13.01.2023

und rechts liegt das Meer.

Stürmisch ist es, der Regen prasselt unaufhörlich nieder, und stürmisch war auch meine Woche. Krisenmanagement kann ich: Optionen ausloten, Lösungen überlegen, angreifen. Nichts ist mir mehr zuwider als Herausforderungen, denen ich hilflos ausgeliefert bin. Das war bei meinen Erkrankungen der Fall. In diesem Fall kann ich selbst agieren. Und so schaukelt mein kleines Boot im Sturm und im Regen auf den Wellen umher, aber untergehen wird es nicht.

Ich möchte heute Nachmittag durch die Vorderreihe bummeln, entweder Nusseis mit Sahne in der Eisdiele oder ein Stück Nusstorte bei Niederegger essen, eine helle Hose möchte ich kaufen, im Hotelpool schwimmen, am Strand entlang wandern und abends beim Italiener essen. Oder in der Marina.

Ich steige in Travemünde-Strand aus: auf in die Bäckerei und mit Ei und Käse belegte Brötchen bestellen! Koffer im Hotel abgeben, und dann in die Vorderreihe. Aus der hellen Hose wird eine dunkelblaue Jeans, und während ich durch Sturm und Regen trabe, stelle ich fest, dass ich weder Eis noch Torte möchte. Meine Planung läuft ja super, denke ich, wird aber durch eine Schwimmeinheit und den Besuch beim Italiener wieder eingehalten. Der Regen prasselt auf das Zeltdach, vermischt sich mit den tosenden Wellen des Meeres, während ich mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze und gegen den Wind am Strand zurück ins Hotel marschiere.

Wie geht es Dir?, frage ich mich. Gut, antworte ich. Das Boot wird nicht sinken. Morgen wird der Wind sich legen, die Sonne hinter den Wolken hervorkommen, und das spiegelglatte Meer wird glitzernd strahlen.

17.11.2020

Anker.

Hört ihr mich?, ruft unser Lehrer. Zumindest vermuten wir, dass er das ruft, wir jedenfalls hören ihn nicht.

Wir, das sind die Mitstreiter der dienstäglichen Meditation-Class und ich, jeder für sich zuhause und trotzdem alle zusammen, zumindest virtuell.

K. hat als Hintergrund ein Gebirge ausgewählt, das halb in der Sonne und halb im Schatten liegt. N. sitzt im All, hinter ihm ist ein Planet auszumachen, durch eine Bildstörung scheint dieser einem permanenten Steinschlag ausgesetzt zu sein. D.sitzt anscheinend in einer Abstellkammer, um ihn herum türmen sich Regalwände, das Licht ist grell. Unser Lehrer, den wir nicht hören, der aber weiterhin spricht, hantiert an der Technik herum und erscheint mal kopfüber und mal seitwärts auf dem Screen. Endlich klappt es mit dem Ton. Dafür sehe ich von Planeten-N. nur noch den Oberkörper, von Gebirge-K. nur noch den Kopf, es scheint, als ob K.’s Kopf auf N.’s Oberkörper sitzt, was mich an ein Kartenspiel aus Kindertagen erinnert, bei dem man dreigeteilte Figuren immer neu zusammenfügen konnte.

Nach diesem amüsanten Vorspiel kann die Meditation starten. Ich bin die einzige Frau in der Runde, stelle ich fest, und die einzige, die einfach auf nem Kissen im Wohnzimmer sitzt.

Heute tauchen wir mit dem Zeitstrahl in die Tiefe der Stille ein, die nur von den Worten unseres Lehrers unterbrochen wird. Den Koffer mit der Vergangenheit stelle ich rechts von mir ab, den Koffer mit der Zukunft links. Nun gibt es nur noch das Hier und Jetzt und meinen Atem. Und K., der nach einer halben Stunde wie von Zauberhand in der Gebirgswand verschwindet. So skurril das alles ist, ist es doch ein Anker in einer gerade noch skurriler anmutenden Welt.

Und weil ich meine Welt vermisse, gibt es zu diesem Beitrag ein Bild aus guten Tagen. Vom See Genezareth, von den Golanhöhen aus fotografiert.

27.10.2020

Kein Zweifel.

„Dann hat mich das Leben ja doch lieb“, sagt mein Lehrer. „Natürlich hat es das, daran darfst Du nie zweifeln“, antworte ich, und freue mich mit ihm über die gute Nachricht.
Und dann meditieren wir und lauschen in die Stille.

01.09.2020

Koffer packen.

Ich stehe auf der Treppe, in der rechten Hand halte ich meine Puppe, in der linken zwei Münzen, ein 50-Pfennig- und ein 10-Pfennig Stück. Meine Cousine wählt das 50-Pfennig-Stück, was ich bedauere, da ich die kleine silberne Münze hübscher finde. Dass sie mehr wert ist, weiß ich nicht. Im Gegenzug bekomme ich ein Kleid für Ute, meine Puppe.
Ich sehe den roten Läufer mit dem dunklen Muster, der auf der Holztreppe in unserem Flur liegt, ich sehe die große grau-grüne Vase, die auf dem Zwischenabsatz steht, und heute, da steht sie in meiner Wohnung.

