeitrechnung auch in ein vorher und ein nachher eingeteilt hat. Was zwischen dem vorher und dem nachher liegt, bleibt unausgesprochen.
Jedenfalls schaue ich sehr bestürzt drein, als unsere Trainerin und ein Herzi nach dem Abendessen in der Wirtschaft zum Rauchen vor die Tür verschwinden. Auch gegen eine Sucht kann man etwas tun, wenn diese nicht durch Schock ausgelöscht wird – wie bei mir, und Schokolade habe ich in der Tat sehr viel gegessen. Ich kasteie mich nun nicht, aber ich bin sehr diszipliniert, ich weiß ja, wofür ich das tue. Ich will leben und das noch möglichst lange und gesund. Also sitze ich heute Abend als Einzige mit einem Salatteller in der Wirtschaft, während die Herzis Rinderroulade und panierte Schnitzel vertilgen.
Zum Nachtisch teile ich mir aber eine Portion Topfenpalatschinken mit Zwetschgen und genieße diesen umso mehr, da dies eine Ausnahme ist, eine sehr leckere, zugegebenermaßen.

Dann krame ich meinen Laptop aus der Tasche. Tische und Stühle werden umhergerückt, denn alle zwölf Herzis wollen nun mit mir durch Tibet reisen. Und danach sogar noch durch die Antarktis; vorausschauenderweise hatte ich den zehnminütigen Film unseres chinesischen Vogelkundlers eingepackt. Es ist ein schöner Abend, hier in der Wirtschaft in Uhlenhorst, hier mit meinen Herzis.

Am Sonntag mache ich mich zu einer zweistündigen Wanderung auf, entlang der Hamburger Kanäle. Eine Gegend, die ich nicht kenne, da ich sonst immer entgegengesetzt in Richtung Aussenalster marschiere. Jugendstilbauten säumen die Finkenau, auf dem Wasser liegen Hausboote und am Kanal umgedrehte Kanus, über die sich das Herbstlaub gelegt hat. Es nieselt.

Zurück zu Hause wärme ich mir die restlichen Vollkornnudeln mit frischen Tomaten und Basilikum auf, zum Nachttisch gibt es ein Vollkornbrot mit Frischkäse und selbstgemachtem Renekloden-Gelee, das mir C., meine Freundin aus der Meditationsrunde, am Dienstag geschenkt hat.

Ein ruhiges Wochenende geht zu Ende, eine spannende Woche liegt vor mir.

16.10.2018

Im Krankenhaus.

Das Handy klingelt. Am Telefon ist die Radiologin, bei der ich vor zehn Minuten in der Nuklearmedizin gewesen bin. Sie hätte bei meinem Hausarzt angerufen, dort habe man zwar meine Blutwerte, die ich auch vorhin dabei gehabt hätte, aber nicht die speziellen Blutwerte, die sie bräuchte. Kein Problem, sage ich, dann gehe ich zu meinem Hausarzt und lasse dort Blut abnehmen. Wenn ich noch nicht allzu weit weg sei, könne ich auch zurück ins Krankenhaus kommen, dann hätten wir das schon mal abgehakt.

Weit gekommen bin ich in der Tat nicht. Ich sitze im Café auf dem Krankenhausgelände in der Sonne. Das Café, in gesunden Grüntönen und hellem Holz gehalten, heißt „Healthy Kitchen“, was mich schon wieder ärgert, da es dort vorrangig Burger, Pizza und Weizenbrötchen mit Wurstaufschnitt gibt. Dabei wollte ich dort frühstücken, wenn ich aus der Nuklearmedizin wieder ‚raus bin. Jetzt bestelle ich nur einen Kaffee.

Dann geht es wieder zurück durch die ganzen Gänge und Treppenhäuser, dieses Krankenhaus ist riesig und korrespondiert nicht mit meinem nicht vorhandenen Orientierungssinn. Die Blutabnahme findet im Liegen statt, nachdem mich die Arzthelferin fragt, ob ich mit dem Blutabnehmen Probleme hätte. Wir könnten es mal so versuchen, antworte ich etwas zögerlich, sie winkt ab und holt eine Krankenbahre. Es wäre ihr heute schon ein Patient umgekippt, das würde ihr langen. Ich halte mich tapfer.

Da ich mit der Radiologin sehr schnell einig ob der preferierten Behandlungsmethode werde, wird nur ein Ultraschall gemacht und zwei vorstationäre und ein stationärer Termin  für den November festgelegt. Dann kann das Projekt „Schilddrüse“ endlich in Angriff genommen werden, nachdem es letztes Jahr in der Prioritätenfolge zurückgefallen ist.

Ich frage, ob die Radiojodtherapie in Kombination mit den ganzen Mammographien und der Strahlentherapie aus dem Vorjahr zu Problemen führen könnte – anders gefragt: wieviel Strahlen kann der Mensch ab? Das könne man leider so nicht pauschal beantworten – da es bei mir aber um Teilstrahlungen ginge, sehe sie diesbezüglich keine weiteren Probleme auf mich zukommen. Ich hätte zwar gedacht, dass man die Strahleneinheiten alle addieren und dann ins Verhältnis zu Alter/Größe/Gewicht/Geschlecht setzen könne, aber das kann man nicht.

Dann bringe ich die zwei Paranüsse zur Sprache, die ich täglich wegen des Selens esse. Die seien ja auch radioaktiv. Der Arzt im Mammazentrum hat beim Vortrag über Mikronährstoffe von denen abgeraten und stattdessen zu Tabletten geraten. Ein Freund, dem ich von den Paranüssen erzählt habe, sei allerdings nicht vom Hocker gekippt. Er ist Radiologe. Die Ärztin lacht, auch sie kippe jetzt nicht vom Hocker, die zwei Paranüsse könne ich weiterhin essen.

Da der stationäre Aufenthalt schon mal eine Woche dauern kann, die man sozusagen in sensorischer Deprivation verbringt (das Zimmer darf nicht verlassen werden, u.U. darf man später über die Station gehen), möchte ich wissen, ob es ein Trimmrad auf dem Zimmer gibt. Gibt es nicht. Keine Sportmöglichkeiten. Aber ich dürfte Terraband, Tube, Ball & Co. gern mitbringen.
Auch eigene Nahrung darf ich mitbringen, auch wenn es vorher noch ein Gespräch gebe, was der Patient essen mag. Da ich mittlerweile ein etwas schwierigerer Fall geworden bin, und meine bisherigen Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte nicht mit meiner jetzigen Ernährung korrespondieren, werde ich Nüsse, frisches Obst und Gemüse einpacken. Sicher ist sicher.

Ich verlasse das Krankenhaus zum zweiten Mal und bin positiv überrascht, daß ich auch hier wieder an wirklich freundliche Ärzte und Assistenten geraten bin.

Nachtrag:
Der blog wird weiterhin vorrangig Fitness, Ernährung, Reisen und andere Bucket-List-Items zum Thema haben. Es werden keine weiteren Krankheiten in den Fokus rücken. Weil ich mich auf das Positive im Leben konzentriere.

14.10.2018

Unterwegs.

Und danach kaufe ich mir ein Croissant für’s Frühstück, sagt meine innere Stimme, als ich mich auf den Weg in den Hafen mache, wo ich mir ein schönes Plätzchen zum Taiji-Üben suchen möchte. Nein, kein Croissant, antworte ich und lasse vorsichtshalber das Geld zuhause. Erstens zeigt die Waage eine Tendenz nach oben, zweitens wird das Wetter wieder wunderbar, da werde ich mir eventuell später ein Eis gönnen wollen. Eine kleine Sünde ist ok, zwei gestatte ich mir nicht.

Im Hafen sind nur eine Handvoll Angler um den Ponton verteilt, sonst ist es ruhig zu dieser frühen Stunde. Der Himmel ist leuchtend blau, die Elbe glitzert, an den Kaimauern wuchert es grün. Ich atme tief durch und beginne mit der 19er-Form.

Gestern Abend Treffen mit Freunden. Wir sitzen im Kerzenschein auf dem Balkon, den Blick gerichtet in den dunklen Garten und die weißen Jugendstilhäuser um uns herum. Es ist warm, so warm, als säßen wir in einer lauen Sommernacht, es mutet skurril an, Mitte Oktober, hier in Hamburg. Ab und an zwitschert ein Vogel, wir lachen, essen kleine Köstlichkeiten und trinken Rosé. Der Co-Gastgeber ist gebrieft und schenkt mir immer nur ganz wenig nach – so habe ich am Ende des Abends vielleicht ein Glas Wein getrunken, auch wenn es ausschaut, als hätte ich mehrere Gläser gehabt. Das gefällt mir, so mache ich nicht den Eindruck einer Spaßbremse und habe den ganzen Abend ein leicht gefülltes Glas in der Hand.

Da der Oktober ja als Brustkrebsmonat deklariert wird, habe ich es endlich vollbracht und einen Gastartikel für die liebe Nicole und ihre tolle Website https://www.prinzessin-uffm-bersch.de geschrieben (https://www.prinzessin-uffm-bersch.de/2018/10/07/der-feind-in-mir/).  Nicole, die einen Sohn mit schwerer Mehrfachbehinderung hat,  erkrankte 2010 an Brustkrebs. Heute arbeitet sie wieder und begleitet außerdem Menschen im Hospiz auf ihrem letzten Weg. Auf ihrer Website gibt es viele gute Tipps für Betroffene und Angehörige und ganz viel Mut und Hoffnung zu finden.
Das erinnert mich daran, daß auch ich mir vorgenommen habe, ehrenamtlich tätig zu werden um etwas von der Hilfe, die ich erfahren habe, zurückzugeben.

4.10.2018

Zuhause.

Das habe ich noch nie gemacht, denke ich. Langzeitplanung. Weder vor dem Drama noch nach dem Drama. Das ist übrigens meine Zeitrechnung: es gibt ein ‚vorher‘ (bis 21.3.2017) und ein ‚danach‘ (ab 22.3.2017 – Tag der OP). Danach habe ich in extrem kurzen Zeiträumen geplant: spontan das nächste Wochende nach Sylt oder Wien oder nach Edinburgh und Amsterdam, die Antarktis habe ich im September gebucht und bin zwei Monate später losgereist. So ganz habe ich dem Frieden, dass der Feind fernbleibt, nicht getraut.

Und nun habe ich ein wunderbares Abenteuer für den September 2019 gebucht. Langzeitplanung. Ich denke, dass das ein gutes Zeichen ist.

