Sintflut.

Der Regen rauscht auf mich herunter, immer stärker und stärker, ich ziehe den Kopf ein und versuche gleichzeitig, den Fluten, die über den Gehsteig fliessen, auszuweichen.
Trotzdem gehe ich weiter, dicht an den Wänden der rotgeklinkerten Häuser entlang, in einigen Fenstern brennt ein Licht, während ich die Dunkelheit durchstreife und mir der Regen die Stirn und die Nase hinunterläuft.

Ein Torbogen taucht auf, die alten Lampen erhellen die Treppenstufen, wie am Montmartre in Paris, denke ich, doch statt der weißen Sacré Coer ragt vor mir der Hamburger Michel auf.
Auf den Turm würde ich jetzt gern steigen, ich stelle mir vor, wie der Pastor – ein Verwandter von mir – heimlich den Zugang gewährt und ich die Stiegen nach oben steige, höher und höher, die riesigen Glocken unter mir lasse und dann über Hamburg schaue. (da ich aber lausig in der Pflege von verwandtschaftlichen Beziehungen bin, bleibt das bei dem frommen Gedanken).

Ich betrete den Michel. Vorne steht tatsächlich ein Pastor, ob es mein Verwandter ist, erkenne ich aus der Ferne nicht. Zwei Betende sitzen in den Reihen, ich bleibe an der Tür stehen. Orangene Rettungsringe hängen an der Balustrade, als würden sie auf Seefahrer warten, die in Seenot geraten sind, doch hier stehe nur ich, triefend und durchnässt, als würde ich gerade der Elbe entstiegen sein.
Ich bin nicht gläubig, aber ich mag die Stimmung in der Kirche, die Ruhe und die Festlichkeit; und der Michel ist ein Anker, der fest und sicher der stürmischen Nacht standhält.

Als ich wieder hinaustrete, stelle ich fest, dass meine Turnschuhe durchweicht sind. Auch die Regenjacke ist nur noch eine Jacke, der Regen rinnt den Nacken hinunter. Die Strickjacke unter der Jacke wird immer schwerer, das Taschentuch in der linken Tasche ist ebenfalls durchweicht, nur die Schokosalmis, die in der kleinen Plastiktüte in der rechten Jackentasche stecken, scheinen trocken geblieben zu sein.

Ich wandere weiter zum Baumwall hinunter, sehe Licht im Fenster einer Bekannten, klingeln tue ich aber nicht, denn ich sehe schon vor meinem inneren Auge den See, der sich um meine Füsse bildet, wenn ich jetzt anhalten täte.

Ich überquere eine Brücke, jetzt bin ich wieder in Paris und an der Seine, vor mir blinkt der Eiffelturm, mal grün, mal blau, blink, blink, er blinkt hier wirklich, allerdings auf dem Dach eines Wägelchens, das Crepes verkauft, an wen in dieser verregneten Nacht, bleibt unklar.
Ein Angler kommt mir auf der nächsten Brücke entgegen, seine Regensachen glänzen genauso wie meine, er zieht die Mütze tiefer in die Stirn.

Über eine Stunde war ich unterwegs, Bewegung muss sein. Und eine heisse Dusche auch.

Nachtrag:
ich kann das ganze Jahr über draussen schwimmen, ohne krank zu werden.
Ich kann eine einzige Wanderung durch den Regen machen, und fange mir eine Erkältung ein.

Nachtrag 2:
Der Fitnessrückblick der Woche entfällt (aus gegebenen Anlass).

3 Gedanken zu “07.11.2020

  1. Moin,
    wann war das denn, hier schien heute den ganzen Tag die Sonne und auch gestern hat es hier nicht geregnet.
    Hoffe, Du bist diesmal ohne Erkältung davon gekommen. 🙂
    Schönen Sonntag.
    Viele Grüße
    Jens

    Gefällt 1 Person

    1. das war am Montag Abend. Heute war ein sonniger Tag. Einige der Fotos aus dem Beitrag sind auch von heute. Am Montag nur das Titelbild, es war schlichtweg zu nass, um das Handy zu zücken. Dir auch einen sonnigen Sonntag 🙂

      Gefällt 2 Personen

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