Ich bin im Büro bei dem flapsigen Kollegen mit dem Schnauzbart und seiner Assistentin, einer älteren Dame, die wild geschminkt und bunt gekleidet ist. An diesem Ort halte ich mich länger auf. Hier war ich schon lange nicht mehr.

Dann packe ich die Vergangenheit in den großen ledernden Koffer und stelle ihn rechts von mir ab.

Ich sehe die Pinguine, den Schnee, die Felsen und die Berge, ich spüre die kalte Luft, ich höre den Boden unter meinen Schritten knirschen, ich ziehe die Mütze tiefer ins Gesicht. Ich schaue mich um in meiner Zukunft. Ich freue mich, dass ich hier gelandet bin, hier am Ende der Welt, hier inmitten der Natur, ich spüre Frieden und Dankbarkeit.

Ich packe den Südpol samt Pinguinen in den zweiten großen Koffer und stelle ihn links von mir ab.

Nun sind wir im Hier und Jetzt. Das ist alles, was zählt.

Nachtrag:
Später wird mein Meditationslehrer sagen, dass er die Vergangenheit links und die Zukunft rechts abstellt. Später werde ich ihm sagen, dass es vielleicht daran liegt, dass ich Links- und er Rechtshänder ist. 😉

24.07.2020

Retreat – Tag 6 (letzter Tag)

…wenn man am letzten Morgen etwas früher in den Trainingsraum kommt und der Lehrer am Klavier sitzt und spielt…I like the „wie geht denn das nochmal“ am Ende – das frage ich mich auch des öfteren beim Training…und irgendwie geht es dann doch immer weiter.

31.03.2020

Der wichtigste Moment.

Heute haben wir zusammen meditiert. Im virtuellen Raum. Wie gestern schon. Da habe ich mit meiner Taiji-Class trainiert.

Die Meditation war so schön, dass am Ende zwei Mitschüler geweint haben. Weil unser Lehrer wieder die richtigen Worte gefunden hat.
Der wichtigste Moment im Leben? Der ist jetzt.

Meditation. Live. Mit meiner Gruppe.
Taiji-Class im virtuellen Raum.

07.03.2020

Zeitstrahl.

Ich sehe den jungen, schwarzgekleideten Mann, der mir in der Bahn schräg gegenübersitzt und hustet. Ich rieche den Duft der Salmis am Stand des U-Bahnhofes Schlump, an dem ich mir eine Tüte Bonbons kaufe und den ersten auf dem Weg zur Meditation in den Mund stecke. Ich denke an den Arbeitstag und dass es morgens auf dem Weg dorthin schon wieder heller wird, an den Ritt auf dem Dromedar durch die Sanddünen der Sahara, ich stehe im Basecamp vorm Mount Everest, ich sehe mich als Teenager mit dem Fahrrad zum Reiten fahren und wie ich als kleines Kind auf der Treppe meines Elternhauses auf dem rot-schwarzgepunkteten Läufer stehe, zusammen mit meiner großen Cousine, die eine Etage unter uns wohnt.

Ich stelle die Vergangenheit rechts neben mich.

Ich sehe die Schröderstiftstraße, die ich nachher zusammen mit C. entlang zum Bahnhof gehen werde, wir werden uns austauschen, dann steige ich in die Bahn. Ich werde am Hafen aussteigen, an der Elbe entlang nach Hause gehen, den dunklen Himmel und die leuchtenden Lichter sehen und die kalte Abendluft spüren, ich denke an Morgen und an die anstehenden Meetings. Ich sehe mich beim Schwimmen am Freitag und G. mit ihrer neuen blauen Badekappe neben mir, ich sehe mich am Flughafen am Gate in München, wo ich auf A. aus der Schweiz stoße und wir zusammen weiter nach Georgien fliegen. Ich sehe mich beim Taiji-Camp im Juli und beim Wandern in der Sonne durch die grünen Täler in Österreich.

Ich stelle die Zukunft links neben mich.

Und jetzt konzentrieren wir uns auf das, was bleibt, sagt unser Lehrer. Es ist das Hier und Jetzt, wir sitzen mit geschlossenen Augen im Meditationsraum des Psychologenhauses mit dem verwunschenen Garten, wir achten auf unseren Atem.

Und plötzlich spüre ich Freude, Freude darüber, dass meine Gedanken an die Vergangenheit und vor allem an die Zukunft heiter und angstfrei sind.

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27.01.2020

Weiter leben.