18.9.2018

Unterwegs.

Mein Taiji-Lehrer sitzt auf dem Gartenstuhl und schaut mich an. Ich warte ja noch auf etwas von ihm, stellt er fest. Das stimmt, antworte ich.

Er weiß von meiner Bucket List, auf der, irgendwo zwischen Everest und Antarktis, steht, daß ich die 19er Form fehlerfrei laufen können möchte.

Dann möge ich jetzt mein bestes geben und ihm die Form vorlaufen, fährt er fort. Ich atme tief durch, gehe in die Vorbereitungsstellung und beginne: Buddhas Wächter tritt aus dem Tempel… Eine kleine Stand-Korrektur bei einer Figur, den Rest laufe ich durch. Circa fünf Minuten später stehe ich wieder auf der Ausgangsposition, diesmal in der Endhaltung. R. erhebt sich, streckt mir die Ghettofaust entgegen, lobt mein Durchhaltevermögen und bestätigt mir offiziell, daß ich die 19er Form laufen kann. A tick on my bucket list ✔️. Ich freue mich sehr, ab jetzt folgt das finetuning.

Meine Mitstreiter – P. und R. üben die 38er, C. und I. die 75er – sind im Nachbargarten.

C., die auch letztes Jahr Brustkrebs hatte, hat mir vorhin eine SMS geschickt, ob ich heute zum Taiji kommen würde. Nun hält sie mir eine große Tüte mit frisch gepflückten Äpfeln aus ihrem Garten hin. Sie sind ungespritzt und duften. Wieder bin ich dankbar, daß ich hier bin, hier in dem verwunschenen Garten des Psychologenhauses, hier in der Dämmerung eines spätsommerlichen Abends, hier umgeben von wunderbaren Menschen, hier mit einer Tüte Äpfeln in der Hand und dem Wissen, einen weiteren Punkt auf meiner Liste abhaken zu können.

Das Leben ist schön.

6.9.2018

Unterwegs.

Nächste Woche bringt ihr bitte Eure Kalender mit, ruft die Trainerin. Soeben habe ich verkündet, dass einige Herzis sich einen Tibetvortrag gewünscht haben. Auch unsere Trainerin möchte dabei sein, da sie aber mittwochs nach dem Herzsport noch die Prellballgruppe betreut, müssen wir einen anderen Termin suchen. Heute sind die aktiven Herzis zusammengeschrumpft: T. sitzt auf der Bank mit einer Zerrung im Fuß, H., die kleine alte Dame sitzt mit einem Spinalkanalproblem neben ihm. Auch Dr. A. hat sich zu den beiden gesellt und berät. M., der sonst immer schnaufend auf der Bank saß, ist in eine andere Gruppe gewechselt, bei der man nicht soviel laufen muss. S. möchte in eine Lungensport-Gruppe wechseln, er bekommt schlecht Luft. B. und C. sind heute auf einer Demonstration. Somit sind wir nur noch vier Sportsfreunde, die die Halle zum Federballspielen der Länge nach nutzen können. Später frage ich H., wie es ihr ginge. Nicht gut, antwortet sie. Sie bekomme jetzt Spritzen gegen die Schmerzen, die Ärzte möchten nicht operieren, da sie schon einmal eine Rücken-OP hatte und außerdem alt sei. Sie ist wütend auf ihren nicht mehr funktionierenden Körper; es fiele ihr immer schwerer, zum Chor oder ins Theater zu gehen oder gar Fahrrad zu fahren. Und so ein Schicksal der im Kopf fitten und immer interessierten H., die  in den 70ern zum Trekking mit dem Alpenverein im Himalaya war. Ich hoffe, daß auch sie zum Tibet-Vortrag kommen wird.

Einen Abend vorher war ich mit C. an der Außenalster. Sie sieht aus wie immer, auch wenn wir uns ewig nicht gesehen haben. Auch ich hätte mich nicht verändert, sagt C. Man würde uns auch nicht ansehen, was uns heute Abend nach so langer Zeit zusammengeführt hat. C. erzählt von ihrer Familie, den Reisen in die USA, daß sie so gern noch Australien sehen würde und was sie mit den Töchtern noch erleben möchte. Die Abiturabschlüsse miterleben. Oder den ersten Freund. Und sie erzählt vom Krebs, der zurückgekommen ist. Und nicht mehr gehen wird. Von den Schmerzen. Von der Angst, vielleicht doch nicht mehr soviel zu erleben, wie sie gern möchte. Ich erzähle von der Arbeit, meinen Reisen in die Antarktis und zum Everest und meinem Sport- und Ernährungsprogramm. Sie lobt meine Disziplin und bereut, dass sie nicht ganz so konsequent war. Trotz der düsteren Gemeinsamkeit, die uns heute zusammengebracht hat, ist es ein sehr schöner und intensiver Abend. Außerdem haben wir mit einem Glas Sekt angestoßen. Auf uns. Und auf das Leben.

29.8.2018

Unterwegs.

Ich stehe in der alten Turnhalle des Sportvereins und bin gerührt: P. klatscht begeistert in die Hände, als ich das Thema Fotovortrag Tibet anspreche, um den sie mich letzte Woche gebeten hatte. Auch M. und B. möchten dabei sein und mehr über das Land in weiter Ferne, das sie aufgrund ihrer Herzprobleme nie selbst besuchen können, erfahren. Dr. A., die ich sehr gerne mag, und die auch immer am Reisen ist, hat auch Interesse. Nächste Woche werde ich das Thema offiziell in der Runde ansprechen, heute habe ich das zwischen dem ganzen Pulsen und den bunten Pezzibällen verbaselt. Wenn ich schon nicht an Souvenirs für die Herzis gedacht habe, dann gibt es nun wenigstens eine Reisereportage nach einer unserer nächsten Sportstunden.

Ich sitze auf der Bank an der Bushaltestelle neben mir und beobachte mich. Heute Mittag war ich mit S., einem Freund und ehemaligen Kollegen, in einer karibischen Salatbar. S. ist mit C. verheiratet, auch sie ist eine ehemalige Kollegin, wir drei haben zusammen gelernt. S. hat mir vor zwei Jahren erzählt, dass C. vor einigen Jahren Brustkrebs hatte. Heute erzählt er mir, dass der Krebs zurückgekommen ist. Knochenmetastasen. Metastasierender Brustkrebs ist unheilbar. Das weiß ich. S. weiß das natürlich auch. Zurückgezogen haben sie sich, sie leben glücklich mit den beiden Töchtern im Teenager-Alter, ab und an gingen sie in ein Restaurant, und sie fahren in Urlaub. Gesellschaften geben sie schon lange nicht mehr. Ich erzähle S., warum ich gerade jetzt etwas außergewöhnliche Reisen mache. Ich erzähle ihm von meiner Bucket List und davon, dass auch ich letztes Jahr Brustkrebs hatte. Und das wir jetzt leben. Nicht gestern und nicht morgen.
Auch S. würde gern zum Everest, am liebsten bis zur Spitze. Aber er fahre mit der Familie in die USA. Das sei auch sehr schön.
Später sende ich ihm eine Nachricht; wenn C. mal mit einer „Artgenossin“ reden möchte, könne sie mich kontaktieren. Ein paar Minuten später werden mir liebe Grüße ausgerichtet und C.’s Handynummer geschickt.
Ich sitze auf der Bank neben mir und beobachte mich.
Was macht die Nachricht von C.’s Wiedererkrankung mit mir? Sie lässt mich innehalten, stimmt nachdenklich und traurig und zeigt mir wieder auf, wie fragil das Leben und wie wertvoll der Moment ist.
Angst macht mir die Nachricht nicht, nicht auf mich bezogen. Ich werde C. diese Woche kontaktieren. Vielleicht freut sie sich. Vielleicht hilft ihr das. Vielleicht hilft mir das auch, auf die eine oder andere Weise.

Ich stehe im verwunschenen Garten des Psychologenhauses und bin ein bißchen stolz. Und glücklich. Wir sind nur drei Schüler, meine Mitstreiter sind schon viele Jahre beim Taijiquan, sie möchten in der (schwierigen) 38er Form weiterkommen. Ich „kann“ nur die 19er Form. Aber heute darf ich das erste Mal bei einer anderen Form mitmachen.

Ich komme nach Hause und schaue in den Briefkasten. Es ist eine Karte angekommen. Vom Nordpol. Vom Schiff, mit dem ich in der Antarktis war.
Es wird Zeit, die nächsten Ziele zu planen.

23.8.2018

Unterwegs.

Das Pulsen fällt heute aus, ruft unsere Trainerin. Dafür erzählt uns C. von ihrer Reise nach Tibet!
Um es kurz zu machen, sage ich, ich habe mein Ziel erreicht: ich stand im Basecamp auf 5200m vorm Mount Everest. Dann ergänze ich doch noch etwas mehr, denn die Herzis sind nicht nur sehr interessiert, sondern freuen sich augenscheinlich, daß ich wieder zurück bin. Und beim Aufwärmen dürft ihr C. noch weiter mit Fragen löchern, sagt die Trainerin, und wir laufen armrudernd und mit Tischtennisschlägern und Bällen bewaffnet durch die alte muffige Halle des Sportvereins. Ich beantworte unterwegs noch die Fragen meiner Sportsfreunde.

Schade, dass H. nicht da ist, die hätte das auch sehr interessiert, sagt P.
H., die kleine alte Dame mit den vergnügten Augen, war in den 70ern dreimal im Himalaya und am Everest unterwegs – allerdings Trekking über mehrere Wochen mit dem Alpenverein – das ist nochmal eine ganz andere Hausnummer. Schon öfters haben wir uns darüber unterhalten, genauso wie über unsere Abenteuer in der chilenischen Atacama-Wüste, die wir auch beide bereist haben.

Die Hälfte des Aufwärmtrainings verbringe ich allerdings auf der Bank, denn auch Dr. A. ist neugierig und möchte einiges über die Reise wissen.

Ob ich nicht mal einen Vortragsabend machen könne, über meine ganzen Reisen, fragt mich P. Grundsätzlich könne ich das, wenn Interesse bestünde, antworte ich. Ob ich eine Gebetsfahne mitgebracht hätte, fragt die Trainerin. Das habe ich. Und was ich mir noch mitgebracht hätte, möchte P. wissen. Eine Klangschale, erzähle ich und bereue in diesem Moment, dass ich zwar Glücksbringer für meine Meditationsrunde mitgebracht habe, aber gar nichts für die Herzis.

