Unterwegs.

Ich stelle die Klangschale, die ich aus Lhasa mitgebracht habe, vor mich hin, und dann kommt der Moment, auf den ich mich schon den ganzen Tag gefreut habe: der Ton der Schale ist wunderschön, leicht vibrierend und immer leiser werdend leitet er uns in die Tiefen der Stille.

Vorher habe ich C., mit der ich am Dienstag allein bei der Meditation bin, gefragt, ob sie einen Onkologen hat. Ich habe nämlich keinen. Sie auch nicht. Meine Hausarztpraxis ist stutzig geworden, da ich bei der Blutabnahme nicht nur den Schilddrüsen- und den Vitamin-D-Wert bestimmen lassen wollte, sondern auch die Werte, die aufgrund der Tamoxifen-Einnahme in die Schräglage geraten könnten. Und dafür sei der Onkologe zuständig. Aber meine Hausärzte sind freundlich und lassen alle Werte überprüfen.

Im Büro angekommen, stelle ich fest, dass ich mein Pillendöschen mit dem Tamoxifen nicht zurück in die rote Handtasche gesteckt habe. Ich ärgere mich, das ist mir noch nie passiert. Ich fahre zurück nach Hause, renne die Treppen hoch, stecke das Döschen ein und laufe die Treppe wieder hinunter. Vor der Tür stelle ich fest, daß ich die Handschuhe nicht mehr dabei habe. Ich ärgere mich wieder, da ich aber nur sportliche sieben Minuten Zeit habe, um die Bahn zurück zum Büro zu bekommen, spurte ich zum Bahnhof. Um 10.10h ruft T. an und fragt, ob unser Meeting heute nicht stattfände. Doch, sage ich, und schaue auf die Uhr; ich bin zu spät dran. Meinen Grafiker frage ich, warum wir denn vier Formate von derselben Anzeige bekommen hätten; während er anfängt zu erklären, merke ich, daß mir die Antwort bekannt vorkommt. J., Habe ich Dich das schon mal gefragt? Er bejaht und gibt sich diplomatisch, diesmal würde er aber noch einen screenshot zur Verdeutlichung schicken. Ich werde vergesslich. Ich gebe meiner Schilddrüse die Schuld, wahrscheinlich ist sie jetzt doch noch in die Unterfunktion gefallen, da stellt sich Vergesslichkeit ein.

Meine Hausarztpraxis ruft an, alle Blutwerte seien in Ordnung. Die Schilddrüse ist unschuldig. Vielleicht komme ich mit drei Meetings am Tag, einem Friseurtermin in der Mittagspause und dem Sport direkt nach der Arbeit etwas ins Straucheln? Ich stelle mich neben mich und fest, daß dem nicht so ist. Ich bin ganz ruhig, mein Blutdruck und mein Puls sind es auch. Vielleicht ist das Wetter schuld? (note to myself: vielleicht wirst Du einfach alt).

Beim Schwimmen bleibe ich drin, da ich im Aussenbecken des öffentlichen Bades keine pinke Badekappe samt Schwimmfreundin darunter ausmachen kann, mit der ich beim Bahnenziehen bei minus 3 Grad die Zeit verplaudern könnte. Im Innenbecken schwimme ich schneller und konzentriert. Hier ist keine Ablenkung in Sicht, dafür umso mehr Platz. Ich sage in Gedanken das Alphabet auf, ein kleiner Test, den ich bestehe. Auch die Einkaufszettel für Freitag und Samstag habe ich im Kopf, genauso wie die Verabredungen am Wochenende. (note to myself: vielleicht darf man einfach mal was vergessen). Zuhause angekommen, stelle ich fest, dass ich alles, was ich mit zur Arbeit und ins öffentliche Bad genommen habe, auch wieder mit zurückgebracht habe. Dafür fällt mir jetzt kein Abschlusssatz ein. (note to myself: es gab schon andere, die Werke unvollendet ließen).

ein unvollendeter Text, dafür ein vollendeter Ton

11 Gedanken zu “25.01.2019

  1. Schusseligkeit macht das Leben bunter. Manchmal steht man irgendwo weiss nicht wie man dahin gekommen ist, aber es ist ein toller Ort wo man gelandet ist. Will sagen…. Träumen, Schusseln… Gehört dazu. Liebe Grüße!

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  2. Mir kommt das alles sehr bekannt vor, dabei bin ich eigentlich strukturiert und Meisterin des Multitasking. Ich bin nicht sicher, ob es für mich leichter zu akzeptieren wäre, wenn ich mit Bestimmtheit wüsste, was die Ursache ist: die Nachwirkungen der Chemo und der Bestrahlung, die Menopause, das Tamoxifen. Kann es wirklich schon das Alter sein, wenn man noch in dem 40ern ist?

    🤔

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  3. Bei mir ist übrigens die nachsorgende Gynäkologin für die Bluttests wg. Tamoxifen und Vit D verantwortlich. Einen Onkologen braucht man bei Brustkrebs nicht.

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    1. danke für die Info – werde das beim nächsten Nachsorge-Termin ansprechen. Evtl wurde das mal mit dem Blutabnehmen erwähnt, und ich hab abgelehnt, weil ich das grad beim Hausarzt hab checken lassen – kann mich nicht genau erinnern (was mich nicht wundert) 🤔

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  4. Ein festlicher blog. Als ich mich damals durch die Thematik durchgequält habe, gabs sowas noch nicht, man schrieb noch auf Papier. Wenn Du mal lesen willst, was ich damals geschriebenhabe…. „welche Farben hat die Nacht“, ist inzwischen billig antiquarisch zu haben. Auch eine bunte Sache, und bisweilen festlich. Aber nicht nur. Aber das ist Dir ja vertraut….Lieber Gruss und bleib gesund!🌻

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