Unterwegs.

„Wir haben hier fünf Etagen“, sagt der freundliche Mitarbeiter an der Rezeption und zeigt auf eine Wendeltreppe. Ich schaue entsetzt, denn ich bin Orientierungslegastheniker. Das erste Mal in meinem Leben ging ich mit vier Jahren im Urlaub in Bulgarien verloren und musste von der Polizei gesucht werden. Auch in Dänemark bin ich schon abhanden- und nicht am Zielbahnhof angekommen, auch hier wurde die Polizei eingeschaltet (da war ich keine vier sondern volljährig).

Die große Schwester meines schicken Spas, das ich heute für einen Kosmetiktermin aufsuche, ist prädestiniert für mich, sozusagen ein Labyrinth on surprise. „Ich bin Orientierungslegastheniker“, sage ich zum Rezeptionisten, ohne weiter auszuholen, er hat mein entsetztes Gesicht korrekt gedeutet, lächelt freundlich und beschliesst, mich zur Damenumkleide zu bringen und mir die Wege zur Kosmetik und zum Pool direkt zu zeigen. Das finde ich sehr aufmerksam. Die Damenumkleide ist riesig: während ich in „meinem“ Spa den Spind Nummer 1 nutze, laufe ich hier von einem Raum in den nächsten, vorbei an Spind Nummer 167, 220, 300…die große Schwester meines kleinen Spas ist wirklich groß. Hauptsache, ich finde die Toiletten, denke ich. Und meinen Spind auf dem Rückweg, dessen Nummer ich vorsichtshalber in mein Handy tippe.

Ich mache mich auf den Weg Richtung Saunabereich, wo ist eigentlich der große Pool (eine Wendeltreppe tiefer) und wo die Tür, die mich wieder Richtung Kosmetikbereich bringen soll (am Ende der drölfzig kleinen Becken und Saunen), auch hier erbarmt sich ein Mitarbeiter und bringt mich in den von mir gewünschten Bereich.

Ich bin gestresst. Das ist ungefähr das, was man nicht erwartet, wenn man seinen freien Tag in einem schicken Spa verbringt. Im Kosmetikbereich erwartet mich die übliche meditative Musik mit Gongtönen. Angenehm ist die Stunde, denn wirklich zu reinigen gibt es in meinem Gesicht nichts, also keine Qual sondern Masken und Massagen.

Ich vergesse nicht zu fragen, wo es Richtung Umkleiden geht, denn schwimmen möchte ich hier auch. Ich finde meinen Spind, ziehe meine Badesachen an, gehe zu den Duschen, finde die Tür zum Saunenbereich und sogar die Wendeltreppe, die Richtung großen Pool führt, und bin jetzt doch ein bisschen stolz, das ich es so weit geschafft habe. Ich ziehe meine Bahnen, dort drüben zanken sich zwei Männer, dahinten liegt einer längs auf einem Sofa, ein Pärchen knutscht im Pool, und eine schlecht schönheitsoperierte und gebotoxte Mitstreiterin aus meinem kleinen Spa, das diese Woche den Schwimmbereich wartet, ist hier auch zugegen.

Schick ist es hier, wenn auch viel zu groß, denke ich, aber hier haben sie wirklich alles. Ich schaue mich suchend um. Alles? Nicht ganz alles. Den Swimsuit Dryer, den ich letzte Woche in meinem kleinen Spa entdeckt habe, den gibt es hier nicht. Und den, den finde ich zielstrebig wieder, auf meinem Weg, in meinem Spa.

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