Und wie ich das mit meinem Herz gemacht hätte, fragt P. wieder. Ob es besondere Medikamente gäbe? Ich schaue irritiert, aber verstehe dann, was sie meint, schliesslich bin ich bei den Herzis. Mein Herz ist gesund, sage ich. Ich bin in der Herzsportgruppe, weil Dr. A. mich netterweise aufgenommen hat, da sie der Meinung ist, dass Krebssportgruppen nichts für mich sind. Ich hatte Krebs.
Und dann verstehe ich die anrührende Begeisterung und die vielen lebhaften Fragen der Anderen:  Herzis können nicht nach Tibet reisen.

Note to myself: bei der nächsten Reise unbedingt an Mitbringsel für die Herzis denken.

28.7.2018

Unterwegs.

Life is now. Live your dreams. Das klingt genauso kitschig – aber auch genauso gewaltig – wie mein Wunsch, einmal ins Ewige Eis zu reisen. Oder vorm Mount Everest zu stehen. Dort, wo die Bergsteiger sich auf den Weg zur Spitze aufmachen.

Die Drakepassage im Sturm habe ich im letzten Jahr durchquert, um an das Ende der Welt zu gelangen und den siebten Kontinent zu betreten. Nun werde ich ins Himalaya reisen. Und im Basecamp auf 5150 Metern Höhe zum höchsten Berg der Welt aufsehen.

Ich bin dem Drama vom letzten Jahr dankbar, das mir gezeigt hat, dass mein Leben endlich ist. Wer weiß, ob ich sonst jemals meine Träume hätte Wirklichkeit werden lassen.

19.6.2018

Unterwegs / Im Krankenhaus.

Wenn K. an den Landungsbrücken mit einem Blumenstrauß vor mir steht und zu weinen anfängt.
Wenn ich gerührt darauf hinweise, daß ich am Leben und gesund und munter bin.
Wenn die portugiesischen Kellner in der Tapas-Bar die Hand auf’s Herz legen und ihre Nationalhymne mitsingen.
Wenn die Leinwand einen blauen Warnhinweis anzeigt, daß in 10 Sekunden das Bild ausfällt.
Wenn alle Gäste laut bis 0 ‚runterzählen und das Bild weg ist.
Wenn die Kellnerin auf unseren Tisch klettert um das Gerät wieder in Gang zu bringen.
Wenn die Iraner mit beflaggten Autos durch das Portugiesenviertel fahren.
Wenn wir uns mit den Portugiesen freuen.

Wenn H. beim Taiji sagt, daß sie den Unterricht so wunderbar findet und sie glücklich macht.
Wenn ich ihr zustimme.

Wenn ich mir Sorgen mache, da ich meine, einen neuen Knoten zu spüren. Sicher bin ich mir nicht.
Wenn ich im Krankenhaus zur Nachsorge bin und die Ärztin Entwarnung gibt.
Wenn ich den nächsten Doppeltermin im Krankenhaus für den September abmache.

Wenn ich danach zum Schwimmen gehe, da das Bad nur 5 Minuten entfernt liegt.
Wenn es regnet und die Sonne nicht strahlt aber ich strahle, weil ich so fröhlich bin. Und erleichtert.

Wenn ich nachher – wie nach jedem Nachsorge-Termin – wieder an die Elbe gehen und ein Glas Sekt trinken werde.

Wenn wir leben.

12.6.2018

Unterwegs.

G. huscht um die Rhododendronbüsche, ihre lila Haarsträhnen flattern im Wind. Die russische Künstlerin ist spät dran. Ich winke ihr aus der Stretchübung heraus zu. Auch R., T. und C., mit der ich das Schicksal Brustkrebs teile, stehen im Halbkreis um unseren Lehrer. Über uns hängen schwere graue Wolken, die Hitze der letzten Tage ist einer kühlen Brise gewichen. Solange es aber über 0 Grad sind und es nicht regnet, trainieren wir draußen im Garten.

G. und ich wechseln mit unserem Lehrer in den Nachbargarten und vertiefen die Übergänge zwischen den einzelnen Formen. Unsere Mitstreiter bleiben jenseits der Hecke, sie haben sich die 75-er Form gewünscht.

Nach knapp zwei Stunden gehen wir rüber um uns zu verabschieden. C. ruft, ich solle warten, sie habe mir etwas mitgebracht. Sie streckt mir ein Glas entgegen: selbstgemachtes Holunderblütengelee aus eigener Ernte. Ich freue mich.

Wir schlendern zusammen zum Bahnhof, G. möchte gerne mit zum Schwimmen kommen, können tue sie es allerdings nicht sehr gut. Ich versichere ihr, dass man auch im Aussenbecken stehen kann, wir halten locker den Sonntagabend fest. C. möchte sich noch etwas über Ernährung unterhalten, dann verabschieden wir uns.

Zuhause wartet meine Sonderaufgabe, das Blutdruckmessen. Ich habe das Unterfangen nach bereits einem Tag auf zwei Messungen – morgens und abends – reduziert, zur Arbeit nehme ich das Gerät sicher nicht mit. Und überhaupt passt der Blutdruck nicht zu mir, denn er ist wankelmütig. Der obere Wert schwankt zwischen 145 und 90, wirklich stimmen kann das nicht, auch wenn ich mich strikt an die Anleitung halte und das Gerät nur einen Knopf hat. Ich beschließe, dieses Projekt nicht überzubewerten und es nächste Woche beim Nachsorgetermin im Krankenhaus anzusprechen.

4.6.2018

Beim Hausarzt.

Das erste Mal seit Jahren habe ich top Cholesterinwerte. Normalerweise liegen die immer viel zu hoch; nur aufgrund der Tatsache, dass alle anderen Blutwerte gut sind, war das nie ein Problem. Wie ich das gemacht hätte, möchte mein Hausarzt wissen. Ernährungsumstellung, antworte ich stolz und berichte, was ich seit einem Jahr esse und was nicht mehr. Er ist begeistert. Dann könnten wir das Thema zu-hohe-Cholesterinwerte abhaken. Im Gegenzug nehmen wir das Thema Vitamin D-Mangel auf, aber das hätten sehr viele Menschen, und die Tabletten wurden mir schon von der Orthopädin verschrieben. Er korrigiert die Dosis.

Das Belastungs-EKG zeigt auf, dass mein Herz fit ist – gut für Tibet! – mein Puls und mein erhöhter Blutdruck würden allerdings zu schnell ansteigen. Ob ich keinen Sport machen würde? Keinen Sport machen? Was für ein Affront! Ich bin fast empört und stelle fest, dass ich 5-6 Mal die Woche trainiere; zwar nicht für Olympia, aber moderat.

Mir wird ein Blutdruckmessgerät verschrieben, ich solle einen Monat drei Mal täglich messen und dann mit der Auswertung wiederkommen. Oder – noch besser – mein Arzt springt auf – was ich von einer 24-stündigen Überwachung halten würde, das Gerät würde automatisch alle 30 Minuten messen. Davon halte ich gar nichts, antworte ich, da mir Lymphknoten entfernt wurden und das zu Ödemen führen könne. Dann der andere Arm, meint mein Arzt, er lässt nicht locker. Ich erinnere ihn daran, dass ich beidseitig Brustkrebs hatte, und somit kein gesunder Arm für diese Aktion zur Verfügung stünde. Das versteht er, auch wenn ich das Gefühl habe, dass er das Drama Brustkrebs nur allzugern verdrängt. Schon vor 14 Tagen musste ich ihn darauf hinweisen, dass ich in der Tat regelmässig Medikamente einnehme, was eigentlich auch keine Neuigkeit für ihn sein dürfte. Aber es beruhigt ihn, dass ich regelmässig ins Krankenhaus zur Nachsorge gehe, in zwei Wochen ist der nächste Termin. Mich beruhigt das auch, da ich manchmal unsicher bin, auch wenn mein Verstand sagt, dass nichts sein dürfte.

Wir unterhalten uns noch etwas über gesunde Ernährung, dann wünscht er mir enthusiastisch eine gute Reise, ich gebe es auf zu sagen, dass wir uns wohl vorher nochmal sehen werden (Blutdruckaktionsmonat), aber heute war ein turbulenter Tag in der Praxis, das hat schon die medizinische Assistenz verlauten lassen.

In der Apotheke nebenan gebe ich mein Rezept ab; nach den T-Impfungen für Tibet (Tetanus-Typhus-Tollwut) kann das Projekt „vier Wochen Blutdruck-Überwachung“ demnächst starten.

17.5.2018

Unterwegs.

Die Dämmerung setzt ein. Wir sitzen auf der Mauer, lassen die Beine baumeln, sprechen über Gott und die Welt und schauen auf die Lichter des Travemünder Hafens, die das Wasser in ein warmes gelbes Licht eintauchen lassen.

Davor waren mein Freund O. und ich am Yachthafen in einem kleinen Restaurant, saßen im Strandkorb und haben Spargel gegessen.

Auszeit am Meer. Auszeit vom Stress im Büro. Auszeit von vermehrten Arztbesuchen: Impfungen, Knochendichtemessungen, EKG, Blutwertecheck, es folgt noch ein Belastungs-EKG, mein Blutdruck ist leicht erhöht.

Aber hier, im Strandkorb und der klaren Seeluft, komme ich zur Ruhe.

10.5.2018

Unterwegs.

Ich höre die Stille. Die große Sporthalle, in der sonst immer die kleinen Kinder in ihren Fechtausrüstungen trainieren, ist leer. Sonnenstrahlen huschen über den Holzboden, Staubkörner tanzen im Licht. Auch die Gruppe der Herzis ist heute stark reduziert, wir sind nur zu fünft plus eine Ersatztrainerin und Doktor A. Dann können wir Tischtennis spielen, rufe ich. Das geht nur, wenn wir eine kleine Gruppe sind. Die Trainerin stimmt zu. M., mein Federballpartner und ich, geben uns Zeichen. Matchtime.

Doch vorher wärmen wir uns auf, eine gute Gelegenheit, um mit H., der alten weißhaarigen Dame zu plaudern, die früher im Alpenverein und in den Siebzigern drei Mal zum Trekken am Mount Everest war. Sie beklagt sich über ihre schmerzenden Knie, und überhaupt sei sie nicht mehr so fit. Ich werfe ein, dass sie zum Herzsport mit dem Fahrrad komme, zum Chor und ins Theater gehe sowie eine Spielgruppe besuche. Und zum Square Dance ginge sie auch, fügt sie noch hinzu. Vielleicht sollten wir akzeptieren, dass wir keine zwanzig mehr sind, sage ich vorsichtig. Das sage ihr Arzt auch, aber einsehen tue sie das nicht. Früher war das besser, wo sie noch in den USA gelebt und Jugendgruppen geleitet hat. Ich mag H. sehr gern und das, was sie schon alles in ihrem Leben gemacht hat und immer noch macht. Auch wenn sie sagt, sie werde langsam müde.