Wir lachen. Das habe sie in der Tat auch schon überlegt, ob sie an den Stadtrand ziehen sollte, antwortet die Humangenetikerin, als ich die Feinstaubproblematik in der Hamburger Innenstadt anspreche. Feinstaub ist ein Krebsrisiko. Genauso wie mangelnde Bewegung, Übergewicht und ungesunde Ernährung. Unser Lebensstil und Umwelteinflüsse hängen damit zusammen, ob bzw. auch wann man an Krebs erkrankt.
Sie habe schon mal drei Generationen mit demselben Gendefekt vor sich gehabt: die Großmutter sei mit 70 Jahren an Krebs erkrankt, die Mutter mit 50 Jahren, die Tochter mit 30 Jahren. Warum bricht also die Krankheit bei dem einen früher und bei dem anderen später aus?

Ich beuge Risiken, (wieder) an Krebs zu erkranken, konsequent vor, soweit es sich von meiner Seite machen lässt. Gesunde Ernährung, regelmässiger Sport, Stressreduzierung, Vor- und Nachsorgeuntersuchungen der Organe, die von einem NTHL1-Defekt betroffen sein können….aber ein Restrisiko, das ich Schicksal nenne, bleibt immer bestehen.

Die Forschungsergebnisse aus 2019, die ich im Internet zu meinem seltenen Gendefekt gefunden habe, habe ich mitgebracht, genauso wie diverse Arztbriefe. Auch die Humangenetikerin hat überprüft, ob es zu meiner speziellen Form des Gendefektes neue Erkenntnisse gibt, aber dem ist nicht so. Weitere Checks auf Basis der Forschungsergebnisse könne man machen, müsste ich aber im Moment selbst finanzieren, da Krankenkassen diese Kosten nur alle vier Jahre übernehmen. Und es kann sehr gut sein, dass auch nach dem Check keine neuen Erkenntnisse vorliegen.

Fazit des interessanten Gespräches und der für mich auch etwas komplizierten Materie: Einem beidseitigen Brustkrebs liegt wahrscheinlich ein Gendefekt zugrunde. In meinem Fall bedeutet es zum jetzigen Zeitpunkt: weiterleben wie gehabt. Regelmässig zu sämtlichen Vor- und Nachsorgeuntersuchungen gehen, weiter meinem gesunden Lebensstil folgen und im Juli 2021 zu weiteren Tests antreten. Wer weiss, wie weit bis dahin die Forschung gekommen ist. Und wer weiß, was ich bis dahin noch alles erlebt habe.

12.01.2020

Mein Tempel, mein Zuhause.

Dein Körper ist Dein Tempel. Dein Körper ist Dein Zuhause.
Ich mag es, wie unser Lehrer die Meditation anleitet, er findet immer weise Worte.
Wenn mein Körper mein Tempel ist, dann sollte er mir heilig sein und ich ihn entsprechend ehrfürchtig behandeln.
Wenn mein Körper mein Zuhause ist, dann sollte ich ihn entsprechend liebevoll pflegen.

Das Skelett bleibt aufrecht, aber die Muskeln und alles andere lassen wir los. Wir lassen los.
Derselbe Lehrer und wieder weise Worte, diesmal aber im Taiji-Unterricht zum Praktizieren der Stehenden Säule.

Endlich ist wieder die Routine eingekehrt, die ich während der Feiertage vermisst habe.

Am Mittwoch Abend gehe ich schwimmen, es ist kalt und dunkel, der Dampf steigt auf, in der Ferne tauchen graue Gestalten aus dem Wasser auf, verschwinden wieder, kommen näher, passieren mich, verlieren sich wieder in der Ferne. Mystische Stimmung im Aussenbecken des öffentlichen Bades.

Auch im Gym ist es recht voll, noch greifen sie, die guten Vorsätze zum neuen Jahr.

Freitag Mittag ist das Wasser im Becken erstaunlich warm, heute gibt es keine Ausrede, warum ich nicht die 40 Bahnen schwimmen könnte. Wobei ich die letzten Male wirklich sehr konsequent war, Wassertemperatur hin oder her.

Am Trödeltag ziehe ich automatisch meinen Jogginganzug an, verliere allerdings mein Ziel, in die Innenstadt zu marschieren, aus den Augen, überhaupt verliere ich den Haushalt und die Einkäufe aus den Augen, ist ja auch Trödeltag, denke ich, aber gefallen tut mir meine Wankelmütigkeit nicht. Ich gehe in den Garten und laufe unter grauem Himmel zwei 19-er Formen. Taiji geht immer.

Im schicken Spa trödele ich im Becken die Bahnen entlang, das Wasser ist warm, das Wasser ist hell, ein ganz sanftes grün-blau, ich freue mich über die Mosaiksteinchen der Mauer, auf denen große lehmfarbene Töpfe mit dunkelgrünen Palmen stehen. Eine Oase, denke ich, so stelle ich mir eine Oase vor, während ich durchs Wasser gleite, so muss eine Oase in der Sahara sein, etwas fliegt an meine Nase, ein Moskito, ich wische es weg, es ist nur ein Wassertropfen, und ich bin im schicken Spa – noch – aber bald, in ein paar Wochen, werde ich Oasen sehen, und dann, dann bin ich wirklich in der Sahara.

