Unterwegs.

Ich kenne die Stimme, die hinter der geschlossenen Tür zu hören ist, als ich im Mammazentrum im Krankenhaus mein Rezept für eine weitere Packung Tamoxifen ausstellen lasse. Kurz darauf öffnet sich die Tür, hinter der ich viele Male bei Prof. Dr. M. gesessen und meine Therapien besprochen habe. Ich lächele und grüsse Prof. Dr. M., der mit Telefon am Ohr den Flur durchquert, er grüsst fröhlich zurück, während er telefonierend eine Runde dreht und wieder in seinem Zimmer verschwindet. Gern hätte ich mich etwas mit ihm unterhalten, aber er hat sicher Wichtigeres zu tun. Leben retten. So wie meines.

Vom Krankenhaus sind es nur wenige Minuten zum öffentlichen Bad, das ich bei herrlichem Sonnenschein betrete. Ich lege die Dauerkarte auf den Sensor, wie mir das der Kassierer letzte Woche gezeigt hat. Nichts passiert. Ich bewege die Karte etwas hin und her, es passiert immer noch nichts. Der Kassierer – heute ein anderer – schaut mich erwartungsvoll an. Funktioniert nicht, sage ich. Was ich denn möchte, fragt er mich. Schwimmen, antworte ich. Was soll ich denn sonst wollen, denke ich, aber spreche es nicht aus. Ach so, ich hätte ja auch in die Sauna oder die Sole wollen können, das seien ja andere Preise. Ich bleibe beim Schwimmen, sage ich, er bucht den rabattierten Betrag von meiner Karte ab.

Nach ein paar Bahnen im Innenbereich wechsele ich ins Aussenbecken. Die Bäume sind kahler geworden, eine Windböe weht goldene Blätter in den Pool, die ich beim Schwimmen zur Seite schiebe. Wolken hängen am Himmel, die Banner am Zaun sind ausgeblichen, aber der Pool liegt in der Sonne.  Hamburg, 10 Grad. Es wird Herbst.

Zuhause checke ich die Wetterapp, in der Antarktis sind es mittlerweile Minus 45 Grad, Windchill Minus 62 Grad. Ich ordere eine Nasen/Gesichtsmaske, wie sie auch die Skifahrer nutzen und danke Luisa für Ihren Tipp mit dem Nasenwärmer. Meine bestellten Fäustlinge sind irgendwo zwischen den Niederlanden und Deutschland unterwegs, der DHL-Status vermeldet ein „refused and return to sorting center“. Ich bleibe gelassen.

Am Samstag morgen ist es stürmisch, ich ziehe meine neue Outdoorhose an und besorge in einem Fotoladen an den Colonnaden einen Polarfilter für meine Kamera. Der Inhaber des kleinen Ladens ist freundlich, erklärt mir die Funktion des Filters und stellt mir schon mal meine Kamera richtig ein. Dann putzt er den alten Filter, der auf meiner Kamera sitzt. Ich freue mich über den Service, und noch mehr freue ich mich darüber, dass es draussen mittlerweile nicht nur stürmt sondern auch noch regnet. Da kann die Outdoorhose gleich mal zeigen, ob sie wirklich Wind und Wasser abhält. Ich beschliesse, zu Fuß nach Hause zu marschieren. Die Hose hält, die Turnschuhe nicht, aber von denen habe ich das auch nicht anders erwartet.

Auf dem Weg noch eine kleine Duschlotion, eine Milch und einen Kontoauszug geholt und begeistert festgestellt, dass ich das Ganze ohne Merkzettel bewältige. Kein Vergleich zu der Zeit der Strahlentherapie, in der meine Wohnung mit Post-Its dekoriert war  und ich es trotzdem nicht geschafft habe, vom Einkaufen mit den Teilen zurückzukommen, die auf dem Einkaufszettel standen. Die Konzentration ist zurück.

Am Montag werde ich die letzten Vorbereitungen treffen und britische Pfund (für Edinburgh), US Dollar (für Ausgaben auf dem Schiff) und argentinische Peso (für Ushuaia und Buenos Aires) besorgen. Damit liege ich sehr gut im Timing meiner Reiseplanungen, die neben der Arbeit, dem täglichen Sport, der mittäglichen Krankengymnastik und den Vergnügungen geschehen.

Das Jahr geht in den Endspurt. Und ich mit ihm.

5 Gedanken zu “28.10.2017

  1. Ahhh, voll schön! Deine Beschreibung des Tages und die goldenen Blätter, von denen ich heute auf meinem Trip durch das Weinviertel auch ganz viele gesehen hab, und das Wort »Windböe«, das ist auch sehr schön.

    Alles Liebe aus Österreich!

    Gefällt 1 Person

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