M. und ich einigen uns auf Punktspiele. Ich verliere drei Runden obwohl ich mich anstrenge und schwitze. Das nächste Mal spielen wir wieder Federball, tröstet mich M.

***

Am Donnerstag fülle ich zum zweiten Mal den vierseitigen Antrag für’s Chinavisum aus. Das erste Mal habe ich die Formulare falsch ausgefüllt, da ich die Anleitung zum Ausfüllen ignoriert habe. Diesmal gebe ich mir mehr Mühe und halte mich an die Vorgaben. Nur bei einem Feld bekomme ich Probleme, der Platz reicht nicht aus; führen Sie auf, wann und wo Sie in den letzten 12 Monaten im Ausland waren: Österreich, UK, Argentinien, Antarktis, Österreich (again), Zypern, Niederlande, Myanmar.
Zwei Reisen nach Sylt, einige Reisen an die Ostsee und ein Ausflug nach Berlin kommen noch dazu.
Eine ganze Menge an Reisen, trotz des Brustkrebs-Dramas, das mich letztes Jahr zeitweilig ausser Gefecht gesetzt hat. Oder wegen des Dramas?  Ich stecke den Visumsantrag in den Umschlag. Tibet – der nächste Meilenstein meiner Bucket-List.

27.3.2018

Im Krankenhaus.

Beidseitig, sage ich. Die Dame an der Rezeption schaut auf. Ich kenne diese Reaktion schon. Auch die medizinische Assistentin ist irritiert und fragt nach, ob eine beidseitige Mammographie gemacht werden soll. Das mache Sinn, antworte ich, und frage mich, ob man die Überweisung und den von mir ausgefüllten Fragebogen nicht angeschaut hat. Beidseitig Brustkrebs. Beidseitige Mammographie. Danach geht es zur Radiologin zum Ultraschall: die zwei kleinen Knoten sind auszumachen, die sich schon seit der Strahlentherapie im linken Narbengebiet befinden und ungefährlich sind. Es ist alles ok. Wer denn operiert habe, fragt sie noch, auf der rechten Seite sei keine Operationsnarbe auszumachen – dabei habe ich dort sogar zwei Narben. Das fände ich auch ziemlich cool, dass man dort nichts sehen könne, Prof. Dr. M. werde ich ewig dankbar sein. Nicht nur ob des guten OP-Ergebnisses, sondern vor allem für die richtigen Worte im richtigen Moment.

Vom Erdgeschoss gehts in die Dachstube zum nächsten Termin, diesmal bei der Gynäkologin.
Zum ersten Mal registriere ich, obwohl ich schon so oft hier war, dass man vom Wartezimmer auf den neuen Teil des Gebäudes schaut: eine Ärztin sitzt am Schreibtisch, eine Frau mit Mütze ist beim Arztgespräch, zwei weitere Frauen bekommen gerade ihre Chemo mit Kühlkappe. Ich sehe sie nur aus der Ferne, bin ihnen aber emotional sehr nah: ich fühle mit ihnen, und gleichzeitig bin ich dankbar, dass ich mit zwei blauen Augen davongekommen bin.

Frau Dr. Z. kommt ins Wartezimmer und holt mich ab. Wer schon so früh aus der Radiologie zurück ist, der komme hier auch gleich früher dran. Sie untersucht mich nochmal sehr genau, freut sich mit mir über die Ergebnisse und die gute Optik, um dann ungläubig zu schauen. Das Basecamp sei aber sehr hoch gelegen, sagt sie, als ich ihr erzähle, dass ich jetzt mehrere Asienreisen vor mir habe und nicht sicher sei, wie ich mit der Tamoxifen-Einnahme verfahre, sollte es Magenbeschwerden oder Übelkeit geben (Antwort: einfach weiter einnehmen). Ich erkläre zum x-ten Mal, dass ich nicht klettern werde und es ja eine Akklimatisierung in Lhasa gebe – allerdings läge das auch schon auf 3.600m. Aber ich jetzt alles mache, was ich machen möchte. Vermutlich bin ich etwas extrem mit Reisen in die Antarktis und zum Everest, aber es ist das, was ich will.

Wir legen den nächsten Nachsorge-Termin zwischen die beiden anstehenden Asienreisen, dann mache ich mich auf ins Schwimmbad. Ich ziehe draußen meine Bahnen, bin dankbar und fröhlich, schenke mir unterwegs noch einen Blumenstrauss und beschliesse, den Nachmittag mit einem Prosecco an der Elbe zu verbringen, bevor ich dann angeheitert zur Meditation gehen werde.

1 Jahr und 5 Tage krebsfrei. Das Leben ist schön.

25.3.2018

Unterwegs.

Mo: Taiji ✔️

Di: Stretching & Meditation ✔️

Mi: Tube & Badminton ✔️

Do: Fitnessraum ✔️

Fr: Outdoor-Schwimmen ✔️

…und ein Kurzhaarschnitt… 💇🏻‍♀️

Diesen Dienstag habe ich einen Doppelnachsorgetermin: Radiologe und Gyn im Mammazentrum. Ich habe mir freigenommen. Und bin gelassen.

9.3.2018

Unterwegs.

Ich mag den Flughafen Wien-Schwechat, stelle ich wieder einmal fest, als ich dort am Abend zwischenlande. Ich mag die schwarzen Sitzkuben an den Gates. Ich mag den kleinen Stand, an dem es frische Ananas und dunkle Körnerbrötchen gibt. Ich mag es, dass man dort für die österreichischen Schwestern im Herzen spenden kann.

22.2.2018

Heute vor einem Jahr.

Heute vor einem Jahr sitze ich um 8.45h in der Praxis einer nervösen Gynäkologin.

Heute vor einem Jahr werde ich nach einer Untersuchung ohne viel Worte wieder ins Wartezimmer geschickt, mit einer Überweisung zum Radiologen in der Hand. Auf der Überweisung lese ich „Verdacht auf Mammakarzinom“.

Heute vor einem Jahr wird mir die Überweisung nach ein paar Minuten wieder weggenommen und durch eine andere ersetzt, auf der „Suspekter Tumor“ steht.

Heute vor einem Jahr stehe ich fassungslos vor einer Praxis, langsam realisierend, was die Worte der ersten Überweisung bedeuten.

Heute vor einem Jahr sitze ich weinend beim Bäcker neben der Praxis.
Heute vor einem Jahr fahre ich statt ins Büro nach Hause. Bus, Bahn oder Taxi – ich kann mich nicht erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin.

Heute vor einem Jahr habe ich „Brustkrebs“ gegoogelt. Und mir nach fürchterlichen Bildern und den mir ins Auge springenden Worten Tod, Schmerz, Lebenserwartung das googeln verboten.

Heute vor einem Jahr bin ich der Meinung, dass ich nur noch zwei bis drei Wochen zu leben habe. Eine fixe Idee, die sich festgesetzt hat. Eine fixe Idee, die mir Todesangst macht.

Heute vor einem Jahr sehe ich vor meinem inneren Auge meine Tante, die an Brustkrebs gestorben ist. Wie schön, dass ich Dich noch einmal sehe, sagt sie auf einem Familientreffen, bereits vom Tod gezeichnet.

Heute vor einem Jahr brechen existenzielle Fragen über mich herein, die ich nicht zu meiner Zufriedenheit beantworten kann.
War es das schon?
Kann das wirklich alles gewesen sein?
Hast Du das gemacht, was Du in Deinem Leben machen wolltest?
Was wird bleiben?

Heute vor einem Jahr erkläre ich der Internistin, dass sie mich nicht ins Krankenhaus zur Schilddrüsen-OP überweisen kann, da mir etwas dazwischengekommen sei. Heute vor einem Jahr breche ich weinend bei der Internistin zusammen.

Heute vor einem Jahr hat mir die gynäkologische Praxis einen Termin beim Radiologen abgemacht, bei dem ich eine Woche später vorstellig bin – um festzustellen, dass man mir den Termin bei einem anderen Radiologen abgemacht hat. Den Zettel mit der Adresse, den mir die Praxis doch mitgegeben hatte, halte ich in der Hand. Ich bin verzweifelt.

Heute vor einem Jahr habe ich eine Woche durchgeweint.

Heute vor einem Jahr ist die Welt schwarz.

Heute vor einem Jahr hat sich vieles verändert.
Zum Guten.

14.2.2018

Unterwegs.

Ich gehe die Treppe des Rotklinkerhauses hoch und biege in den Gang mit den gelbgestrichenen Wänden ab. Rechts ist das Badezimmer, daneben der Aufenthaltsraum mit der Bücherwand, auf der anderen Seite liegen das Schwestern- und die Patientenzimmer. Hier habe ich vor knapp einem Jahr gelegen, sage ich zu C. und zeige auf eine Tür, hinter der jetzt drei andere Frauen liegen. Flashback. Wir gehen weiter durch eine Glastür und stehen kurze Zeit später im Konferenzraum des Krankenhauses.

C. aus meiner Meditationsrunde und ich besuchen heute einen Vortrag über Ernährung bei Brustkrebs. Dr. K., der bei mir die Stanzbiopsien vorgenommen hat und seine TCM-Kollegin erläutern in zwei Stunden, was gut ist und was nicht. Einer Meinung sind sie nicht immer, und auch meine Infos der Humangenetiker und der Reha-Ernährungsvorträge weichen in einigen Punkten ab. Trotzdem ist es sehr lehrreich, C. und ich nicken uns öfters bestätigend zu, denn wir stellen fest, dass wir gut aufgestellt sind. Auch die Wichtigkeit des regelmässigen Sports wird wieder mal erwähnt. Ich merke mir nicht die ganzen Begründungen, wieso was gesund ist oder auch nicht, und zum Teil hängt das auch davon ab, ob man es mit einem triple negativ Karzinom oder einem hormonrezeptorpositiven Tumor zu tun hat.