Fitness-Rückblick der Woche:
Montag: Taiji-Class ✔️
Dienstag: Meditation-Class ✔️
Mittwoch: Schwimmen ✔️
Donnerstag: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: Taiji ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️

 

01.01.2020

Das weiße Buch.

Ich muss lachen.
„Das Jahr war anders als erwartet. Dafür lustigerweise viel umgesetzt“.
Das ist ein Zusatzvermerk, den ich am 31.12. 2017 zu meinen Jahres-Vorsätzen 2017 in das kleine weiße Büchlein nachgetragen hatte.

Es ist das Jahr, in dem ich mir – unter anderem – folgendes vorgenommen hatte:
– innere und äussere Balance halten / herstellen (Taiji/Meditation)
– reisen
– bewusst schauen
– draussen sein
– innehalten
– mehr Obst und Gemüse essen
– lachen
– niente paura (keine Angst)

Und dann kam im Februar 2017 der Krebs.

Interessanterweise passen die Vorsätze wunderbar zu jemanden, der eine Krebsdiagnose erhält, auch wenn ich das in dem Moment, in dem ich die Vorsätze verfasst habe, nicht ahnen konnte.

Meistens lernt man es nur auf die harte Tour, dass eine gute Gesundheit nichts selbstverständliches ist, sondern ein wertvolles Gut, das höchste Achtung und Wertschätzung erfahren sollte, und welches durch eine gesunde Lebensweise unterstützt werden muss.

Das kleine weiße Buch hole ich nur einmal im Jahr hervor, und zwar am 31.12. des Jahres. In ihm vermerke ich akkurat, was ich im Folgejahr umsetzen möchte – und hake natürlich ab, was ich im vergangenen Jahr von all meinen Vorsätzen angegangen bin.

Da ich recht diszipliniert bin, kann ich immer fast alles abhaken. Das, wo nur ich selbst gefragt bin, ist häufig mit einem Häkchen versehen, das, wo andere Menschen involviert sind, nicht ganz so häufig.

Gestern habe ich das Büchlein wieder aufgeschlagen und habe die Häkchen für 2019 gesetzt. Und meine Liste für 2020 angelegt. Es wird ein gutes Jahr, dessen bin ich mir sicher.

Mein 2020 beginnt heute Morgen dort, wo es 2019 geendet hat: im Aussenbecken des öffentlichen Bades.  Ich schwimme meine 40 Bahnen, umgeben vom aufsteigenden Dampf, denn es ist kalt, die Sonne blinzelt auf die türkisfarbene Bande, die sich im türkisen Wasser widerspiegelt, das jetzt doppelt-türkis erscheint. Ein Rabe kräht. Ich freue mich, denn es ist der erste Besuch im Bad von vielen weiteren, und einen Haken, den werde ich am Ende des Jahres auch wieder setzen können.

13.10.2019

Unterwegs.

Drei Meetings, davon eines ungeplant, eine Urheberrechtsverletzung, der nachgegangen werden muß, kurzfristige Anfragen aus dem Büro in Zypern, daneben versuche ich, die Budgetplanung 2020 für mehrere Schwesterfirmen zu finalisieren, aber es fehlen noch zuviele Details und Unterlagen, mir fällt ein, dass ich etwas auf dem Firmenaccount bei LinkedIn posten möchte, kläre das schnell mit den Kollegen ab, ja, der Text gefalle ihnen sehr, auch das ausgewählte Foto der Veranstaltung, ob ich das noch heute…ja klar, das mache ich noch heute.

Ich schaue auf die Uhr, laufe zur Bahn und fahre nach Hause, ziehe die Bürokleidung aus und meinen Trainingsanzug an, packe die Schlüssel für das Psychologenhaus und den Meditationsraum ein, greife meine Klangschale und marschiere in die entgegengesetzte Richtung zur anderen U-Bahnstation.

Kurzer Stop am duftenden Bonbonstand im U-Bahnhof Schlump, hier kaufe ich mir alle zwei Wochen eine kleine Tüte Salmibonbons, überzogen mit dunkler Schokolade. Ein Bonbon stecke ich sofort in den Mund, das ist mein kleines Highlight, das ich mir gönne.

Es nieselt, das gelb-braune Laub flattert von den Bäumen auf den Weg, während ich die Schröderstiftstraße hinunterlaufe. Trotzdem bleibe ich stehen.
Wie geht es Dir?, frage ich und schaue mich an.
Gut, antworte ich. Mir geht es gut.
Da ich weiß, dass ich ehrlich zu mir bin (alles andere macht auch keinen Sinn), bin ich zufrieden mit der Antwort, immerhin war es ein turbulenter Tag.  Ich biege zum Psychologenhaus ab.

