Zuhause.

Es passiert mir sehr selten, glücklicherweise, dass ich Angst bekomme, in Schockstarre falle und mich am Eingang zur Hölle wähne. Die Welt steht still und ich daneben, versuchend, meinen Verstand zu nutzen.

Heute nach dem Schwimmen bei herrlichem Wetter im Außenbecken ist so ein Moment.

Im Briefkasten ein Brief vom Krankenhaus, in dem ich am Dienstag zur Vorstellung war. Der Untersuchungsbefund. Viele mir unbekannte Begriffe, Zahlen, Abkürzungen, Zeichen, dazwischen die Worte „positives Malignitätszeichen“, „abklärungsbedürftig“, „thyroid cancer guidelines“. Diese Worte kenne ich, aber ich will sie nicht sehen, nicht in meinem Befund. Kurz überlege ich, mit dem Brief rüber in die Praxis meines Hausarztes zu laufen, aber dort ist schon Feierabend. Ich rufe im Krankenhaus an, ich möchte den Brief verstehen. Die freundliche Dame am Telefon stellt fest, dass gerade kein Arzt greifbar sei, um mir den Befund zu erklären, sie aber (eigentlich genau wie ich bei klarem Verstand) nicht denke, dass dort etwas sehr Schlimmes drin stünde, dann hätte man mir das sicher direkt gesagt, und meine Krankenhaustermine seien für Ende November bestätigt. Aber sie werde jemanden bitten, mich zurückzurufen. Keine zwei Minuten später habe ich einen Nuklearmediziner am Telefon, der Entwarnung gibt: die Begriffe, die mir ins Auge gestochen sind, stünden unter „Methodik“ und haben nichts mit meinem individuellen Befund zu tun. So etwas weiß ich natürlich nicht, ich bin kein Mediziner aber reagiere bei meinem Vorbefund sensibel. Das versteht mein Telefonpartner sehr gut, er kann mich beruhigen, ich bedanke mich für den umgehenden Rückruf, wir wünschen uns ein schönes Wochenende.

Eine halbe Stunde bleibe ich in Nach-Schockstarre einfach am Küchentisch sitzen, bevor ich meine Theaterkarte für den Abend herauslege. Eigentlich langt mir ein Drama am Tag. Das Drama des Abends betrifft mich zum Glück nicht.

“When we are born, we cry that we are come to this great stage of fools.”
William Shakespeare, King Lear

note to myself: Befunde zukünftig direkt an den Hausarzt schicken lassen. Den Befund vom Humangenetiker habe ich letztes Jahr schließlich auch direkt an meinen Arzt im Krankenhaus schicken lassen.

9 Gedanken zu “19.10.2018

  1. Oh, das fühlt sich ganz ganz ungut an, wenn man so in Unsicherheit schwebt.
    Aber ich finde es gut, wie die Ansprechpersonen im Krankenhaus reagiert haben.

    Ich hoffe, das Theaterdrama hat dich dann entschädigt. 🙂

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