Ich notiere für mich als gut:

Birkenzucker/Xylit, Pure Encapsulation (Vitamin D), Sesam, Weizengras, Hummus, Tahini, Zwiebelschmalz, Weintrauben mit Kernen, Blaubeeren, Auberginen, Granatapfel mit Kernen, Maitake, Shitake-Pilze, Rosenkohl, Nüsse, Haferflocken, Chinoa, Amaranth, Kurkuma, Brokkoli, Brennesselextrakt, Mango, Ananas, Papaya, grüner Tee (aber nicht zur Tamoxifen-Einnahme).

Nicht gut:

Zucker generell, Sojajoghurt, Soja, Käse, Kuhmilch, Ginseng, Fisch, Schalentiere (es sei denn man mag Plastik und Schwermetalle), Leitungswasser, Wasser aus Plastikflaschen, Glukose-Fruktose-Sirup (auch im Brandt-Zwieback enthalten), Wurst, Fleisch.

Da wir so etwas wie ein Fachpublikum sind, brauchen Süssigkeiten, Chips, Frühstücksspeck oder Fertigprodukte nicht erwähnt werden.

Ok sei ein Glas Wein, Dr. K. fängt an von Spaghetti mit Parmesan zu schwärmen, mittlerweile ist es 19.15h, und ich bekomme Hunger. Zuhause mache ich mir Vollkornnudeln mit Tomaten und Basilikum, Parmesan hätte ich gern, habe ich aber nicht. Ich packe die Sporttasche. Morgen nach der Arbeit steht wieder der Fitnessraum auf dem Programm.

11.2.2018

Unterwegs.

Ich sei mir nicht sicher, ob er sich an mich erinnern könne, aber er habe mir vor knapp einem Jahr das Leben gerettet. Prof. Dr. M. kommt strahlend auf mich zu und gibt mir die Hand. Natürlich könne er sich an mich erinnern, antwortet er. Und er hätte ja nur etwas geholfen, mein Leben zu retten. Ich sähe gut aus, fügt er hinzu und schaut mich an. Ich erzähle ihm von meinen Lebens-Optimierungsmaßnahmen, der Ernährungsumstellung, dem Sportprogramm und der Arbeitszeitreduzierung. Sie werden gesund bleiben, meint er. Ich freue mich. Wir unterhalten uns noch etwas,  und zum Abschied sagt Prof. Dr. M., dass ich, sollte etwas sein, mich jederzeit bei ihm melden könne.

U., meine Schwester im Herzen, die ich in der Reha kennen gelernt habe, und ich sind heute beim Informationstag Brustkrebs Hamburg 2018, der von unserem Krankenhaus veranstaltet wird. Mit circa 350 Patientinnen, Angehörigen und Interessierten hören wir uns Vorträge an: über Brustkrebs und Vererbung, die Bedeutung der Pathologie, Haarschonung unter Chemotherapie, neue Therapiekonzepte und über Nachsorge. Es ist sehr interessant, auch wohin die Therapien der Zukunft gehen werden: weg von Operationen, hin zu Chemo und medikamentöser Behandlung. U. und ich sind da allerdings derselben Meinung: wir würden uns ohne zu Zögern wieder operieren lassen, wenn wir dadurch eine Chemo umgehen können. Aber ich bleibe ja gesund, denke ich. Auch wenn Prof. Dr. M. kein Wahrsager ist, glaube ich seinen Worten. So wie ich damals auch seinem Versprechen geglaubt habe, „dass wir das hinkriegen“. Und er sein Versprechen gehalten hat.

Danach gehen U. und ich im Grindelviertel vietnamesisch essen und gönnen uns noch einen Tee in dem Café, in dem sie sonst arbeitet. Sie erzählt mir vom Qi Gong, mit dem sie wieder gestartet-, und einer Tanzgruppe, der sie beigetreten ist. Ich erzähle von meinen Herzis und unseren Federball- und Tischtennisspielen. Das könnten wir doch auch mal machen, wenn es wärmer wird, schlägt U. vor. Im Innocentiapark gebe es Tischtennisplatten, und Platz für Federball sei dort auch. Sehr gerne, antworte ich und freue mich auf den Frühling.

5.2.2018

Unterwegs.

Ich freue mich, als ich durch das dunkle Altona in Richtung Bushaltestelle gehe. Heute beim Taiji habe ich mich zwischen den Profis nicht ganz so ungeschickt wie sonst angestellt. Die stehende Säule und Reeling Silk liegen mir, bei der 19er Form schummele ich nur noch im letzten Teil, den habe ich allerdings auch noch nicht ausführlich gelernt.

Da wir ab April am Dienstag Abend wieder in der Kleingruppe in dem schönen Garten des Psychologenhauses trainieren, werde ich die Form also auch bald können.

Ausserdem habe ich in den Pausen wieder mit G., der russischen Künstlerin, geplaudert. Wir verabreden uns locker für übernächsten Samstag zum Shopping in der Schanze.

N. ruft rüber, ob wir uns morgen bei der Meditation wiedersehen. Ich bejahe und freue mich, dass es hier so nette Mitstreiter gibt.

Morgen bei der Meditation treffe ich auch wieder C. Wir teilen dasselbe Schicksal: auch sie hat letztes Jahr die Diagnose Brustkrebs bekommen. Wir planen, Mitte Februar zusammen zu einem Vortrag über Ernährung in mein Mammazentrum zu gehen.

Gerade hatte ich überlegt, dass ich mal wieder etwas mehr socialisen sollte, da läuft es schon ganz automatisch. So wie mein Fitnessprogramm, denke ich. Das läuft ja auch.

4.2.2018

Unterwegs.

Zehn! Zehn! Zehn!, tönt es aus dem Poolbereich. Die Befehle werden von lauter Discomusik begleitet. Es ist 8:00h morgens, und ich war sicher, dass ich die Einzige bin, die sich so früh am Sonntag zum Schwimmen aufmacht. Circa 16 eher ältere Herrschaften mit Schwimmnudeln um den Hals haben sich früher aufgemacht. Ich bahne mir einen Weg in den hinteren Poolbereich, wo eine Handvoll Gäste im Kreis schwimmt, was mich an Pferde in der Zirkusarena erinnert, die unermüdlich ihre Runden drehen. Ich reihe mich ein.

Draussen ist es weiss, die Flocken fallen dicht vom Himmel, schweben über das Balkongitter und bleiben liegen. Der grüne Leuchtturm verblasst in der Ferne.

Heute ist Weltkrebstag. Auch mein Mammazentrum hat einen Gruss auf Facebook gepostet, was mich sehr freut und mich innehalten lässt. Die rosa Schleife auf dem Bild wirkt friedlich. Genauso friedlich wie der Schnee, der immer dichter fällt.

14.1.2018

Unterwegs.

Die Entscheidung, ob es nach dem Frühstück in eine Ausstellung oder auf einen Spaziergang geht, fällt leicht. Schneesturm in Wien. Und ich trage mein Antarktisoutfit.

In der Gartenanlage des Belvedere kreuzen zwei, drei Jogger meinen Weg, sonst ist niemand unterwegs. Das Schneetreiben um mich herum lässt alles in Weissgrau-Töne versinken. Statuen mit nackten Busen säumen den Weg und erinnern mich an das Drama vom letzten Jahr.

Im Botanischen Garten sind die Gewächshäuser verwaist.

Winterwien.

30.12.2017

Rückblick. Ausblick.

Dieses Jahr war ein besonderes Jahr. Es hat mich herausgefordert. Es hat mich nicht bezwungen. Es hat mir gezeigt, dass ich innehalten und meinen Kurs ändern muss. Es hat mir klargemacht, was ich will und wozu ich fähig bin.

Sie haben Krebs. Wir sprechen über Leben oder Sterben, sagt Prof. Dr. M., als ich ihn im Krankenhaus frage, ob ich nun krankgeschrieben werde.
Sätze, die sich einprägen, Sätze, die mir in einer Plötzlichkeit klarmachen, dass mein Leben endlich ist. Und Sätze, die mir bewusst machen, dass ich überhaupt nicht sterben will.
Weil ich – und das muss ich mir eingestehen – noch nicht all das gemacht habe, was ich eigentlich in meinem Leben machen wollte. Weil man es ja später machen kann. Um auf einmal festzustellen, dass es eventuell kein später gibt. Es sind existenzielle Fragen, die mich erschüttert und ins Wanken gebracht haben. Und die mir umso deutlicher aufgezeigt haben, dass ein Kurswechsel stattfinden muss.

Ich bin dankbar, dass ich das Drama sehr schnell und sehr gut verarbeitet habe. Das sehe nicht nur ich so, sondern auch die Ärzte und die Psychologin aus dem Sanatorium, mit der ich einige Stunden verbracht habe.

Ich bin dankbar, dass mir Prof. Dr. M. mein Leben gerettet und mir die Todesangst, mit der ich in den ersten unklaren Tagen gekämpft habe, genommen hat. Ich verspreche Ihnen, dass wir das hinkriegen. An diesen Satz habe ich mich geklammert, er war der Wendepunkt im Drama. Und Prof. Dr. M. hat sein Versprechen gehalten.

Ich weiß, dass ich selbst aktiv sein muss, um die Aussicht auf ein Folgedrama zu minimieren, und ich weiß, dass auf meine Disziplin und meinen Kampfgeist Verlass ist: mein tägliches Sportprogramm bringt mir richtig Spaß, meine Ernährungsumstellung ist mir weniger schwergefallen als befürchtet, meine reduzierte Arbeitszeit auf 36 Stunden die Woche (und keine weiteren Überstunden) ist mein persönlicher Luxus, der mich noch immer stressfrei hält. Ich bin aktiv und fit wie seit Jahren nicht mehr.

Ich hatte Krebs. In der Vergangenheitsform passt es zu mir, denn ich schaue nach vorn.

Ich kann mittlerweile sagen, dass dieses Jahr ein gutes Jahr war.

Ich bin dankbar, dass die ausgewählten Freunde, denen ich vom Krebs erzählt habe, sehr gute Krisenmanager sind und mich unaufgeregt durch turbulente Zeiten begleitet haben und immer für mich da waren.

Ich bin dankbar, dass ich viele neue Menschen auf meiner Reise durch das Jahr kennen gelernt habe. Ganz besonders dankbar bin ich für meine beiden Schwestern im Herzen, die ich seit unserer Begegnung im Sanatorium noch immer jeden Monat treffe.