Auf diesen Abend habe ich mich gefreut, auf die Stille des Meditationsraumes, den Blick aus dem Fenster in den verwunschenen Garten, den Klang meiner tibetischen Schale, auf C., die mir Äpfel aus ihrem Garten versprochen hat, auf J., der trotz Kniebeschwerden zum Meditieren kommt, auf das Loslassen, den Tag den Tag sein lassen, das Gewesene das Gewesene, das Kommende das Kommende, die Gedanken davonziehen lassen und auf den Atem achten, das einzige, was uns im Hier und Jetzt halten wird.

Der Fitness-Wochenrückblick:
Montag: Taiji ✔️
Dienstag: Meditation ✔️
Mittwoch: Gym ✔️
Freitag: Schwimmen ✔️
Samstag: 10.399 Schritte ✔️
Sonntag: Schwimmen ✔️

03.07.2019

Unterwegs.

Durch das weit geöffnete Fenster schaue ich in den Park.

Radfahrer sitzen im Gras, um sie herum liegen die Räder.

Kinder spielen Ball. Sie lachen.

Die Meditationsgruppe schweigt.

Ein Mädchen übt mit dem Langstock. Ich erkenne sie; es ist die kleine Chilenin, die manchmal zum Taiji-Unterricht erscheint.

Ein Mann jongliert.

Ein anderer sitzt auf der Bank und hält einfach nur sein Gesicht in die Sonne.

Der Wind weht durch die Blätter und malt Streifen ins Gras. Blüten rieseln von den Bäumen herab, sie glitzern golden in der Sonne, wie Sternenstaub.

Ich spüre den Wind, der durch das Fenster weht, ich sehe den Spatz, der durch das Gras hüpft.

Ich schaue in den Park.

Eigentlich sollte ich meine Augen bei der Stehenden Säule schliessen.

Aber die Welt ist so schön.

02.06.2019

Fitnessübersicht

Mo: Taiji Class ✔️

Di: Stretching/Taiji at home ✔️

Mi: Taiji Class ✔️

Do: Schwimmen ✔️

Fr: Schwimmen ✔️

Sa: Tubes/Taiji at home ✔️

So: Schwimmen ✔️

Am Sonntag war das öffentliche Bad so voll (kein Wunder bei 30 Grad Sonnenschein), dass ich a) keine Liege auf der Grünfläche bekommen habe und b) zum Schwimmen auf die Schnellschwimmerbahn ausweichen musste. Diese wiederum wichen auf die 50m-Bahnen aus (unbeheizt, ca. 17 Grad); aber Kampfschwimmer sind ja hart im Nehmen.

Zuhause mein selbstgemachtes Schokoladen- und Zitroneneis (zuckerfrei) getestet und für sehr lecker befunden. Von den fünf kreierten Milchschnitten ist nur noch eine übrig. Dafür habe ich noch circa 20 selbstgemachte Müsliriegel.

29.04.2019

Unterwegs.

Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf nichts Neues.
Samuel Beckett, Warten auf Godot.

Die Sonne scheint auf den Park mit den hohen Kastanienbäumen, sie sinkt langsam tiefer und taucht die Blätter und Gräser in sanftes Licht. Um die Bäume laufen Kinder, sie spielen Fangen mit einem bunten Ball. Die Haare der Mädchen flattern, es ist so warm in der Abendsonne, dass sie nur T-Shirts und Röcke anhaben. Sie lachen, das Lachen weht zu uns hinüber in den alten Turnsaal, dessen hohe Fenster weit geöffnet sind.
Ich lächele, während die Szenen draußen an mir vorbeiziehen, die tobenden Kinder, der Mann im Rollstuhl, die beiden Frauen, die kurz vor dem Fenster halten und neugierig hineinschauen.
Eigentlich sollte ich meine Augen bei der Stehenden Säule, die wir gerade im Taiji-Unterricht praktizieren, geschlossen haben. Du kannst Deine innere Balance nicht finden, wenn Du die Augen bei der Übung geöffnet hast, hat mein lieber Freund mal zu mir gesagt. Ich habe das letzte Woche versucht; im Gym auf dem Stepper und im Pool des schicken Spa’s; ich war neugierig, wie sich das anfühlt, mit geschlossenen Augen Bahnen zu ziehen und mich auf dem Stepper zu bewegen und ob ich dabei meine Mitte finde ohne ins Wanken zu geraten bzw. die Bahn zu verlieren (funktioniert genauso wie bei der Meditation, man muss sich auf den Atem konzentrieren, dann findet man die innere Balance).

Jetzt mag ich meine Augen nicht schließen, viel zu schön ist es, in den Park zu schauen, das wechselnde Licht und die Bäume zu sehen. Außerdem habe ich noch den süßen Geschmack des Kekses im Mund, die F. nach dem Aufwärmen angeboten hat. Es geht mir gut, denke ich, genau hier und jetzt möchte ich sein, genau hier und jetzt mich über den Keks freuen und über das Lachen und Kreischen der spielenden Kinder und den Korrekturen meines Lehrers nachspüren.

