Anker.

Hört ihr mich?, ruft unser Lehrer. Zumindest vermuten wir, dass er das ruft, wir jedenfalls hören ihn nicht.

Wir, das sind die Mitstreiter der dienstäglichen Meditation-Class und ich, jeder für sich zuhause und trotzdem alle zusammen, zumindest virtuell.

K. hat als Hintergrund ein Gebirge ausgewählt, das halb in der Sonne und halb im Schatten liegt. N. sitzt im All, hinter ihm ist ein Planet auszumachen, durch eine Bildstörung scheint dieser einem permanenten Steinschlag ausgesetzt zu sein. D.sitzt anscheinend in einer Abstellkammer, um ihn herum türmen sich Regalwände, das Licht ist grell. Unser Lehrer, den wir nicht hören, der aber weiterhin spricht, hantiert an der Technik herum und erscheint mal kopfüber und mal seitwärts auf dem Screen. Endlich klappt es mit dem Ton. Dafür sehe ich von Planeten-N. nur noch den Oberkörper, von Gebirge-K. nur noch den Kopf, es scheint, als ob K.’s Kopf auf N.’s Oberkörper sitzt, was mich an ein Kartenspiel aus Kindertagen erinnert, bei dem man dreigeteilte Figuren immer neu zusammenfügen konnte.

Nach diesem amüsanten Vorspiel kann die Meditation starten. Ich bin die einzige Frau in der Runde, stelle ich fest, und die einzige, die einfach auf nem Kissen im Wohnzimmer sitzt.

Heute tauchen wir mit dem Zeitstrahl in die Tiefe der Stille ein, die nur von den Worten unseres Lehrers unterbrochen wird. Den Koffer mit der Vergangenheit stelle ich rechts von mir ab, den Koffer mit der Zukunft links. Nun gibt es nur noch das Hier und Jetzt und meinen Atem. Und K., der nach einer halben Stunde wie von Zauberhand in der Gebirgswand verschwindet. So skurril das alles ist, ist es doch ein Anker in einer gerade noch skurriler anmutenden Welt.

Und weil ich meine Welt vermisse, gibt es zu diesem Beitrag ein Bild aus guten Tagen. Vom See Genezareth, von den Golanhöhen aus fotografiert.

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