Ich bin dankbar, dass ich in einer Dienstag Nacht in Berlin in einem Club stand und meiner Lieblingsband zugejubelt habe. Und sie Ende des Jahres nochmal in Edinburgh auf der Bühne sehen konnte, während wir wild vor dieser tanzten. Ich bin mehrmals auf Sylt am Strand entlanggewandert und habe mich über die tosenden Wellen gefreut. Ich bin spontan nach Wien gereist, um morgens um 10.00h ein Glas Sekt über den Dächern der Stadt zu trinken und auf das Leben anzustoßen. Ich bin in die Antarktis gefahren und habe den schönsten Platz der Welt gefunden. Ich habe mit meinen kleinen Patenkindern gespielt und gelacht.

Heute war ich wieder draußen schwimmen, bei drei Grad Aussentemperatur und klarer Luft. Heute war ich wieder glücklich.

Und im nächsten Jahr werde ich weiter mein Leben leben und mich auf Wien, Amsterdam und Asien freuen. Und auf die vielen Dinge, die das Leben ausmachen.

19.12.2017

Im Krankenhaus.

Wie es mir ginge?
Gut.

Was seit unserem letzten Brustkrebs-Nachsorgetermin passiert sei?
Mammografie, Sonographie  beim Radiologen (ohne Befund), Darmspiegelung (ohne Befund), Knie-MRT (nix Schlimmes), Augenarzttermine (ohne Befund). Projekt Schilddrüse auf’s nächste Jahr verschoben.

Wie ich das Tamoxifen vertrage?
Gut. Die Hitzewallungen nehme ich als positives Zeichen, dass die Tabletten wirken.

Ob ich abgenommen hätte?
Nein. Ich halte mein Gewicht. Gesunde Ernährung, viel Sport.

Wieviel Sport?
Fünf- bis sechsmal die Woche.

Nun schaut meine Ärztin auf.
Ob ich ‚vorher‘ auch soviel Sport gemacht hätte?
Nein. Ich habe regelmässig Sport gemacht, aber nicht so viel.

Was ich denn genau mache?
Ich zähle auf: Montag Taiji – Dienstag Dehnübungen und Meditation – Mittwoch Herzsport – Donnerstag Geräteraum – Freitag Schwimmen – Sonntag Schwimmen. Positive Reaktion.

Der heutige ausführliche Check ergibt: alles ist gut.

Jetzt frage ich. Kann ich in höher gelegene Gebiete fahren? Wegen der reduzierten Anzahl an Lymphknoten?
Kein Problem, antwortet sie.

Wir machen für Ende März einen Doppel-Nachsorgetermin ab: Erst zum Radiologen und eine Stunde später bei ihr.

Dann gehe ich schwimmen. Und überlege, wie ich den Mount Everest, das Ziel ist das Basecamp (Northface), angehe.

1.12.2017

Antarktis. Tag 7

Um 8.00h sitzen wir im Zodiac und steuern die Brown Station an. Etwas fehlt: kein Wind, keine Wellen. Die Station ist unbewohnt, um uns herum sind riesige Gletscher, die kalben. Es klingt wie dumpfes Donnergrollen, sonst ist es still.

Ein paar Chinesen kugeln im Schnee einen Hang hinunter, ungeachtet der Tatsache, dass wir den schmalen Pfad aufgrund der Gefahr, die unter dem Schnee lauert, nicht verlassen dürfen. Als ich aus Versehen einen halben Meter neben dem Weg gehe, rufen und winken sie mir zu, um mich zu warnen. Mein Leben scheint ihnen wichtiger zu sein als das ihrer Landsleute. Auf der Fahrt zurück zum Schiff beobachten wir Kormorane.

Die Kabinentüren auf Deck 3 stehen offen, schräg gegenüber ist die chinesische Wäscherei wieder in Betrieb.

Hausbootfeeling.

Ich gehe in die Club Lounge und treffe meine California Girls. Ich liebe unsere Konversationen, wir haben viele Gemeinsamkeiten und Spass miteinander. Stelle fest, dass mein Dresscode bei Jogginghose und Ski-Unterhemd gelandet ist. Fühle mich wie zuhause.

C. deutet auf die Chinesen, die gerade einen Reiskocher aufbauen. Auch sie scheinen sich wie zuhause zu fühlen.

Die Durchquerung des Lemoire Channels verbringe ich wieder auf der Brücke. Schneesturm (mal wieder), im Grau um uns herum mache ich riesige Berge und Gletscher aus. Ein Wal taucht kurz auf und verschwindet wieder in den Tiefen des Meeres.

Die Ankunftszeit für Port Lockroy verzögert sich: vor uns Eisberge, die den Weg versperren. Das Eis schmiegt sich immer dichter an die Sea Spirit. Port Lockroy ist eine ehemalige Basis der Briten, die heute ein kleines Museum ist. Unsere Postkarten stecken wir dort in den Briefkasten und sind gespannt, ob und wann die Karten ankommen. God save the Queen – and our mail.

Auf dem Weg zurück zum Zodiac fängt es wieder an zu schneien, das Szenario hat etwas weihnachtliches.

Beim Abendessen landen die California Girls beim Thema Brustkrebs. Ich oute mich. Und bin angetan, wie sachlich – aber auch gefühlvoll – wir darüber sprechen. Und dann zum nächsten Thema übergehen. Ich vergesse den Krebs nicht, räume ihm aber kaum mehr Platz ein wie die tägliche Einnahme der Tamoxifen-Tablette dauert. Viel Sport und gesunde Ernährung sind feste Bestandteile meines Lebens, genauso wie die regelmässigen Nachsorgetermine. Ich habe meinen Frieden gefunden.

25.11.2017

Antarktis. Tag 1

Habe draussen im Whirlpool, mit Blick auf die schneebedeckten Berge, die ersten Kontakte geknüpft:

G., 46 Jahre, kommt aus Südengland und reist seit einigen Monaten durch Südamerika. M., 72 Jahre, ist Kroate und lebt in Australien. Ich hatte ihn gestern als Ami verifiziert, als er im Pool verlauten liess, dass sein Pool zuhause grösser sei, er ihn aber nicht nutze, da sein Haus am Strand liege. Er dachte wiederum, dass ich Russin bin.

Die beiden Herren, die sich bis gestern auch noch nicht kannten, teilen sich eine Kabine. M. teilt mir dazu sofort mit, dass er aber nicht schwul sei (was mir egal ist).

Meine Zimmergenossin ist wohl eine 66-jährige Schweizerin, „we call her Sally“, sagt G., der ihren Namen zu kompliziert fand. Ich bin gespannt auf Sally; während ich mit G. plaudere, rückt M. immer dichter an mich ran. Wessen Bein er da gerade neben sich habe, fragt er – seines, antwortet G. Das kann ja noch lustig werden.

Der Rest der Reisetruppe besteht aus 80% Chinesen, die einen Dolmetscher dabei haben. Die Chinesen tragen Neonfarben und pinke Turnschuhe. Die anderen 20% sind Amerikaner, Australier, Briten, eine Schweizerin, ein Kroate und ich.

Ich steige aus dem Whirlpool, ziehe den Bademantel über und schwimme drinnen noch einige Bahnen.

Und freue mich sehr auf den Whirlpool an Deck der kleinen MV Sea Spirit.

24.11.2017

Unterwegs.

Das kleine Mädchen, das mir im Flieger vom Sitz vor mir zulacht und winkt und sich immer wieder versteckt.

Der Argentinier, der morgens beim Aufwachen an meinen Arm tippt und zum Fenster deutet; die Sonne geht auf, der stahlgraue Himmel ist mit einem leuchtend roten Band durchzogen.

Der jüdische bandoneonspielende Taxi-Guide, mit dem ich auf der Fahrt vom internationalen zum nationalen Flughafen in Buenos Aires auf italienisch plaudere: über Fussball, Merkel und das verschwundene U-Boot.

Die Luxemburger auf dem Flug nach Ushuaia eine Reihe hinter mir, die zwischen den schneebedeckten Bergen, über die wir erschreckend tief fliegen, die Landebahn ausmachen.

Der Taxifahrer, der mich zu meinem Hotel in die Berge fährt und wir dabei Tangos hören. Er könne auch tanzen, sagt er und schaut mich an.

Nach über 33 Stunden erreiche ich mein Ziel: Ushuaia, Fin del Mundo, das Ende der Welt.

Es ist so schön, wieder hier zu sein. Morgen Nachmittag geht es auf‘s Schiff.

19.11.2017

Reisevorbereitung.

Ich stehe im Wohnzimmer, um mich herum ein großer Koffer, ein Koffer fürs Handgepäck, eine Handtasche, eine Kamera und ein Rucksack. Dazwischen und darin ein Haufen Klamotten und Utensilien, die ich für meine Reise benötige. Die Hälfte der Ausrüstung hängt allerdings noch feucht auf der Wäscheleine. Schon jetzt wird klar, dass das Packen eine Herausforderung wird. Ich wühle nochmal durch den großen Koffer, da ich der Meinung bin, dass der Adapter schon im undefinierbaren Haufen deponiert sein  müsste. Ich habe ihn vor Augen, wie er im Koffer liegt. Oder hab ich ihn in Koffer-Erinnerung vom letzten Wochenende, wo ich ihn mit nach Edinburgh genommen habe? Im Schränkchen, wo er sonst ist, ist er jedenfalls nicht.

Ich werfe meine Medikamente auf den Haufen „Handgepäck“, sicher ist sicher. Der Adapter taucht nicht auf, da kann ich rumkramen wie ich will. Auf den Handgepäckstapel – und zusätzlich in den großen Koffer – kommen noch Walnüsse und Studentenfutter. Ich esse nachts gern eine Kleinigkeit.

Da mein Doutzen Kroes I – Bikini etwas aus der Form geht und die Hose von Doutzen Kroes II arg ausgeleiert ist (das habe ich heute wieder im schicken Spa festgestellt), habe ich nachgeordert und hoffe, dass die neuen Doutzen’s noch vor Abreise geliefert werden.

Mit dem Packen komme ich nicht so recht vorwärts: ich hole meine Wanderstiefel aus dem Schrank und teste diese mit den extrem dicken Antarktis-Socken. Wenn ich die Tennissocken weglassen würde, würde ich auch hineinpassen, denke ich. Ich setze nochmal die neuen Mützen auf, ziehe die Handschuhe und die Skihose an und fühle mich sehr abenteuerlich.

Dann entdecke ich – neben den ganzen Richtlinien für Verhaltensmaßnahmen – noch die FAQ’s fürs Campen.