Die Sonne scheint immer noch, als ich den Rest des Heimweges zu Fuß antrete, sie steht jetzt ganz tief über dem Hafen und färbt den Himmel rot.

Ich lese noch etwas in dem Buch über Ernährung, welches C. mir geliehen hat.
Wenn wir begreifen, was Krebs ist, dann werden wir erkennen, dass diese Krankheit ein furchtbarer Feind ist, dem wir mit großem Respekt begegnen müssen, damit er uns nicht besiegt.

Die Sonne scheint nicht mehr.

Aber morgen wird sie wieder scheinen, wenn wir im verwunschenen Garten des Psychologenhauses Taiji trainieren, draußen zwischen den Rhododendren und dem blühenden Apfelbaum, den Blumen und den Büschen; wir werden uns in Achtsamkeit üben und stärken und uns nicht besiegen lassen.

18.12.2018

Unterwegs.

J. trägt einen grün-seidenen Kimono als er die Tür öffnet. Er ist barfuß. Ich schnaufe. Die  Wohnung liegt im Dachgeschoß eines Altbaus in Eimsbüttel, einen Fahrstuhl gibt es nicht, dafür fünf Stockwerke und eine Wendeltreppe. Zur letzten Meditation des Jahres hat J. uns zu sich nach Hause eingeladen; nach dem Sitzen wollen wir gemeinsam essen. J. führt mich durch die Wohnung, die anders aussieht, als ich es von dem (normalerweise) im Anzug erscheinenden Mitstreiter, der bei einem Flugzeugbauer arbeitet und Meetings mit chinesischen Kunden hat, erwartet habe. Die Zimmer sind mit japanischen Tatami-Matten ausgelegt, auf denen bunte Kissen liegen, eine Klangschale steht vorm Spiegel auf dem Flur. Es gibt unzählige Bücher und Holzkisten.  Frauenportaits aus einem entfernten Jahrhundert hängen museumsgleich an den Wänden, aber auf Oberschenkelhöhe. Jetzt weiß ich, was mich irritiert. In dieser Wohnung gibt es keine Möbel. Kein Bett, kein Kleiderschrank, keine Couch, keine Sitzecken, keine Stühle, keine hohen Tische. Zwei Sitzgelegenheiten ohne Beine und ein Tisch, vor den man sich hinknien kann, stehen im Wohnbereich. Dann passt es auch mit den niedrig hängenden Bildern an den Wänden, denke ich.

C. erscheint, auch sie ist am Schnaufen. Sie streckt mir ein Glas selbstgemachtes Reneklodengelee entgegen, ich habe ihr ein Gesundheitsmagazin mitgebracht. C. hat einen Radiobeitrag eines Arztes über Mikronährstoffe gehört, über den sie sich sofort mit mir austauschen möchte. Ich esse immer das, was mir schmeckt, sagt unser französischer Gastgeber. Er weiß nicht, daß zwei Brustkrebspatientinnen vor ihm stehen, die ihre Ernährung auf den Kopf gestellt haben und sich dienstags nach der Meditation mit Begeisterung darüber austauschen. Wir sind jedenfalls schon gespannt, was es nachher bei unserem Franzosen zu essen geben wird.

Der Gong ertönt, am immer leiser werdenden Ton gleite ich hinab in mein Inneres und fokussiere mich auf den Atem. Mit dem Gongschlag 70 Minuten später kehre ich wieder zurück.

Wir platzieren die bunten Sitzkissen um den niedrigen Tisch, es wird eng mit sechs Personen, aber es geht. J. hat eine Süßkartoffel-Ingwer-Suppe mit frischen Kräutern gekocht. Dazu gibt es einen grünen Salat, leckeres dunkles Brot, Butter, diverse Käsesorten,  vegetarische Brotaufstriche, Mandarinen und grünen Tee. C. und ich sind begeistert, das passt perfekt in unser Ernährungskonzept.

Die Konversation ist locker und anregend; mit R. besuchen wir Meditations-Retreats und reisen nach China, mit N. verfolgen wir das dumpfe Grollen in der Mongolei, das langsam anschwillt und zu einer riesigen Yak-Herde gehört, die um uns herum galoppiert, ich nehme die Gruppe mit in die weiten Hochsteppen des Himalaya zum Teetrinken, derweil unser Bus im reißenden Fluss feststeckt und auf Rettung wartet. Wir besuchen C. in ihrem schönen Garten im Grünen, aus dem sie mir immer Äpfel mitbringt und fahren mit A. und J. nach Japan.

Es ist ein wundervoller Abend, an dem wir gemeinsam durch die Welt und zu uns selbst reisen. Wir schmieden Pläne für’s nächste Jahr. Vielleicht ein gemeinsames Retreat. Vielleicht zusammen C. in ihrem Garten besuchen. Und gemeinsam Schweigen werden wir sowieso.

passend zum post trifft gerade das Rezept ein (evtl geht auch Haferdrink statt Milch – muss ich mal testen)

11.11.2018

Unterwegs.