Ist Antarctica Camping das Richtige für mich?
Antarctica Camping ist die richtige Wahl für alle, die bereit sind, den Elementen einer kalten Polarnacht
zu trotzen.
Bin bereit.

Die Teilnehmer müssen in guter gesundheitlicher Verfassung und auch relativ mobil sein, um sich nicht unnötigen Risiken auszusetzen.
Ich ignoriere, dass ich offiziell schwerbehindert bin. Ich fühle mich gesund und munter und baue auf das Wort „relativ“.

Natürlich müssen Sie Ihre Abenteuerlust mitbringen – so werden Sie ganz bestimmt eine unvergessliche Polarnacht erleben (wenn auch vielleicht nicht allzu viele komfortable Schlafstunden). Sogar routinierte Camper finden, dass Zelten auf Eis und Schnee etwas Gewöhnung und Zeit bedarf, bevor man eine halbwegs komfortable Schlafposition findet. Abenteuerlustig: ✔️. Da ich ab und an statt im Bett auf dem Parkettfußboden nächtige, erwarte ich keine Probleme.

Sicherheit ist unsere oberste Priorität. Sie sollten sich jedoch bewusst sein, dass Antarctica Camping in einer gewissen Entfernung vom Schiff, in einer der entlegensten und unwirtlichsten Gegenden der Welt durchgeführt wird! Daher kann natürlich ein gewisses Risiko nicht ausgeschlossen werden. Note to myself: es gibt keine Eisbären. An meiner Schlafstelle wird eine kleine rote Flagge stehen, falls ich einschneien sollte. Für Antarctica Camping sind eine gute Kondition und Ausdauer unbedingt erforderlich. Spätestens jetzt weiss ich, weshalb ich sechs Mal wöchentlich Sport mache.

Natürlich müssen Sie dazu noch die zusätzliche Herausforderung von Schnee, Eis und Minustemperaturen addieren! Sollten Sie schon seit langer Zeit nicht mehr gezeltet haben und auch nicht regelmäßig einer aktiven Betätigung im Freien nachgehen, empfehlen wir Ihnen, Ihren Hausarzt zu konsultieren.Vorgestern bin ich bei 6 Grad Aussentemperatur wieder im Freien geschwommen. Wie jeden Freitag. Und den Vermerk mit dem Hausarzt ignoriere ich geflissentlich. Antarctica Camping beginnt nach dem Abendessen, welches Sie noch an Bord einnehmen, und endet mit dem Abholen frühmorgens. Eine Rückfahrt zum Schiff während der Nacht ist nur im Notfall möglich! Planen Sie daher, die gesamte Dauer der Aktivität in der Camping-Gruppe im Freien zu verbringen. Bitte beachten Sie außerdem, dass sich die geplante morgendliche Abholzeit aufgrund von unvorhergesehenen Wetter- und/oder Eisverhältnissen verzögern kann und sich somit die Dauer des Camping-Aufenthalts im Freien unplanmäßig verlängern kann. Unplanmässige Verlängerung… es wird ganz bestimmt abenteuerlich.

Sie bekommen einen warmen, weichen Schlafsack (bis -18°C / 0°F), einen frisch-gewaschenen Innenschlafsack sowie eine Iso-Matte.  Like!

Die Camping Guides werden einfache Camp-Toiletten in einem relativ ungestörten Bereich in kurzer Gehdistanz vom Campingplatz aufstellen und diese klar kennzeichnen. Die geltenden Gebote in der Antarktis schreiben vor, dass ALLE Abfallprodukte am Ende des Campingaufenthalts wieder zurück zum Schiff gebracht werden müssen. Daher empfehlen wir noch vor dem Verlassen des Schiffes von den warmen Toiletten an Bord Gebrauch zu machen. CRITICAL PATH!!!Ich gehe nachts immer ins Badezimmer. Ausserdem bin ich Orientierungslegastheniker. Sehe mich bereits von den „einfachen Camp-Toiletten“ in die falsche Richtung wegmarschieren, irgendwo Richtung „Whiteout“, ins Nirgendwo, einem nicht vorhandenen Horizont entgegen. Note to myself: das blinkende Leuchtband, welches mir ein Kollege für den Trip geschenkt hat, vor Badezimmerbesuch um den Arm binden

Nasser Schnee am Abend ist am frühen Morgen üblicherweise wieder hartgefroren. Frischer Schneefall über Nacht kann nie ausgeschlossen werden. Natürlich können Wetterverschlechterungen auch während der Camp-Nacht ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung hereinbrechen. Im Falle einer drastischen Wetterverschlechterung während der Nacht, kann ein vorzeitiger Abbruch erfolgen sofern ein Rücktransfer zum Schiff noch sicher möglich ist. Es ist ebenfalls möglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, dass Ihre Gruppe auf dem Campingplatz länger als geplant ausharren muss, bis das Wetter eine sichere Rückkehr zum Schiff zulässt.

Süß finde ich die Bezeichnung „Campingplatz“. Eigentlich liegt man irgendwo in einem gegrabenen Loch im Schnee.

Nicht erlaubt: Mitnahme von Camping-Kocher, Brennstoffe oder Lebensmittel. Ich gehe nicht nur nachts ins Bad, ich esse nachts auch gerne Nüsse und Rosinen. Note to myself: Prioritäten setzen; der Fokus liegt darauf, sich nicht zu verlaufen. Verhungern dauert länger.

Stelle mir vor, wie ich morgens aufwache, ich alleine im Schnee liege und das Schiff nicht mehr da liegt wo es liegen sollte. Und ich nicht mal Nüsse oder Rosinen dabei habe.

Greife nochmal in die Wäsche, die neben mir vor sich hintrocknet. Sie ist noch feucht.

12.11.2017

Unterwegs.

Alternatives Sportprogramm am Wochenende: 80 Minuten auf- und abhüpfen inclusive Arme in die Luft recken am Freitag im La Belle Angele bei Too Many Zooz, am Samstag wandern von Pub zu Café zu Restaurant…

Edinburgh 2017. Life is now.

08.11.2017

Unterwegs.
Beim Herzsport berühre ich H. sachte am Arm und stelle ihr die Frage, die mich seit zwei Wochen beschäftigt: Sag mal, warst Du auch am Mount Everest? 

H., die wieder ihr blaues T-Shirt mit der Gebirgssilhuette und dem 50+ Aufdruck trägt und  um die 80 Jahre alt sein muss, strahlt mich an. 1972, 1973 und 1983, antwortet sie. Trekking, mit Zelt. Southface, Nepal. Sie war im Alpenverein. Und am Annapurna, fügt sie hinzu.

Vor meinem inneren Auge startet ein schwarz-weiss-Film, ich sehe die kleine Dame, leicht vorne übergebeugt und mit Rucksack durch unwegsames Gebiet wandern. Ich bin schwer beeindruckt, H. freut sich über mein Interesse und erzählt von ihren Abenteuern.

Ob sie uns auf einen Kaffee einladen soll, tönt es von der Seite, die Trainerin hat uns auf dem Kieker. Entschuldigung, sage ich. Wir sprechen über den Mount Everest, sagt H. Die Trainerin winkt ab. 

Und H. und ich sind kurzzeitig der muffigen Turnhalle und dem Behindertensport entflohen und geniessen den Ausflug zum Himalaya. 

Mein Ziel für 2018.

28.10.2017

Unterwegs.

Ich kenne die Stimme, die hinter der geschlossenen Tür zu hören ist, als ich im Mammazentrum im Krankenhaus mein Rezept für eine weitere Packung Tamoxifen ausstellen lasse. Kurz darauf öffnet sich die Tür, hinter der ich viele Male bei Prof. Dr. M. gesessen und meine Therapien besprochen habe. Ich lächele und grüsse Prof. Dr. M., der mit Telefon am Ohr den Flur durchquert, er grüsst fröhlich zurück, während er telefonierend eine Runde dreht und wieder in seinem Zimmer verschwindet. Gern hätte ich mich etwas mit ihm unterhalten, aber er hat sicher Wichtigeres zu tun. Leben retten. So wie meines.

Vom Krankenhaus sind es nur wenige Minuten zum öffentlichen Bad, das ich bei herrlichem Sonnenschein betrete. Ich lege die Dauerkarte auf den Sensor, wie mir das der Kassierer letzte Woche gezeigt hat. Nichts passiert. Ich bewege die Karte etwas hin und her, es passiert immer noch nichts. Der Kassierer – heute ein anderer – schaut mich erwartungsvoll an. Funktioniert nicht, sage ich. Was ich denn möchte, fragt er mich. Schwimmen, antworte ich. Was soll ich denn sonst wollen, denke ich, aber spreche es nicht aus. Ach so, ich hätte ja auch in die Sauna oder die Sole wollen können, das seien ja andere Preise. Ich bleibe beim Schwimmen, sage ich, er bucht den rabattierten Betrag von meiner Karte ab.

Nach ein paar Bahnen im Innenbereich wechsele ich ins Aussenbecken. Die Bäume sind kahler geworden, eine Windböe weht goldene Blätter in den Pool, die ich beim Schwimmen zur Seite schiebe. Wolken hängen am Himmel, die Banner am Zaun sind ausgeblichen, aber der Pool liegt in der Sonne.  Hamburg, 10 Grad. Es wird Herbst.

Zuhause checke ich die Wetterapp, in der Antarktis sind es mittlerweile Minus 45 Grad, Windchill Minus 62 Grad. Ich ordere eine Nasen/Gesichtsmaske, wie sie auch die Skifahrer nutzen und danke Luisa für Ihren Tipp mit dem Nasenwärmer. Meine bestellten Fäustlinge sind irgendwo zwischen den Niederlanden und Deutschland unterwegs, der DHL-Status vermeldet ein „refused and return to sorting center“. Ich bleibe gelassen.

Am Samstag morgen ist es stürmisch, ich ziehe meine neue Outdoorhose an und besorge in einem Fotoladen an den Colonnaden einen Polarfilter für meine Kamera. Der Inhaber des kleinen Ladens ist freundlich, erklärt mir die Funktion des Filters und stellt mir schon mal meine Kamera richtig ein. Dann putzt er den alten Filter, der auf meiner Kamera sitzt. Ich freue mich über den Service, und noch mehr freue ich mich darüber, dass es draussen mittlerweile nicht nur stürmt sondern auch noch regnet. Da kann die Outdoorhose gleich mal zeigen, ob sie wirklich Wind und Wasser abhält. Ich beschliesse, zu Fuß nach Hause zu marschieren. Die Hose hält, die Turnschuhe nicht, aber von denen habe ich das auch nicht anders erwartet.