Den kalten Wind auf den Wangen spüren, während ich auf der Fähre nach Övelgönne fahre.
Den Kragen meiner roten Jacke höher ziehen.
Den Elbsand an den Schuhen mit der Hand abstreifen.
Dem Rascheln der goldgelben Blätter lauschen, durch die ich marschiere.
Die kleine Pause, in der ich mein Ingwer-Wasser, die Wurzel und die Dinkel-Sesambrote auspacke, die ich zur mittäglichen Einnahme des Tamoxifens esse.
Immer weiter gehen, weiter und noch weiter und irgendwann beschließen, nicht umzukehren.
In Teufelsbrück auf dem Anleger in der Sonne sitzen und auf die Fähre nach Finkenwerder warten.
In die Sonne blinzeln.
Dem Drang widerstehen, ein Würstchen mit Senf zu kaufen.
Den Beschluss fassen, sich zuhause mit einem Hafer-Apple-Zimt-Crumble zu belohnen.
Die Elbe glitzern sehen. Feststellen, daß „Glitzern“ mein Lieblingswort ist.
In Finkenwerder auf die nächste Fähre umsteigen und Richtung Landungsbrücken fahren.
Den beiden taubstummen Damen fasziniert zusehen, die sich angeregt in Gebärdensprache unterhalten.
Der Radler, der mit einem dünnen gelb-schwarzen Shirt bekleidet ist und sich schützend die Arme um den Oberkörper schlingt.
Die kühle, leicht salzige Luft einatmen.
Noch einmal auf eine andere Fähre umsteigen und nachhause fahren.
Bei meiner kalifornischen Freundin nachfragen, ob sie und die anderen ok sind (sind sie).
Den Apple-Crumble in den Ofen schieben und sich über den Apfel-Zimt-Duft freuen.

Kleine Übung in Achtsamkeit.

31.10.2018

Unterwegs.

Ob ich allein mit dem Stretching-Part klar komme, fragt mein Lehrer. Ich bejahe. Er liegt bereits auf seinem Schafsfell und ist schon im zweiten Teil unserer Übungen angelangt. Kein Wunder; er hat um 18.00h mit dem Unterricht begonnen, eine halbe Stunde früher als geplant, und eine Stunde vorher spontan per sms angekündigt. So spontan bin ich nicht, ich muss erst von der Arbeit nach Hause fahren, mich umziehen, um dann in die andere Richtung zur U-Bahn zu laufen und zum Psychologenhaus zu fahren, welches in einem anderen Stadtviertel liegt.
Auch meine Mitschüler scheinen nicht so flexibel gewesen zu sein, ich bin die Erste, die nach meinem Lehrer im Meditationsraum eingetroffen ist.
Still schweigend beginne ich mit dem Stretching.
Um 18.30h trifft C. ein, sie habe die sms unseres Lehrers zu spät gesehen. In der Hand hält sie eine große Tüte mit Äpfeln aus ihrem Garten. Für mich. Ich sage ihr, wie sehr ich mich über die Äpfel freue, sie freut sich wiederum, dass ich mich freue.
G., N. und J. erscheinen erst gar nicht zur Meditation, wir bleiben in kleiner Besetzung und richten unseren Platz mit Schafsfell, Decke und Sitzkissen ein.
Wir haben zwar heute früher angefangen, was allerdings nicht heißt, dass wir früher aufhören – unser Lehrer liebt seinen Job und hängt gern extra Zeit dran, wann immer er es einrichten kann. Heute haben wir – nach dem Stretching – 90 Minuten Zeit für unsere Sitzmeditation, unterbrochen von einer kurzen Pause, in der wir schweigend durch den Raum gehen.
Am Ende des Abends tauschen wir uns aus; was macht die Meditation mit uns? Wie geht es uns? Mir geht es gut; ich bin so gern in diesem Raum mit dem orangenen Teppich, den hohen Wänden und dem Stuck an der Decke, vor allem bin ich gern ein Teil dieser kleinen angenehmen Gruppe, die Geborgenheit gibt. Diese Zeit des „Nichtstuns“, in der wir nur auf uns selbst achten brauchen, ist für mich wahrer Luxus.

Zuhause fülle ich meinen Obstkorb auf und hole den Koffer aus dem Keller. Am Wochenende geht es nach Zürich, Too Many Zooz – meine Lieblingsband – kommt wieder nach Europa. In Zürich war ich noch nie, also ein Grund mehr, dort ins Konzert zu gehen.

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20.7.1018

Zuhause.

Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. – Chinesische Weisheit

Diese Worte habe ich gerade irgendwo gelesen. Sie sind hängengeblieben und beschäftigen mich. Fand ich diese Weisheit erst 100% richtig, stimme ich nach einiger Überlegung nur noch zur Hälfte zu.