Auf dem Weg noch eine kleine Duschlotion, eine Milch und einen Kontoauszug geholt und begeistert festgestellt, dass ich das Ganze ohne Merkzettel bewältige. Kein Vergleich zu der Zeit der Strahlentherapie, in der meine Wohnung mit Post-Its dekoriert war  und ich es trotzdem nicht geschafft habe, vom Einkaufen mit den Teilen zurückzukommen, die auf dem Einkaufszettel standen. Die Konzentration ist zurück.

Am Montag werde ich die letzten Vorbereitungen treffen und britische Pfund (für Edinburgh), US Dollar (für Ausgaben auf dem Schiff) und argentinische Peso (für Ushuaia und Buenos Aires) besorgen. Damit liege ich sehr gut im Timing meiner Reiseplanungen, die neben der Arbeit, dem täglichen Sport, der mittäglichen Krankengymnastik und den Vergnügungen geschehen.

Das Jahr geht in den Endspurt. Und ich mit ihm.

26.10.2017

Zuhause.

Es sei dort Sommer, dort auf der anderen Seite der Welt, die ich in nicht mal mehr einem Monat besuchen werde.

Vorsichtshalber habe ich vorhin doch noch Fäustlinge und drei weitere Paar warme Socken besorgt, ich werde ja campen. Ohne Zelt. In der Antarktis. Das habe ich meiner Ärztin allerdings verschwiegen, als ich gefragt habe, ob ich Langstrecke und Kälte machen darf. Wobei Kälte gerade eine ungeahnte Dimension entwickelt.

Ich bin gespannt. Es wird ja Sommer, dort auf der anderen Seite der Welt.

22.10.2017

Unterwegs.

Letzten Freitag habe ich mir im öffentlichen Schwimmbad eine Dauerkarte geholt. Nachdem ich jetzt einige Wochen regelmässig dort war, besteht keine akute Gefahr mehr, dass ich das Unterfangen Schwimmen-am-Freitag abbreche und die Karte verfallen könnte.
Sonntags, also heute, gehe ich allerdings lieber im schicken Spa schwimmen. Weil es Sonntag ist und man sich zur Feier des Tages was gönnen kann und weil im öffentlichen Bad erfahrungsgemäss die arschbombenden Familienväter mit Anhang rumtoben.

Was ich gern mag
* Meinen Doutzen Kroes I – Bikini (auch wenn ich ihn schon zweimal an der Dekofront nähen musste)
* Plaudern im Bad (mit dem Kassierer) und im Spa (mit der Bardame, die mir zum Kaffee immer zwei Kekse gibt und mir dabei zuzwinkert)
* Alte-Damen-Kopf-über-dem-Wasser-Brustschwimmer, die einfach geradeaus ihre Bahnen schwimmen
* Lustigen Konversationen im Bad lauschen (Heinz, nun mecker‘ mal nicht dauernd rum, schau lieber, wie schön die Bäume gefärbt sind!)
* Den Duft im Spa, der aus dem Saunabereich kommt
* Den Blick im Spa zum Hamburger Michel, während ich schwimme
* Draussen schwimmen im öffentlichen Bad, den Laubbäumen entgegen
* Draussen schwimmen im öffentlichen Bad, dem roten Backsteinhaus und der Sonne entgegen
* Glitzerndes Wasser
* Plaudern über das schöne Wetter mit anderen Outdoor-Schwimmern (Alte-Damen-Kopf-über-dem-Wasser-Brustschwimmer) im öffentlichen Bad
* Auf der Liege im schicken Spa pausieren und die aktuelle Gala lesen

Was ich nicht gern mag
* Meinen Doutzen Kroes II – Bikini (das Unterteil leiert aus. Auch wenn ich im schicken Spa kein Aufsehen ohne Unterteil erregen würde, da fast alle splitterfasernackt unterwegs sind, stört mich das)
* Kampfkraulende Männer, die ihre Arme schwer auf die Wasseroberfläche fallen lassen (das spritzt) und keine Rücksicht auf Alte-Damen-Kopf-über-dem-Wasser-Brustschwimmer nehmen
* Eltern, die mit ihren Kindern im öffentlichen Bad nicht längs sondern quer Wasserball spielen
* Den Mann im öffentlichen Bad, der wie ein Walross aussieht und sich entsprechend schwerfällig vorwärtsbewegt (eigentlich treibt er auf der Stelle) und die Bahn verstopft
* Nasse und tiefe Toiletten im öffentlichen Bad
* Schmutzige Böden im öffentlichen Bad
* Schlecht zu identifizierende Knöpfe an Duschen (öffentliches Bad und schickes Spa), die einen immer erst unter kaltem Wasser stehen lassen, bevor man die Temperatur regeln kann
* Nasse Badelatschen und feuchte Handtücher, mit denen man sich noch abtrocknen muss
* Auf der Liege im schicken Spa pausieren und feststellen, dass es keine aktuelle Gala gibt

21.10.2017

Zuhause.

Liebe C.,
das war ein superschönes Abendessen mit Euch.
Ich genieße es, mit Euch zusammen zu sein, Eure Geschichten und insgesamt den Austausch. Wie Du sagtest, die schönste Selbsthilfegruppe, eine bessere könnte es nicht für mich geben. Außerdem seid Ihr ja meine Schwestern im Herzen.
Danke. S.

Monatliches Treffen mit meinen beiden Brustkrebs-Mitstreiterinnen S. und U., die ich im Sanatorium kennen gelernt habe. Eine ganz besondere Freundschaft, die mich so sehr freut.

18.10.2017

Unterwegs.

Now is now. I‘m focusing on the positive. I learned some important things about life, others, and myself. I feel I now have a clearer perspective on life. I see things today I never saw before.

Jon Krakauer, Into thin air

Und bei C. wird es im Urlaub ganz kalt sein, sagt die Trainerin. Minus 20 Grad, antworte ich. C. fährt in die Antarktis, lässt sie die Sportis wissen. Zum Campen, füge ich hinzu. Ich finde, das klingt spektakulärer als nur Antarktis. Ausserdem stimmt es.

Jetzt kommt Leben in die Herzis, deren Herzen langsamer als meines schlagen, was ich heute beim Pulsen feststellen musste. Das sei wegen der Betablocker, erklärt mir die Ärztin. Mein Puls sei im normalen Bereich.

Ob es eine Liste gebe, was ich einpacken müsste (ja), wo die Reise losginge (Ushuaia/Argentinien), was es für Tiere dort gebe (Pinguine, Robben, Seelöwen), wollen die Herzis wissen. Es ist das erste Mal, dass wir uns während des Aufwärmens angeregt unterhalten.

H., eine kleine grauhaarige Dame mit freundlichen Augen, fängt an zu erzählen: 1969 sei sie auf dem Kilimanscharo gewesen und überhaupt auf vielen Bergen, 5000er und 6000er. H. trägt ein T-Shirt mit Gebirgssilhuette und dem Slogan „50+“. Das finde ich lustig, denn sie ist bestimmt um die 80 Jahre alt.

Argentinien kenne sie, auch Chile, sie hätte früher viele Länder bereist. Backpacking. Kenne ich auch, habe ich auch gemacht, rufe ich und bin begeistert. Wir waren beide auf 4600 Metern in der Atacama-Wüste und haben die Geysire sprudeln sehen.
Heute könne sie nicht mehr reisen, sagt H.
Aber die Erinnerungen, die bleiben, sage ich.
Sie werde vergesslich, entgegnet H.
Darauf fällt mir nichts ein, und H. fragt, ob ich schon mal Pinguine gesehen hätte.
Habe ich, in Argentinien, als wir mit dem Boot durch den Beaglekanal gefahren sind.

Nächste Woche werde ich sie fragen, ob sie auch schon mal am Mount Everest gewesen ist. Der steht auf meiner Bucket-List. Und ich stehe hoffentlich nächstes Jahr im Basecamp, Northface.

16.10.2017

Unterwegs.

Genau die Stelle tut weh, rufe ich dem Krankengymnast zu, der, während ich mich bäuchlings auf der Liege befinde, im Bereich der linken Kniekehle herumdrückt.

Der innere Beugemuskel des Knies braucht Massagen und Wärme, lautet das Fazit. Gut, endlich zu wissen, was mir bei einigen Bewegungen Schmerzen bereitet. Und gut, dass man was dagegen tun kann. Ich bekomme eine Übung für zuhause mit auf den Weg und werde das Montags-Taiji,  das wir mit der Stehenden Säule beginnen, ausfallen lassen. Die Übung ist sicher nicht optimal für meinen angeschlagenen Beugemuskel.

Alternativ geht es zum Walken, danach dann Übungen mit der Pilates-Rolle.

15.10.2017

Zuhause.

Meine Freundin M. bittet mich, „das Taschentuch aufheben“ zu demonstrieren. So heisst die Form natürlich nicht, es gibt keine konkrete Bezeichnung für den Taiji-Teil, der an „die schräge Stellung einnehmen“ anknüpft. Aber es sieht aus, als wolle man mit der linken Hand ein imaginäres Taschentuch vom Boden aufheben.

Demonstration zwischen Kaffeetassen und Doppel-Dinkelkeksen, M. scheint zufrieden.

15.10.2017

Unterwegs.

Keine spektakulären Vorkommnisse am Donnerstag im Fitnessraum zu verzeichnen (lässt man den schwer stöhnenden Sporti ausser acht, der – spätestens, als er nen Kopfstand macht – alle Blicke auf sich gezogen hat).  Das Schwimmen am Freitag im Glitzerwasser des Outdoorbeckens kristallisiert sich zum Höhepunkt der sportlichen Wochen heraus.

Am Samstag nehme ich mir bewusst nichts weiter vor, gehe gemächlich Einkaufen und putze rudimentär die Wohnung. Die restliche Zeit liege ich auf dem Sofa, lese einen Comic, schaue fern, trinke einen Kaffee und relaxe. Um 18.00 Uhr werde ich nervös und stelle fest, dass mir die tägliche Bewegung fehlt. Laufe eine 19er Form im Wohnzimmer.

Am Sonntag springe ich früh aus dem Bett, frühstücke, gehe hinaus in den Nebel und schaue der Sonne zu, wie sie sich langsam durch das Grau über der Elbe kämpft. Sie gewinnt.

Wandere zurück nach Hause, gehe in den Garten und laufe im Sonnenschein drei weitere 19er Formen.