Wenn ich abends auf dem Dach Taijiquan übe, bin ich ganz bei mir. Ich bin aufmerksam und konzentriert aber gleichzeitig auch entspannt und gelassen. Ich stehe fest auf dem Boden und lasse gleichzeitig alle Gedanken los. Ich laufe die Form, spüre, dass die Abläufe immer flüssiger werden und – das mag jetzt vielleicht auch wishful thinking sein – der Weg von der äußeren zur inneren Form bereitet wird.

Ich spüre das Leben und mich selbst, hier allein auf dem Dach, nur die Möwen und der Himmel über mir.

Und trotzdem geht es auch darum – und da möchte ich der Weisheit widersprechen – dem Leben mehr Tage zu geben. Mehr Tage sind notwendig, gewollt und gewünscht, um noch all das zu machen, was ich machen möchte. Es geht um beides: den Tagen mehr Leben zu geben und dem Leben mehr Tage.

Und eigentlich sind es nicht nur mehr Tage, die notwendig sind, sondern sogar zusätzliche Leben, denn Großmeister Chen Xiaowang schreibt in ‚Die 5 Level des Taijiquan‘: Die Schönheit und die Wirksamkeit des Taijiquan in seiner gesamten Bandbreite kann niemals innerhalb eines Lebens erreicht werden.

Es bleibt spannend, das Leben.

11.6.2018

Unterwegs.

Ich sei wieder richtig fit, stellt mein Taiji-Lehrer am Montagabend fest. Nachdem vor ein paar Tagen mein Hausarzt beim Belastung-EKG gefragt hatte, ob ich eigentlich Sport mache (ja – sechsmal in der Woche!) und mir dann noch das Blutdruckmessgerät verschrieben hat, freue ich mich umso mehr über das Feedback meines Lehrers, bei dem ich zweimal wöchentlich trainiere.

Heute ist das Training in Altona. Die Fenster der alten Turnhalle sind weit geöffnet, davor liegt der Park mit den großen Bäumen. Wir lassen unsere Gedanken davonfliegen, sagt R. als wir zur Stehenden Säule, dem meditativen Teil des Unterrichts, übergehen. Am Fenster fliegt eine Amsel vorbei.

Es ist so schön auf den Park und das Sonnenlicht zu blicken, das mit den Blättern spielt und bis zu uns in die Halle kommt, daß ich die Augen bei der Übung nicht schließen sondern die friedliche Stimmung aufnehmen möchte.

Danach folgen ein- und doppelhändige Seidenübungen, bevor wir die 19-er Form laufen.

Bis morgen dann, rufe ich zum Abschied. Morgen trainieren wir wieder in kleiner Runde im verwunschenen Garten des Psychologenhauses. Ich freue mich jetzt schon.

17.5.2018

Unterwegs.

Die Dämmerung setzt ein. Wir sitzen auf der Mauer, lassen die Beine baumeln, sprechen über Gott und die Welt und schauen auf die Lichter des Travemünder Hafens, die das Wasser in ein warmes gelbes Licht eintauchen lassen.

Davor waren mein Freund O. und ich am Yachthafen in einem kleinen Restaurant, saßen im Strandkorb und haben Spargel gegessen.

Auszeit am Meer. Auszeit vom Stress im Büro. Auszeit von vermehrten Arztbesuchen: Impfungen, Knochendichtemessungen, EKG, Blutwertecheck, es folgt noch ein Belastungs-EKG, mein Blutdruck ist leicht erhöht.

Aber hier, im Strandkorb und der klaren Seeluft, komme ich zur Ruhe.

20.3.2018

Unterwegs.

Scheisse, murmelt der ca. 25-jährige, der verloren auf dem Bahnsteig steht. Er sieht aus wie der Trompeter meiner Lieblingsband und hält einen Blindenstock in der Hand. Die Passanten sind an ihm vorbeigegangen, ich bleibe stehen. Ob ich ihm helfen könne, frage ich. Ja, das könne ich, antwortet er, er sei in die falsche Richtung gefahren und habe es zu spät gemerkt. Nun müsse er auf den anderen Bahnsteig. Er hält mir seinen Arm hin, ich hake mich unter und gehe mit ihm zum Fahrstuhl. Die Station Baumwall ist tricky; um auf die andere Seite zu kommen, muss man einige Treppen steigen oder mit zwei langsamen Fahrstühlen fahren. Schwierig für jemanden, der nicht sehen kann. Mein blinder Begleiter ist noch etwas aufgelöst, ich beruhige ihn und bringe ihn zum anderen Bahnsteig, ganz nach hinten, von wo er später besser aussteigen kann.

Er bedankt sich, wir verabschieden uns, ich fahre zum dritten Mal mit dem langsamen Fahrstuhl, wandere nach Hause und vermute, dass mir der heutige Meditationsunterricht mehr Achtsamkeit gebracht hat.